Das ist mal eine Idee: Hunde sind doch die besten Schnüffler. Also zeichnet Aisha Franz die Titelheldin ihres Comic-Krimis „Brigitte und der Perlenhort” einfach als Hund und damit als eine geborene Schnüfflerin, wie sie nun tatsächlich im Buche steht. Aber was heißt „einfach”? Aisha Franz, achtundzwanzig Jahre alt und ein Talent der Sonderklasse, das nicht zufällig in diesem Jahr auf der Frankfurter Buchmesse den Sondermann-Preis für die beste Newcomerin verliehen bekommen hat, macht ihre Brigitte auch konsequent zur Hündin. Sie nimmt die Rolle also ernst. Keine Rede davon, dass wie bei Disney Menschen und Tiere munter durcheinander agierten; in „Brigitte und der Perlenhort” ist allen bewusst, was den Hund vom Menschen trennt.
Da der Comic nicht nur Krimi, sondern auch Romanze ist, gibt es für die Protagonisten ein besonderes Problem. Zwar verlieben sich alle Menschen rasch in die elegante junge Hundedame, aber der Sex birgt große Gefahren. Das macht allerdings nur einen winzigen Teil der Handlung aus, ist jedoch wichtig für die Psychologie der Hauptfigur, die zudem durch etliche Erinnerungssequenzen verdeutlicht wird. So konsequent und riskant mit dem anthropomorphen Tiermotiv hat seit Art Spiegelman niemand gespielt (Leseprobe unter https://www.reprodukt.com/product_info.php?products_id=429).
Was passiert in der Geschichte? Brigitte ist von ihrem geheimnisvollen Chef, einem nie in Erscheinung tretenden Auftraggeber à la „3 Engel für Charlie”, angeheuert worden, um in den Besitz der letzten „Margarita” zu kommen, einer Austern-Art, die fortwährend neu die schönsten Perlen produziert. Dafür setzt sie die Waffen einer Frau ein – was ihr selbst, als sie dafür mit genau diesem Begriff gelobt wird, als Hündin sehr peinlich ist. Unglücklicherweise verliebt sie sich aber auf der Flucht in einen Taxifahrer, der sie verrät. Plötzlich ist das Geheimnis wieder da, wo sie es gestohlen hat.
Es würde zu weit führen, die verwickelte Handlung nachzuerzählen, die die tollsten Wendungen aufweist und von Aisha Franz mit erkennbarem Vergnügen am Abenteuer-Klischee entwickelt wird. Nur soviel: Es wird ein zweiter Hund in die Handlung eingreifen, und irgendwann sind Brigittes Anti-Love-Pills aufgebraucht. Man ahnt das Happy Ending.
Nach ihrem ernsten Debüt „Alien”, in der Aisha Franz die Geschichte eines jungen Mädchens erzählte, das sich gegen die ältere Schwester und die alleinerziehende Mutter in die Freundschaft zu einem Außerirdischen flüchtet, ist „Brigitte und der Perlenhort” (der auch wieder bei Reprodukt erscheint, dem Verlag mit guter Nase für deutsche Talente) ein großer Spaß. Strich und Seitenarchitektur bauen auf den Vorgänger auf, aber die Freiheit der Bilder in Technik und Arrangement passen zu dieser Geschichte noch besser.
So hat Aisha Franz die große Hürde des zweiten Buchs souverän gemeistert. Zwischendurch illustrierte sie übrigens für ein Begleitheft des Berliner Maxim-Gorki-Theaters, das eine Woche zum Thema „Comic und Theater” organisiert hatte, eine Geschichte, die durch ihre expliziten Liebesakt-Darstellungen das Missfallen des mitfinanzierenden Berliner Senats fand, so dass einzelne Zeichnungen mit dem Computer für den Druck verschleiert werden mussten. „Brigitte und der Perlenhort” schafft nun das Kunststück, alle denkbare Schlüpfrigkeit unter der herrlich absurden und temporeichen Geschichte zu verbergen. Und da Brigitte eine unverbesserliche Romantikerin ist, hat sie auch alle Sympathien. Aisha Franz wiederum hat eine Nase für den Comic, um die sie jeder Schnüffler beneiden müsste.