Harlan Ellison wird in diesem Jahr achtzig Jahre alt, und wer den Science-Fiction-Großmeister oder seine Anhänger ärgern will, der verweise darauf, dass er einmal Drehbuchautor einer Folge der ursprünglichen „Star Trek“-Serie war. Das ist lange her, und trotzdem hatte Ellison sich schon vorher längst als Autor etabliert, dass man von diesem Engagement tatsächlich eher schweigen sollte.
Nicht schweigen allerdings sollte man von Ellisons Tätigkeit als Comic-Szenarist. Sie geht immerhin auch schon bis 1971 zurück, als er ein zwei Hefte der „Avengers“ schrieb, aber richtig aktiv wurde er Mitte der achtziger Jahre, als der amerikanische Superheldencomic im Umbruch war und Stoffe möglich wurden, die der von Ellison geforderten Ernsthaftigkeit entsprachen. In letzter Zeit war es dann wieder etwas ruhiger du langweiliger auf diesem Feld, also reduzierte auch Ellison seine Aktivitäten, doch kürzlich hat er sich mit einem umfangreichen Werk zurückgemeldet: „7 Against Chaos“, gezeichnet von Paul Chadwick, einer der aktuellen Superstars des Superheldencomics.
Großes Werk – das heißt erst einmal rund 200 Seiten. Aber auch großer Anspruch, wie der Titel verrät, der auf „Sieben gegen Theben“ anspielt, dem bald zweieinhalbtausend Jahr alten Drama des Aischylos. Ellisons Geschichte aber spielt in der Zukunft, als die Erde kurz vor der Vernichtung steht, weil die jahrhundertelang für Stabilität und Wohlergehen erforderlichen Krisencomputer plötzlich durchdrehen und die Vergangenheit so verändern, dass in der Gegenwart (die ja die Zukunft ist) alles aus dem Lot gerät. Vor allem verformen sich vertraute Personen. Kein schöner Gedanke. Keine schöne Gegenwart.
Dagegen treten die sieben Titelhelden an: Der längst totgeglaubte Kriegsheld General Roark versammelt eine Truppe unterschiedlich begabter Kämpfer um sich. Namen und Eigenschaften mögen hier genügen. Urr, ein den Maschinen abtrünnig gewordener Roboter, Tantalus, der Insektenmensch, Mourna, eine Amazone mit Stahlklauen, Lady Ayleen, die buchstäblich leicht entflammbare Venusianerin, Hoorn, ein Meisterdieb, und der weise alte Kenrus, der zum Verrückten gestempelt wurde. Man sieht schon: Hier haben eher die „Sieben Samurai“ oder die „Glorreichen Sieben“ Pate gestanden als „Sieben gegen Theben“.
Die erste Hälfte des Comics geht für Roarks Suche nach den Mitstreitern und die unterschiedlich komplizierten Versuche, sie von der Sache zu überzeugen, drauf. Das ist die bessere Hälfte, denn die Bekämpfung des computergenerierten, aber leider höchst realen Chaos ist irgendwann nur noch Material- und Verformungsschlacht. Da hätte man sich eine sachlicheren Zeichner als Chadwick gewünscht, dessen klassischer Superheldenstil hier so sehr in den Grenzen des Genres bleibt, dass das Außergewöhnliche von Ellisons Szanario nicht auffällt.
Was ist das Außergewöhnliche? Sicher nicht die Grundkonstellation. Dafür aber die Geschicklichkeit, mit der der alte Herr sich der leider sehr jungen Probleme von automatisierter Überwachung, Krisen- und Sicherheitsdenken annimmt. „7 Against Chaos“ ist ein durch und durch politischer Comic, mit – durchaus positiv verstandener – inhaltlicher Schwarzweißmalerei, der etwas weniger bunte Graphik gut getan hätte. So wird das Spektakel potenziert, und man hat das unschöne Gefühl, einen Comic zu lesen, der graphisch auf Nummer Sicher geht, obwohl er besser auf allen Ebenen etwas wagte. Da findet sich das Thema der Geschichte in der Ausführung des Comics.
PS: Eine Leseprobe ist im Netz nicht aufzutreiben, aber einer der zornigsten Auftritte von Harlan Ellison findet sich unter https://www.youtube.com/watch?v=E3NeAZG_tgI. Da sieht man, was er von den gegenwärtigen Möglichkeiten seines Metiers hält. Und noch besser: https://www.youtube.com/watch?v=mj5IV23g-fE.