Comic

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Diese Erzählform vereint das Beste beider Kunstwelten: Wort und Bild. Was man davon lesen und was man besser meiden soll, steht hier.

Kein Königreich für dieses Pferd

Wenig historische Prominenz darf wohl mehr Interesse für sich beanspruchen als der bayrische Monarch Ludwig II. – der sogenannte Märchenkönig. Da kann man dann ja auch ruhig Märchen erzählen, wie es Miguel Robitzkys in seiner Comicbiographie tut. Die gilt allerdings gar nicht dem „Kini“, sondern seinem Pferd. Na ja, eine Extravaganz rund um den drittletzten Wittelsbacher-Herrscher mehr.

Aber wer ist dieses „Leibreitpferd“, dessen Memoiren Robitzkys da für den comicaffinen Literaturverlag Rowohlt (Ralf Königs Hausverlag für alles weniger Drastische in seinem Werk und immerhin auch mal erste deutsche Heimat von Art Spiegelmans „Maus“) ins Bild gesetzt hat? Sein Name lautete Cosa Rara, also eine Stute, und im Gegensatz zu Ludwig ist von ihr noch ganz schön was physisch übrig, nämlich ihr ausgestopfter Körper in Schloss Nymphenburg. Das muss wohl wirklich Liebe gewesen sein. 1869 legte sie sich der damals noch einigermaßen zurechnungsfähige König zu, im selben Jahr ließ er sie auch schon in seinem Domizil Linderhof (das kurz vor dem Ausbau zum heutigen Architekturwahnsinnserbe stand) malen. Zehn Jahre später hatte Cosa Rara ihre Schuldigkeit getan und bekam ihr Gnadenbrot in einem Gestüt. Es ist also unwahrscheinlich, dass sie beim nassen Tod von Ludwig II. zugegen war.

Aber so erzählt es der Comic. Der allerdings von Beginn n keinen Zweifel an seinem Aberwitz lässt. Schon die Herausgeberfiktion, laut der ein Historiker namens Hubertus Fußnoté für die Publikation des Buches verantwortlich zeichnet, setzt den Ton fürs Folgende: Albernheit ist Trumpf. Und eher albern sieht das Ganze auch aus, nämlich so: https://www.book2look.com/book/9783499004902. Jolly Jumper lässt schön grüßen, aber was soll man bei einem Schimmel auch groß anders machen, wenn einem an Originalität nichts liegt?

Nun könnte man es dabei bewenden lassen, wäre dieses Veröffentlichung nicht so symptomatisch für die mittlerweile höchst unerfreuliche Konjunktur von  Comics im Programm von literarischen Verlagen. Denn mit steigender Zahl werden die immer wahlloser. Und so dürfen wir denn im Umfeld von erstklassiger Literatur (gut, manchmal auch zweitklassiger) drittklassige Comics lesen. Was über deren Erfolg natürlich gar nichts aussagt (wenig historische Prominenz darf wohl mit mehr Interesse …). Aber wenn man die Rowohlt-Tradition bedenkt – wie gesagt: Spiegelman! König! –, dann ist das jüngste Comickind des Verlags doch recht missraten. Und dessen kleine Geschicklichkeiten (Farbentwicklung im Geschichtenverlauf, Querschnitt durch Neuschwanstein) können leider nicht über die großen Nickligkeiten hinwegtrösten.

„Wenn Ihnen der Comic gefallen hat, können Sie ja gerne mal ein richtiges Buch lesen“, heißt es ganz zum Schluss. Ich mache das jetzt, weil er mir nicht gefallen hat. Dieses richtige Buch wird ein Historiencomic à la Jacques Tardi sein. Geht doch!