Lesezeit: circa drei Minuten. Zweiunddreißig Seiten, wenig Text, insgesamt nur vierundzwanzig Bilder, Kleinquadratformat, Klammerheftung, fahlblaue Zusatzfarbe, nur hundert Stück Auflage. Und den besten Titel für dieses Corona-Jahr: „Die Sommereise der Griesgrame“. Preis: leider keine Ahnung, aber teuer wird’s nicht sein, wenn denn noch Exemplare da sind. Und egal, wie wenig teuer auch, das Heft ist jeden Cent wert.
Was ist das überhaupt? Die Rückkehr eines Hamburger Traumpaars des deutschen Comics: Jan-Frederik Bandel und Sascha Hommer. Gemeinsam haben sie vor mittlerweile dreizehn Jahren in der „Frankfurter Rundschau“ einen surrealen Fortsetzungs-Strip namens „Im Museum“ gestartet, der immerhin zwei Jahre lang lief und in zwei wunderschönen Sammelbänden bei Reprodukt nachgedruckt wurde. Danach kümmerte sich Bandel um andere publizistische Projekte und zog irgendwann nach Leipzig, während Hommer an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften an der Seite von Anke Feuchtenberger lehrte, zum Zentrum der Hamburger Comiczeichnerszene avancierte und zahlreiche Bände herausbrachte, die in In- und Ausland Beachtung fanden. Dass sich die beiden für ein Winzprojekt wie „Die Sommerreise der Griesgrame“ wieder zusammenfinden würden, war kaum zu erwarten.
Herausgekommen ist das Heftchen im Selbstverlag vor ein paar Wochen zum Hamburger Comicfestival, einem weiteren jener Kulturereignisse, die nur virtuell stattfinden konnten. Wenn dann aber so eine Geschichte übrig bleibt, hat sich das Ganze noch gelohnt. Bandel kultiviert wieder den lapidaren Grundton von „Im Museum“ (der im Kontrast zu dem darin auftretenden geschwätzigen Kaninchen besonders komisch war), und Hommer zeichnet gewohnt schematisch, aber dabei höchst expressiv. Kein anderer deutscher Zeichner beherrscht mit derart wenig Mimik eine solche Tiefe der Figurencharakterisierung. Aussehen tut das so: https://saschahommer.com/portfolio/die-sommerreise-der-griesgrame/.
Die Geschichte ist so schnell erzählt, dass man sich Mühe geben muss, noch etwas für etwaige Leser übrigzulassen. Drei absolut identische dicknasige Knubbelwesen mit ausgesprochen missmutiger Miene verbringen den Sommer zusammen, verabscheuen aber jede Form von Vergnügen. Nur, wo etwas misslingt, fühlen sie sich wohl. Und das war’s. Aber natürlich passiert viel mehr, denn das Duo Bandel/Hommer steht für Kulturkritik und Kulturhommage gleichermaßen, und von beidem steckt ein gerüttelt Maß in diesem Pamphletchen, das der asiatischen Bildtradition übrigens ebenso viel verdankt wie der europäischen. Aber der stärkste Einfluss – ich sage es ungern, weil ich seine Comics nicht mag – dürfte der Amerikaner James Kochalka gewesen sein.
Genug geschrieben. In der Zeit hätte man das Heftchen schon zweimal durchgeblättert. Wer sich vorstellen kann, dass Misanthropie komisch und Büchereibesuche dann am angenehmsten sind, wenn man wegen Ruhestörung des Hauses verwiesen wird, ist hier richtig. Alle anderen aber auch, weil sie sich über die drei Griesgrame erhaben fühlen dürfen, die am Ende doch gar nicht so griesgrämig auf den Sommer zurückblicken. Aber damit deutet sich schon die nächste Jahreszeitenerzählung an. Wollen wir hoffen, dass Bandel den Jahreszeitenzyklus fortschreibt und Hommer ihn dann weiterzeichnet. Gerne auch wieder beim nächsten Hamburger Comicfestival dann auf einer Herbstreise zu erwerben.