Comic

Comic

Diese Erzählform vereint das Beste beider Kunstwelten: Wort und Bild. Was man davon lesen und was man besser meiden soll, steht hier.

Mit Herz und Magen

Ich wusste nichts über Stéphanie Weppelmann, als ich im Leipziger Buchladen meines Vertrauens ihr Piccoloheft „Lovers!“ auf dem Comictisch liegen sah. „Piccolo“ – das muss man heute mutmaßlich erläutern – war ein in den fünfziger Jahren in Europa populäres Comicformat, das pro Seite den Abdruck einer Bildreihe erlaubte, also praktisch Comic-Strips in Heftgestalt: querformatig, meist nicht mehr als 24 Seiten, billiges Papier; für deutsche Nostalgiker lasse ich hier nur mal den Namen Hansrudi Waescher fallen – so konnte man preiswerten Lesestoff liefern. Als es den Menschen dann finanziell besser ging, starben die Piccolohefte aus. Heute ist alles kunterbunt und großformatig, wenn die Comiczeichner es denn so wollen.

Bunt ist auch „Lovers!“, aber eben auch im längst ungewöhnlichen Piccoloformat. 24 Seiten sind es, allerdings nicht eben billig für die etwa fünf Minuten Lektürezeit: fünf Euro. Aber die sind wohlangelegt, denn Stéphanie Weppelmann zeichnet im schönsten Bilderbuchstil und erzählt mit Lust am Nationalklischee über Liebespaare aus Frankreich (ihr Heimatland), Deutschland (ihr Gastland), Japan, Italien, Mexiko und den Hohen Norden (hier keine genaue Länderbestimmung, aber die Überschrift lautet „Inuit Lovers“). Immer geht es um Herz und Magen, und keine der einzelnen Episoden hat mehr als sechs Bilder (diesen Rekord hält das französische Liebespaar). Angesichts von rund zweihundert Nationen auf der Welt und noch viel mehr Volksgruppen samt entsprechenden Klischees könnte aus „Lovers!“ ein vielversprechender Comic-Strip werden. Und auf der Titelseite steht ja auch schon „Band 1“.

Bei Band 2 wäre ich wieder mit dabei, aber noch ist der erste ja erst ein paar Monate alt, und außerhalb Leipzigs habe ich ihn noch nicht gesehen. Dafür die Website von Stéphanie Weppelmann: https://www.graphiste.website/illustration. Auf der finden sich einige Zeichnungen aus ihrem Comic, man erkennt sie sofort an den animalischen Protagonisten: Schweine, Maulwürfe, Katze, Eisbären und so weiter. Und am quadratischen Format der Panels, denn „Lovers!“ setzt nicht auf abwechslungsreiche Seitenarchitektur (im Piccoloheft auch schlecht möglich), sondern auf das Grundprinzip des repetitiven Comic-Strips, der gerade nicht formal überraschen will. Comic-Strips setzen auf Überraschung durch Witz, und das wird hier eingelöst.

Die knappen Texte zu den Bildern (keine Sprechblasen!) sind auf Englisch, aber das tut dem trockenen Humor gut. Stéphanie Weppelmann ist laut Selbstauskunft im Netz studierte Kunsthistorikerin, Wahlleipzigerin und vielfach in der Vermittlung künstlerischer Fertigkeiten an Kinder engagiert. Ihre ironischen Kurzgeschichten zu internationalen Liebes- und Speiseschwierigkeiten bieten Bilder, die kindgerecht, und Texte, die erwachsenenfähig sind. Nicht durch Schlüpfrigkeiten, sondern eben durch das Spiel mit nationalen Stereotypen. Hoffentlich geht’s im neuen Jahr so liebevoll-köstlich weiter.