Die Zwistigkeiten nehmen zu, überall in der Gesellschaft, besonders in politischen Fragen. Diskussionen um Pegida, Zuwanderung, Flüchtlinge, Islam oder Terror können Freundschaften beenden, spalten Familien, bringen Nachbarn gegeneinander auf. Die Fähigkeit, sich aufeinander einzulassen, scheint nicht mehr weitverbreitet zu sein. Deshalb ist es gut, wenn ein Comic zu Pro und Contra bei heiklen Themen einlässt.
Die Idee dazu hat Moga Mobo entwickelt, jenes mittlerweile seit Jahrzehnten existierende kleine Kollektiv, das immer wieder (allerdings auch in immer größer werdenden Abständen) Gratiscomics herausgibt, die durch Anzeigen finanziert werden. Das jüngste Heft der Herren Thomas Gronle, Titus Ackermann und Jonas Greulich, zu denen für dieses Vorhaben noch Andreas Hartung gestoßen, der jahrelang das Berliner Comicmagazin „Epidermorphytie“ herausgebracht hat, heißt „Comic Culture Clash“, und das Quartett hat dazu zahlreiche Kollegen eingeladen, zu bestimmten Zeitfragen graphisch Position zu beziehen. „In 20 Konflikten um die Welt“ kautet der Untertitel, und so sind vierzig gezeichnete Stellungnahmen von jeweils sechs Seiten Umfang entstanden, die diese zwanzig Fragen ausfechten. Über die Entstehung kann man hier mehr erfahren: https://www.comic-culture-clash.de/.
Dabei sind nicht nur Themen, die in Deutschland umstritten sind, sondern auch für uns erst einmal exotische Entgegensetzungen wie „Südsudan vs. Nordsudan“, „Flüchtlingsstrom vs. Slowenien“, Mexikanisches Militär vs. Drogenmafia“. Über den Front National, Taiwan oder Schiiten und Sunniten kann man schon eher eine eigene Meinung haben, und bei den anfangs genannten Themen hat eh jeder eine. Also auch die Zeichner, über deren Motivation, sich für eine bestimmte Frage und dann die eine der beiden damit verbundenen Positionen zu entscheiden, man gerne noch mehr erfahren hätte, als das knappe Vorwort bietet. Denn das nennt zwar Identifikation, Distanz und Ironie als mögliche Haltungen, überlässt aber die Einschätzung, welche Stellungnahme welchem Feld zuzuordnen ist, dem Leser. Das soll ruhig so sein, aber ob alle Wahlen freiwillig erfolgten, oder manchmal auch Zwangszuordnungen getätigt werden mussten, um die Liste vollbesetzt zu bekommen, hätte mich interessiert. Man hätte ja nicht Ross und Reiter nennen müssen.
Vertreten sind übrigens nur fünf Frauen, allerdings ist mit Naomi Fearn eine sehr prominente dabei. Andere Berühmtheiten sind Mawil, Klaus Cornfeld, Schwarwel, Hamed Eshrat oder Stephan Packard – Letzterer allerdings als Comictheoretiker mit einem Nachwort zu Tradition und Zukunft politischer Comics. Naheliegende Kombinationen gibt es seltener als erwartet: So hat der in Dresden lebende Zeichner Mamei sich nicht fürs Pegida-Thema entscheiden, sondern für „Assad vs. Syrische Opposition“ und dabei für die Seite Assads. Hamed Eshrat interessiert sich nicht für muslimische Themen, sondern für die Lage auf dem Berliner Mietermarkt. Nur bei „bei „China vs. Taiwan“ tauchen mit Fun-gei Cheng und Che Chen zwei Namen von Zeichnern auf, die man hier vermutet hätte.
So gut die Idee ist, so schlicht ist meist die Ausführung. Klar, sechs Seiten für eine Stellungnahme sind wenig, und nicht jeder stopft seine Bilder so voll mit Text wie Fabian Stoltz bei seinem Plädoyer für die israelische Seite im Streit mit Palästina. Das ist übrigens einer der Comics, die vorsichtig ausfallen, sich durch humanistische Werte gegen falschen Beifall abzusichern versuchen und deshalb nicht eindeutig Position beziehen. Das gilt für etliche der Beiträge, und daran erkennt man die Grenzen des Konzepts.
Denn Überzeugungstäter gibt es zu wenige. Eshrat ist ein Vorbild bei seiner gezeichneten Vorstellung vom Tod eines Wohnungsmaklers (die jedoch auch rasch wieder relativiert wird), aber ansonsten ist das Bemühen um möglichst wenig Zorn den meisten Beiträgen anzumerken. Und enen „Cultre Clash“, wie ich der Titel verheißt, hat man auch nur wenig, denn die Streitfrage betreffen zwar unterschiedliche Kulturen (und seien es auch nur Streitkulturen), aber die Zeichner selbst sind selten wirklich verschieden, geschweige denn, dass man ihren Duellen einen Kulturkampf ablesen könnte. Aber der hätte geplant wohl auch nur schwer entstehen können, denn die Künstlerszene, die „Moga Mobo“ kennt und um Beiträge gebeten hat, dürfte bei den meisten Fragestellungen nicht für unangenehme Überraschungen gut sein. Ein „Culture Clash“ aber hätte solche unbequemen, den meisten Comiclesern unbegreifliche Positionen gebraucht.