Comic

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Diese Erzählform vereint das Beste beider Kunstwelten: Wort und Bild. Was man davon lesen und was man besser meiden soll, steht hier.

Die Arbeit, die uns freut, wird zum Ergötzen

Dieses Heft über Arbeit hat Arbeit gemacht, das sieht man ihm aufs Wunderschönste an, denn lange gab es keine beeindruckendere Ausgabe der einmal jährlich erschienenen Comicanthologie „Spring“. Das fängt mit der Umschlagzeichnung von Doris Freigofas an (hier zu sehen: https://www.springmagazin.de/), die aufs Allerangenehmste an Blexbolex erinnert du hört mit sehr witzig formulierten Biographien der insgesamt dreizehn vertreten Zeichnerinnen auf, denen man etwa im Falle von Freigofas entnehmen kann, dass sie „mit dem Zeichnen bunter Bilder seit einigen Jahren recht erfolgreich Geld verdienen“ kann. „Spring“ kann sie damit allerdings nicht gemeint haben, denn diese Publikation beruht traditionell auf Selbstausbeutung. Der wahre Lohn besteht darin, in diesem tollen Rahmen auftreten zu dürfen.

Immerhin 150 Euro beträgt aber der offenherzog mitgeteilte Honorarsatz für das knappe Vorwort, das Anne Vagt beigesteuert hat – vielleicht zahlt sich da aus, dass „Spring“ seit einigen Jahren im Program des Hamburger Verlags Mairisch erscheint. Vagt ist auch Illustratorin, und wenn sie auch nicht mit Bildern im Heft vertreten ist, pflegt sie doch denselben ironischen Tonfall, der die Autorinnenbiographien auszeichnet. Und wer noch nichts über „Spring“ weiß, sich aber über den konsequenten Gebrauch des generischen Femininums wundert, dem sei gesagt, dass dieses Magazin ausschließlich von Frauen bestritten wird. Einige davon, wie etwa Moki, Katrin Stangl, Birgit Weyhe oder Jul Gordon, sind schon seit vielen Jahren dabei.

Diese Namen deuten schon an, was für eine Qualität sich da versammelt. Und alle Mitwirkenden unterwerfen sich einem vorgegebenen Thema, diesmal ist es für die fünfzehnte Ausgabe eben „Arbeit“, eingedenk von Karl Marx zweihundertstem Geburtstag. Ihm wird als Anreger also die größte Rolle eingeräumt, die ein Mann bei der Produktion überhaupt gespielt hat. Und seine Skepsis gegenüber den Entfremdungstendenzen von Arbeitern im Kapitalismus finden hier einigen Widerhall. Wobei man keine ideologischen Geschichten erwarten darf, sondern graphisch sehr geistvolle Erläuterungen moderner Arbeitszusammenhänge wie bei Stephanie Wunderlich oder Larissa Bertonasco und bisweilen auch hochironische Betrachtungen wie bei Birgit Weyhe, die eine ganze Truppe ihrer eigenen Comicfiguren auftreten lässt, die sich bitter über das soziale Engagement der Zeichnerin beklagen – so mache Comic ja gar keinen Spaß.

Das Gegenteil ist natürlich der Fall, und auch Romy Blümel und Katharina Gschwendtner haben ebenso witzige wie arbeitsgesellschaftsskeptische Geschichten ersonnen. Leider nur gut gezeichnet – sogar sehr gut –, aber moralisch zu aufdringlich ist Carolin Löbberts Darstellung von Lohnungleichheit. Derartige Gegenüberstellungen hat man zu häufig gelesen, als dass sie noch überraschen könnten.

Jul Gordon, ohnehin eine der originellsten deutschen Comiczeichnerinnen, hat mit „Büro“ den ungewöhnlichsten Beitrag geschaffen. Sie kombiniert unterschiedliche graphische Techniken zu einer Szenenabfolge aus dem Büroleben, die nicht auf Pointe setzt, sondern auf Beobachtungsschärfe. Ein Jammer übriges, das Kathrin Klingner nicht zum „Spring“-Kollektiv zählt. Ihre noch im Entstehen befindliche, aber schon als Finalistin des Leibinger-Comicbuchpreises ausgezeichneter Band „Arbeit“ hätte etwas ins Konvolut hineingebracht, was fehlt: die Dokumentation konkreter Arbeit. In den „Spring“-Geschichten fehlt der Reportageaspekt, wen man von den zahlreichen Selbstporträts der Zeichnerinnen absieht, die der eigenen Arbeit durchaus sehr interessante Studien widmen.

Und bisweilen frustrierende wie Mokis ganz kurze (nur drei Seiten) Geschichte über eine Tellerwäscherin, die dann noch an Intensität gewinnt, wenn man in der Kurzbiographie liest, dass genau solch ein Broterwerb der „einzige richtige Job“ im Leben der Zeichnerin gewesen sei. Wobei es noch beunruhigender ist, das sie ihre eigentliche Tätigkeit offenbar nicht zu dieser Kategorie zählt, und weiß Gott: Comiczeichnen gehorcht Gesetzen, die in der Tat nicht eben „richtig“ wirken. Vor allem, was die Bezahlung angeht.

Ein reines Lustprojekt wie „Spring“ muss man sich da leisten können. Und so unterliegt die diesmalige Besetzung des Kollektivs auch wieder einem Wandel; gleich neun Zeichnerinnen der vierzehnten Ausgabe sind nicht mehr dabei. Aber das macht einen weiteren Reiz des Projekts aus: dass es so viele gute Zeichnerinnen gibt, dass die Lücken mühelos zu schließen sind. Und dankenswerteweise gibt es auch wieder einige Anzeigenkunden, die mit ihren Annoncen zur Finanzierung des aufwendig gestalteten Heftes beitragen. Und nach Vorbild des Schweizer Comicmagazins „Strapazin“ sind alle diese Anzeigen von den beteiligten Zeichnerinnen gestaltet worden. Daraus resultiert ein noch einmal besonders schönes Kapitel in „Spring“ – eine Leistungsschau der Illustratorinnen nach der Suite an Comics.