Der Band, um den es heute gehen soll, hat 160 Seiten, aber davon sind nur 119 mit dem eigentlichen Comic gefüllt (der Rest sind Coverzeichnungen, biographische Informationen und hübscher Schnickschnack), und für diese 119 Seiten „The Rocketeer” hat der amerikanische Zeichner Dave Stevens dreizehn Jahre gebraucht. Begonnen hat er seine in den späten dreißiger Jahren angesiedelte Abenteuergeschichte um einen jungen Mann mit einem Raketenrucksack 1982, zu Ende brachte er sie erst 1995. Die letzte Seite – ein ganzseitiges Pin-Up-Bild der jungen Betty, des optischen Blickfangs im Comic – deutete eine weitere Fortsetzung an. Zu der aber kam es nicht mehr; Stevens starb 2008.
Wäre 1991 nicht eine Verfilmung von „The Rocketeer” erfolgt, die zwar kein finanzieller Erfolg war, aber die Sache doch weitaus bekannter machte, als sie es vorher allein unter Comiclesern gewesen war, dann hätte der 1955 geborene Zeichner seine Serie wohl nie zum Abschluss gebracht. So aber haben wir einen nun für die nun erschienene Sammelausgabe aufwendig neukolorierten und im Überformat gedruckten Comic vor uns, der reine Nostalgie ist. Doppelte Nostalgie sogar, denn erst einmal hat Stevens den Look der dreißiger Jahre kopiert, wie ihn vor allem Alex Raymond mit seinem Comic-Strip “Flash Gordon” geprägt hat. Und dann ist der Comic “The Rocketreer” selbst auch noch ein archetypischer Vertreter der achtziger Jahre, als breitschultrige Jacken und kühle Frauen zum Stil-Ideal erhoben wurden. Der Band ist damit also zweifach ein Retro-Phänomen.
Nun wird es nicht mehr allzu viele potentielle Käufer geben, die sich noch an die dreißiger Jahre erinnern. Doch die in den Achtzigern Großgewordenen werden das Geld haben, um die bei Cross Cult nun auch auf Deutsch erhältliche Gesamtausgabe zu kaufen. Und es gibt sogar ein paar mehr Nostalgiker, die dafür auch in Frage kämen, denn Stevens hat für die Gestaltung seiner körperbetonten, malerisch angelegten Figuren von Richard Corben einiges gelernt. Die Comic-Ästhetik der siebziger Jahre ist also auch eingeflossen. Heute wirkt das geradezu vorgestrig, aber das Spiel mit den jahrzehnteübergreifenden Klischees im „Rocketeer” bricht das spezifisch Corbensche Pathos gründlich und macht die Lektüre dadurch zu einem „guilty pleasure”, das zumindest kein schlechtes Gewissen hinterlässt. Die festen Schemen von Gut und Böse, Mann und Frau, Alt und Jung lassen zwar keine Überraschungen zu, aber sie profitieren von der lärmenden Ironie jener Pulp-Ära, aus der die erzählerischen Vorbilder von Stevens stammen.
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