Comic

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Diese Erzählform vereint das Beste beider Kunstwelten: Wort und Bild. Was man davon lesen und was man besser meiden soll, steht hier.

Geht doch, aber geht’s nicht auch noch schneller?

Mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerks wird die Comicwelt alle zwei Jahre durch den neuen Band von Katz & Goldt bereichert. Und jedes Mal frage ich mich: Ist das noch Comic? Ist es nicht eher Cartoon? Sprachkritik? Satire? Oder irgendetwas anderes mit C oder S am Anfang? Eines aber weiß ich: Es sind jeweils sehr gute Was-auch-immers.

Der neue Band heißt „Lust auf etwas Perkussion, mein kleiner Wuschel?“, und schon die Schreibweise von „Perkussion“ mit K ist charakteristisch, denn hier wird deutsch gesprochen du geschrieben. Wobei die Figuren von Katz & Goldt gerne englische Floskeln und Modewörter in ihre Dialoge einfließen lassen, damit ihre Gegenüber sich in Gedanken oder bisweilen auch explizit über diese Anglizismen beklagen und Besserung verlangen können. Und dann wird aus dem Gift-Shop ein Geschenke-Shop („Geht doch!“).

Max Goldt ist bekannt für seine lakonischen Beobachtungen in höchst elaboriertem Sprachstil, auch wenn seine weiland monatlichen Kolumnen in der „Titanic“ längst das Zeitliche gesegnet haben. Dafür ist er monatlich in der „Titanic“ mit einem doppelseitigen Comic vertreten, der von Stephan Katz gezeichnet wird, und dabei scheint ihm die Lust nicht auszugehen. Es gibt jedenfalls kaum etwas Abstrus-Komischeres in der deutschen Comiclandschaft, wobei sich die kleinen Geschehnisse nicht auf eine Pointe zubewegen, sondern im Vorbeigehen Witz an Witz reihen. Der zu nicht unerheblichen Teilen dadurch entsteht, dass Katz seien Figuren mit der graphischen Einfachheit von Piktogrammen anlegt, die aber durch meisterhaft abstrahierte Attribute wie Frisuren oder Kleidung typisiert sind: Jeder Akteur in diesen Bildergeschichten steht für eine gesellschaftliche Gruppe, und aus den Klischees, die man über diesen Menschenschlag hat, generieren Katz & Goldt die Grundlagen ihrer Comics (Leseprobe unter https://www.editionmoderne.ch/de/80/leseprobe/302/lust-auf-etwas-perkussion-mein-kleiner-wuschel.html).

Besonders reizvoll wird das, wenn die beiden Autoren sich selbst auftreten lassen und dadurch eine Metaebene betreten, die ihre eigenen Beobachtungen oder Kommentare noch einmal ironisiert. Wobei es gar nicht weltbewegende Ereignisse sein müssen, die da dokumentiert werden; bisweilen reichen ein paar Bilder, um zum Beispiel vom Fest zum 25. Geburtstag des Verlags Rowohlt Berlin (bei dem die Bücher von Max Goldt erscheinen, während die Comics von Katz & Goldt im Programm der Edition Moderne ihren Platz gefunden haben) zu berichten, dass 2015 im Literarischen Colloquium Berlin stattfand. Das markante Gebäude am Wannsee wird von Katz mit wenigen Strichen als Hintergrund gezeichnet, doch der eigentliche Clou liegt im Porträt der beiden Empfangsdamen („blutjunge Rowohlt-Señoritas“) an einem jener improvisierten Tresen bei Kulturveranstaltungen in angemieteten Räumen, die außerhalb des Schaffens von Katz & Goldt noch nie Beachtung gefunden haben. Und solche alltäglichen Details machen die Geschichten zu etwas Besonderem.

Da in zwei Jahren Schaffenszeit für „Titanic“ nicht genug Seiten für ein Album zusammenkommen, das den Ansprüchen von Katz & Goldt an buchgestalterische Opulenz genügte (Leinenrücken ist selbstverständlich, und neunzig Seiten sollen es schon sein), sind zwischen die Comics Cartoons eingestreut, die immer wieder bedauern lassen, dass sich das Duo nicht konsequenter an das hält, was es selbst einmal als Eigenanspruch erhoben hat: „the duo who does what duos should do“. Was es tun soll? Mehr zeichnen, damit ich nicht wieder zwei Jahre warten muss. Das ist zwar ein erfreulich dichter Ausstoß, aber ein einjähriger Rhythmus würde meine Leseverhältnisse zum Tanzen bringen.