Comic

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Diese Erzählform vereint das Beste beider Kunstwelten: Wort und Bild. Was man davon lesen und was man besser meiden soll, steht hier.

Sex klaut gut

Ein Traumtrio und doch ein tristes Resultat: Die französischen Comicjungstars Bastien Vivès und Ruppert & Mulot hecken zusammen den Kunstkrimi „Die große Odaliske“ aus, doch das Ergebnis ist dubios.

Wenn man einen Wunsch frei gehabt hätte, welche französischen Comicgrößen man gern einmal zusammenarbeiten sähe, dann wäre die Paarung aus Bastien Vivès und dem Duo Ruppert & Mulot als gute Wahl erschienen. Der erst neunundzwanzigjährige Vivès ist ein Chamäleon, der sich seit seinem ersten Erfolg mit „Der Geschmack von Chlor“ an diversen Erzähl- und Stilformen versucht hat, die beiden fünf (Florent Ruppert) beziehungsweise drei Jahre (Jérôme Mulot) älteren anderen Newcomer sind durch ihre Konsequenz bekanntgeworden, mit der sie streng gezeichnete Schwarzweißgeschichten publizieren. Höhepunkt war bislang die zeitungsgroße Arbeit „Le Royaume“ von 2011.

Das wird leider weiter so bleiben, denn was Ruppert & Mulot mit der Vorlage von Vivès zu ihrem gemeinsamen Band „Die große Odaliske“ angestellt haben, ist bestenfalls langweilig. Es mag experimentierfreudige junge Künstler reizen, sich einmal an einem Genre zu probieren, und Vivès hat schon mehrfach bewiesen, dass er das auch beherrscht. Diesmal aber bastelte er eine Geschichte, die aus tausend altbekannten Versatzstücken besteht und zudem den Nachteil hat, dass er die drei Frauen, die im Zentrum des Geschehens stehen, offenbar nur deshalb gewählt hat, um ordentlich Erotik in die Geschichte zu bekommen. Die nie narrativ begründete lesbische Beziehung von Alex zu Sam und die Großbusigkeit  der älteren Chefin des Trios, Carole, sind als banale Männerphantasien einfach nur ärgerlich.

Ruppert & Mulot haben sich zudem nicht als Zeichner erwiesen, die dem schlichten Szenario etwas entgegenzusetzen hätten (Leseprobe: https://www.reprodukt.com/produkt/graphicnovels/die-grosse-odaliske/). Sie orientieren sich mit diesem farbigen Album mehr als nötig am Mainstream des französischen Abenteuercomics, was kommerziell nachvollziehbar, ästhetisch aber kein Gewinn ist. Auf hundert Seiten findet sich kaum etwas, was graphisch im Gedächtnis bliebe, und schlimmer noch: Das zugegeben spektakuläre Titelbild zeigt eine Szene, die es im Album gar nicht gibt. Das ist pure Effekthascherei.

Handlungsmäßig reiht sich „Die große Odaliske“ in den derzeitigen Trend zu französischen Comics, die im Louvre spielen, ein. Allerdings ist dieser Band nicht für die von dem Pariser Museum selbst herausgegebene Comicreihe entstanden, der man die meisten Beispiele dieses Trends verdankt, und man hätte eine solche Räuberpistole, bei der der Louvre um das berühmte Ingres-Bild „Die große Odaliske“ erleichtert werden soll, wohl im Rahmen der eigenen Publikationen auch nicht geduldet. Carole, Alex und Sam gehen nämlich ziemlich rabiat mit Kunst um.

Frechheit ist aber kein Qualitätskriterium, und wenn man bedenkt, wie grandios der von David Prudhomme geschriebene und gezeichnete Band „Einmal durch den Louvre“ war, der im vergangenen Jahr im selben deutschen Verlag erschienen ist, dann muss man nicht nur am Geschmack der drei Macher der „Großen Odaliske“ zweifeln. Aber der Reprodukt Verlag, dem man sonst wenig Verirrungen vorwerfen kann, ist gegenüber seinem Autor Vivès natürlich verpflichtet, wobei längst noch nicht alles von ihm auf Deutsch erschienen ist. Warum nur das hier?

Man kaufe deshalb lieber Prudhommes Comic, wenn man Kunstliebhaber ist, und wem das Herz nach Action steht, der wird auch Besseres finden, und sei es in klassischen französischen Serie wie „XIII“, „Blake und Mortimer“ oder „Der Killer“. „Die große Odaliske“ bietet vor allem falsches Pathos. Das schmerzt. Immerhin hat man nun wieder einen Wunsch frei.