Comic

Comic

Diese Erzählform vereint das Beste beider Kunstwelten: Wort und Bild. Was man davon lesen und was man besser meiden soll, steht hier.

Lieben oder lebten Sie die siebziger Jahre?

Dann ist hier das richtige Magazin für Sie. Aus Frankreich kommt es, „Schnock“ heißt es, und natürlich spielen darin auch Comics eine wichtige Rolle. Diesmal „Tim und Struppi, die „Shadoks“ und „Le Chat“.

„Schnock“ meint im Französischen so viel wie „alter Knacker“. Wer seiner Zeitschrift so einen Titel gibt, muss recht selbstbewusst sein, aber da sich das Magazin  „Schnock“ an alle diejenigen wendet, die sich für die siebziger Jahre interessieren, hat man zumindest schon mal die geburtenstärksten Jahrgänge auf seiner Seite. Und mit dem Alter spielt das Heft ohnehin auf ironische Art und Weise: Sein Untertitel lautet „Revue de vieux“ (Revue für Alte) für Leser von 27 bis 87 – das ist schon eine nette Reminiszenz an die alten Comicmagazine wie „Tintin“ oder „Spirou“, die sich als revues des jeunes vermarkteten, und konkret (im Falle von „Tintin“) ein Publikum von 7 bis 77 anstrebten. Und „Schnock“ kommt natürlich im Retrolook daher (https://larevueschnock.com/), auch bei der jetzt erschienenen zehnten Ausgabe.

Erreichen will man mit der vierteljährlich erscheinenden Publikation also Nostalgiker, und dementsprechend spielen Kino und Fernsehen eine wichtige Rolle. Zum Jubiläum der zehnten Ausgabe widmet man dem Komiker Guy Bedos und dessen Riesenkinokassenerfolgen „Un éléphant ca trompe énormement“ (1976) und „Nous irons tous au paradis“ (1977) den Schwerpunkt des Hefts (und das Titelbild, für das wie immer der Hausgraphiker Ewann Terrier die niedrigsten ästhetischen Gelüste befriedigt). Aber auch zum Kult-Regisseur Jean-Pierre Melville, den ich für das Größte halte, was das französische Kino hervorgebracht hat, ist ein schöner Beitrag über dessen Spätphase zu finden. Und dann gibt es gleich drei comicrelevante Artikel.

Der erste ist ein leider spärlich bebilderter Beitrag über den kläglich gescheiterten Versuch, 1961 in Frankreich einen „Tim und Struppi“-Vergnügungspark zu etablieren. Das nach dem Vorbild von Disneyland gestaltete Projekt hielt trotz intensiver Unterstützung durch das „Tintin“-Magazin nur vier Jahre durch und schloss dann wieder. Immerhin aber war es ein Vorläufer all jener in den achtziger Jahren eröffneten französischen Vergnügungsparks, die als Antwort auf das neue Eurodisneyland bei Paris konzipiert waren. Bis auf den Parc Astérix waren allerdings alle genauso erfolglos wie „Tintinville“ in den frühen sechziger Jahren.

Weitaus interessanter und vor allem auch wirkliche Comiclektüre ist ein Beitrag über die Shadoks. Diese arbeitsamen außerirdischen Vögel waren die Helden einer von 1968 bis 1973 ausgestrahlten französischen Trickfilmfernsehserie, doch es gab dazu auch eine eigene Comicreihe, und noch 1998 machte sich deren Erfinder, der 2004 verstorbene Jacques Rouxel, an einen neuen Band, der „Pondez-nous quelque chose“ hätte heißen sollen. Im Nachlass von Rouxel sind jetzt drei gezeichnete Manuskriptseiten dazu entdeckt worden, und „Schnock“ veröffentlicht sie erstmals, wobei nur die dritte einigermaßen ausgefertigt ist.

Trotzdem ist die Lektüre des kleinen Konvoluts ein Vergnügen, wenn man die Shadoks schätzt (und das tue ich!).  Und es zeigt sich wieder einmal, was für Schätze die Archive noch bergen. Das „Schnock“ nun auch solche Entdeckungen und nicht mehr nur Rückblicke auf längst Bekanntes in sein publizistisches Programm aufnimmt, macht die Zeitschrift nur noch interessanter. Dass sie leider im A5-Format gedruckt wird, ist natürlich bei ganzen Comicseiten betrüblich.

In den früheren Ausgaben waren ebenfalls schon Comicthemen enthalten: etwa zu dem Zeichner Gotlib, dem Magazin „Pif Gadget“ oder der Karriere der Marvel-Superhelden in Frankreich. Und daneben fand man diverses anderes Schönes (weniger ästhetisch als intellektuell gemeint), das die Lektüre lohnte. Aber die Nummer 10 ist nun für Comicleser geradezu überreich bestückt, denn  zuguterletzt gibt es auch noch ein Interview mit Philippe Geluck, dem belgischen Schöpfer des überaus populären Comic-Strips „Le Chat“, der 2013 nach dreißig Jahren Laufzeit beendet wurde. Geluck erzählt wunderbar witzig von den Anfängen und dem wachsenden Erfolg seiner Serie. Das lohnt selbst dann, wenn man „Le Chat“ gar nicht kennt (und dann rasch dahin: https://www.geluck.com/dessin.html).