Comic

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Diese Erzählform vereint das Beste beider Kunstwelten: Wort und Bild. Was man davon lesen und was man besser meiden soll, steht hier.

Kampf im Computer

Das schönste Anime der letzten Jahre ist Mamoru Hosodas „Summer Wars". Daraus ist danach ein dreibändiger Manga geworden, den Iqura Sugimoto gezeichnet hat. Und wie sie diese Adaption angegangen ist, das ist exemplarisch gut.

Selten, ganz selten nur, trauere ich den paar farbigen Anfangsseiten hinterher, die gemeinhin den Beginn einer neuen Manga-Reihe begleiten. Da werden in den japanischen Magazinen ein paar opulent kolorierte Sequenzen abgedruckt, um die Leser anzulocken, aber wenn es sich um gute Zeichner und eine kluge Geschichte handelt, liest man danach die vielen Hundert oder gar Tausend Seiten mit Vergnügen auch schwarzweiß. Aber im Falle von Iqura Sugimotos „Summer Wars” ist die eine farbige Seite, die den Auftakt des nun auf Deutsch erschienenen ersten Bandes bildet, so subtil gestaltet, dass ich gern das ganze Buch so koloriert gesehen hätte.

Und das will etwas heißen, denn es ist auch so ein wundervoller Manga. Klar, ich habe schon die Filmvorlage geliebt: jenes zwei Stunden lange Anime, mit dem Mamoru Hosoda den japanischen Kinosommer 2009 beherrscht hat. Sein „Summer Wars” ist einer der klügsten Trickfilme überhaupt – typisch japanisch in Expressivität der Figuren wie Eleganz der Dekors, und doch auch eine global attraktive Geschichte um eine Art Trojaner, der eine überaus populäre virtuelle Welt heimsucht und über das Kidnapping der dortigen Avatare Zugriff auf alle Geheimnisse der wahren Welt bekommt. Rettung verheißt da nur das kollektive Bemühen einiger Computer-Nerds. Alles wie in der Wirklichkeit also.

Doch in diese – nennen wir es ruhig: systemkritische – Handlung mischt sich eine hinreißende Liebesgeschichte zwischen zwei Oberschülern: der schönen Natsuki, Tochter eines alten Samuraigeschlechts, und dem schüchternen Kenji, der dem Bürgertum entstammt. Im ländlichen Stammsitz von Natsukis Sippe lernt der Stadtjunge eine Großfamilie kennen, die vier Generationen umfasst und von Urgroßmutter Sakae bestimmt wird – einer resoluten, aber lebensklugen Dame, zu deren neunzigstem Geburtstag sich alle Angehörigen und eben auch Kenji versammelt haben. Dieses Fest wird überschattet von Reibereien in der Familie und von dem großen Computerdrama, das plötzlich ganz Japan bedroht.

So weit Hosodas Film, so weit auch der Manga. Sugimoto zeichnet sehr dicht, bisweilen gar so gedrängt, dass die Vorkenntnis des Films nicht schaden kann, um den Ablauf mühelos zu verfolgen. Aber notwendig ist sie nicht.

Der Regisseur selbst hat die Zeichnerin ausgesucht, und sie orientiert sich sklavisch am Aussehen der von Yoshiyuki Sadamoto gestalteten Anime-Figuren (neben Hosoda und Sugimoto wird er eigens auf dem Cover des Manga genant: als Charakterdesigner). Und doch entwickelt Sugimoto ihr ganz eigenes Tempo in der Adaption. Hier wird nicht wie im Film von Höhepunkt zu Höhepunkt geeilt, sondern langsam entwickelt, was sich da an Zündstoff aufbaut. Einige Episoden, die Hosoda geschrieben hatte und dann jedoch nicht den Weg auf die Leinwand fanden, werden nun veröffentlicht, zum Beispiel eine große Telefonaktion von Urgroßmutter Sakae, die als frühere Lehrerin an einer Eliteschule alle ihre alten Schüler, die nun wichtige Positionen bekleiden, auf den Ehrenkodex der Samurai-Tradition einschwört.

In den noch ausstehenden zwei Bänden dürfte es noch mehr solcher Ausweitungen des Geschehens geben. Sechshundert Manga-Seiten gestatten eben doch eine breitere Erzählweise als selbst zwei Stunden Filmzeit. Zumal im Gegensatz zum Anime die optisch opulenten Sequenzen aus der virtuellen Welt von OZ reduziert wurden. Da fehlte dann eben doch die Farbe.