Auf dem Buchrücken (Halbleinen – Max Goldt hat immer schon Wert auf schöne Gestaltung seiner Bücher gelegt) steht einfach „Kaktus”. Das hätte der Verlag wohl gern. Aber der volle Titel des neuen Comicbands von Katz und Goldt lautet „Katz und Goldt sowie der Berliner Fernsehturm aus der Sicht von jemandem, der zu faul ist, seinen Kaktus beiseite zu schieben”.
Dieser Jemand ist der Betrachter, der aber gar keine Chance zur Zierpflanzenverpflanzung hat, weil Stephan Katz den inkriminierten Kaktus mitten aufs Titelblatt gezeichnet hat. Hinter dem kreisrunden stacheligen Gewächs, für das der Volksmund den schönen Begriff „Schwiegermuttersitz” geprägt hat, während ich selbst, aus Gründen, die anzuführen hier zu weit führen würden, von einem „Knut” spreche. Dieser Knut also verdeckt drei weitere kreisrunde Gebilde: Die Kugel des angesprochenen Berliner Fernsehturms auf dem Alexanderplatz und die Köpfe von Katz und Max Goldt, den beiden Autoren des Buchs. Man hat also – ganz charakteristisch für Werke von Katz und Goldt – eine auf den ersten Blick eher rätselhafte Zeichnung, die durch den beigegebenen, leicht geschraubt formulierten Text große Komik entwickelt. Genau so funktioniert auch der Rest des Buchs. Überzeugen Sie sich selbst: https://www.editionmoderne.ch/angebot.php?vl=0&vi=63&vs=243&va=0&vsa=0&vlp=243&vflip=0.
Nun ist es nicht so, dass Max Goldt als Texter allein verantwortlich wäre für das, was seine Comics an Witz entfalten. Die Vermutung liegt zwar nahe, schließlich kennt man Goldt als Kopf hinter dem Musikduo Foyer des Arts, das seinen Fokus klar auf den Texten, nicht auf der Musik hatte, und als versierten Kolumnisten, dessen Stilgefühl ihm bereits den Kleist-Preis eingetragen hat, aber Katz ist weitaus mehr als nur Ergänzung dieses Sprachgenies. Er war der Initiator der Zusammenarbeit, und er ist ein brillanter Zeichner, der im Duett mit Goldt zu einem karikaturesken Strich gefunden hat, der sofort erkennbar ist, auch wenn er gewisse Verwandtschaft mit Stefan Rürup oder Rattelschneck (einem weiteren großen Zeichnerduo aus dem „Titanic”-Umfeld, wo auch noch Greser & Lenz zu nennen sind) aufweist. Immer noch gilt jedenfalls das, was früher auf jedem Buch der beiden stand: „The duo that does, what duos should do.”
Und was sollen Duos tun? Vergnügen bereiten. Mission erfüllt. Im neuen „Kaktus”-Band finden sich die doppelseitigen Episoden, die Katz und Goldt in den vergangenen zwei Jahren für „Titanic” gezeichnet haben und etliches mehr. Auf dem Vorsatzpapier sind Nebenfiguren abgebildet, die auf den Folgeseiten ihren Auftritt haben: zum Beispiel Mark Knopfler nach erfolgreicher Pilzsuche. Das ist schon deshalb ein guter Witz, weil der Name der Band des Gitarristen „Dire Straits” lautet – totale Pleite. Wie sollte er also Erfolg haben? Gezeichnet aber hat ihn Stephan Katz als Schneemann, dem oben ein paar dürre Haare unter dem Zylinder herauswehen. Noch ein guter Gag. Und all das in einer Winzzeichnung unter zwanzig anderen auf dem Vorsatz.
Der hintere Vorsatz ist dann zum Kehraus gefüllt mit Figuren, die leider nicht mitgewirkt haben. Nun vermisst man sie: die beiden verliebten Skelette mit sieben kleinen Hunden oder einen „Löwen mit guter Frisur und darin auch noch ein Ohr” – wobei Letztere seinen Witz durch einen Klammernachsatz erhält: „(Weimar vor dem Schloßmuseum)”. Das ist nun typisch Goldt. Er liebt es, Skurrilitäten im öffentlichen Raum aufzuspüren, in diesem Fall eine alte Skulptur mit nicht ganz überzeugenden skulpturalen Elementen. Aber Katz nimmt diese Anregungen wundervoll auf. Der nächste Besuch in Weimar wird der Suche nach dem real gemeißelten Ohr dienen.
Über den eigentlichen Inhalt des Comics muss man nicht reden. Er ist sehr gut.