Comic

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Diese Erzählform vereint das Beste beider Kunstwelten: Wort und Bild. Was man davon lesen und was man besser meiden soll, steht hier.

Mord rächt sich

Niemand zeichnet hitzeflirrende Szenen so opulent wie Matthias Schultheiss. Nun ist der Altmeister wieder da: mit dem Band „Woman on the River“.

Er war der erste große deutsche Star in Frankreich. Als Matthias Schultheiss in den achtziger Jahren seine beiden Trilogien „Die Wahrheit über Shelby“ und „Die Haie von Lagos“ publizierte, überschlug sich der große Comic-Nachbar vor Begeisterung über diesen Deutschen, der den im Seriendenken erstarrten französischen Zeichnern mal zeigte, wie man Abenteuergeschichten stimmungsvoll erzählte. Doch der Prophet galt wenig im eigenen Lande.

Nicht, dass Schultheiss keinen Erfolg in Deutschland gehabt hätte, aber nach „Night Taxi“, das 1990 bei Carlsen erschien, kam eine lange Durststrecke, die erst in jüngster Zeit beendet wurde. Schultheiss, zwischenzeitlich zum Drehbuchschreiber mutiert, entdeckte den Comic für sich neu, und eines seiner ersten Projekte war eine Geschichte, die in Zeichenstil und Erzählton nahtlos an seine großen Epen der Achtziger anschloss. 2008 publizierte er in Japan beim Verlag Kodansha „Die Frau auf dem Fluss“, 2012 übernahm der französische Verlag Glénat dieses Album und gab ihm den englischen Titel „Woman on the River“. Und den wiederum bringt nun der in München angesiedelte Splitter Verlag auf Deutsch heraus (Leseprobe auf https://www.splitter-verlag.eu/woman-on-the-river.html). Der Zeichner ist also auf Umwegen wieder in der Heimat angekommen.

Vor einem Jahr hatte es bei Splitter schon eine neue Schultheiss-Veröffentlichung gegeben, „Daddy“, auch sie ursprünglich für den japanischen Markt entstanden. Das war eine bemüht satirisch-groteske Umdeutung der christliche Heilsgeschichte, die man bestenfalls geschmacklos nennen kann. „Woman on the River“ ist etwas ganz anderes: eine klassische Rachegeschichte, die mittels der aquarellierten Farbgebung eine Stimmung erzeugt, wie es nur wenige Comic-Künstler vermögen.

Nach fünfunddreißig Jahren kommt ein wegen Mordes verurteilter Auftragskiller wieder aus dem Gefängnis frei. Er zieht sich zurück, in eine verzweigte Flusslandschaft, die ans Mississippi-Delta erinnert. Dort findet er neue Freunde und tagsüber sogar seine Frieden. Nur nachts plagen ihn Albträume.

Doch die Vergangenheit kann er nicht abschütteln, sie holt ihn in Gestalt einer Frau ein, in die er sich verliebt, die jedoch ohne Wissen des Killers mit seinem früheren Leben verbunden ist. Dass Schultheiss dieses frühere Leben fünfunddreißig Jahre zurückliegen lässt, ist das einzige Manko des Bandes, denn dazu passt die aufreizend-sinnlich gezeichnete Erscheinung der Frau nicht. Ansonsten aber ist das Geschehen schön in eine Rahmenerzählung eingepasst, die vom ersten Bild an keinen Zweifel daran lässt, wie die Sache ausgeht. Spannend ist aber, wie es dazu kommt.

Mit diesem Band ist Schultheiss ein großes Comeback geglückt, und es ist schade, dass „Daddy“ erst danach entstanden ist, sonst könnte man Hoffnung haben, es gehe nun so weiter wie in „Woman on the River“. Aber auch wenn dieses Album eine Eintagsfliege bleiben sollte – das Gurgeln des Flusses, das Flirren der Sonnenstrahlen, das Dampfen der Luft, all das, was Schultheiss uns hier vorführt, werden wir noch lange im Gedächtnis behalten.