Zunächst einmal das Format: quer, aber an der Längsseite geheftet. Also liest man „Die hollandische Schachtel” (ja: „hollandisch”, mit a statt ä) auf ungewohnte Weise: Man blättert die Seiten nach oben weg. Auf jeder findet sich ein Einzelbild, wunderschön koloriert mit Bleistift, und das Papier ist leicht beige getönt (und beim Vorsatz ist es mattrosa). Man merkt, mit was für einer Freude Anke Feuchtenberger diese Publikation gestaltet hat.
Damit ist aber über die Geschichte noch gar nichts gesagt. Sie ist schön genug. Erzählt wird sie aus der Sicht einer Hündin. Die stammt aus Holland, und das erklärt die seltsamen Schreibweisen im Text (zum Beispiel das Wort „hollandisch” im Titel). Zu Hause aber ist das Tier im vorpommerschen Quilow, genauer gesagt bei Anke Feuchtenberger und Stefano Ricci, dem deutsch-italienischen Zeichnerpaar. Feuchtenberger hat eine Geschichte über ihre Hündin gezeichnet, und das erklärt die tiefe Zuneigung für alle Beteiligten, die aus den Kommentaren des holländischen Tiers spricht.
Es ist eine Allerweltsgeschichte, und doch eine, die für die Hündin die ganze Welt bedeutet. Ein zweiter Hund kommt ins Haus, und manches Privileg ist damit in Frage gestellt. Die Menschen agieren sowieso auf nur schwer begreifliche Weise. Aus Hundeperspektive kann man da nur staunen.
Und „Die hollandische Schachtel” hält sich streng an die Hundeperspektive. Die daraus folgende erzählerische Unschuld hat die Hündin mit den meisten Figuren von Anke Feuchtenberger gemein – mit der Hure H, die die Zeichnerin berühmt machte, mit der exotischen Königin, der kleinen Dame oder mit Superträne, einer Hausfrau mit sehr speziellen Fähigkeiten. Anke Feuchtenberger erzählt nahezu immer von Frauen und vor allem aus der Sicht von Frauen. Das macht ihre Comics außergewöhnlich.
Dass sie darüber hinaus durchaus verstörendes Potential besitzen, formal wie inhaltlich, ist ihr oft vorgehalten worden. Aber diese Radikalität ist Ausdruck ihres Interesses an den eigenen Geschichten. „Die hollandische Schachtel” ist allerdings zurückhaltend, eben so unschuldig, wie es dann doch nur Tiere sein können. Und so entfaltet sich auch die sonst harsche Poesie der Feuchtenbergerschen Grafik diesmal auf eine ganz zarte Weise. Würde sie das Wort für ihre Kunst mutmaßlich nicht hassen, müsste man von „liebenswert” sprechen. Sagen wir also lieber: Dieses Buch ist lesenswert. Im höchsten Maße sogar.