So, wie ich den Anspruch habe, von einigen Comicautoren alles im Regal zu haben, gibt es ähnliche Bestrebungen auch bei Filmen. Aber nur von einem meiner Lieblingsregisseure besitze ich tatsächlich das komplette Werk auf DVD: Akira Kurosawa. Und seine Autobiographie zählt zu den erhellendsten Büchern übers Kino. Wie mag es da erst bei einem Comic eines meiner Lieblingszeichner sein, wenn der den Titel „Akira Kurosawa und der meditierende Frosch“ trägt? Anders ist es, ganz anders, aber nicht etwa, weil es dem Band an Qualität mangelte.
Vorausgeschickt sei, dass ich von diesem Lieblingszeichner – es ist Nicolas Mahler – beileibe nicht alle Bücher im Regal habe. „Akira Kurosawa und der meditierende Frosch“ ist sein 58. Buch, und eine rasche Durchsicht fördert bei mir gerade mal knapp über dreißig Mahler-Comics zutage. Nun hat der 1969 geborene Wiener Zeichner lange gebraucht, um den verdienten großen Erfolg einzuheimsen: bis 2011, als seine Comicadaption von Thomas Bernhards Roman „Alter Meister“ erschien – das war Comic Nummer 38 in seiner Publikationsliste, und zahlreiche Titel darauf entfielen auf kleine Heftproduktionen in Winzverlagen, die heute kaum mehr aufzutreiben sind. „Alte Meister“ dagegen erschien bei Suhrkamp, wie seitdem der größte Teil des Mahlerschen Werks, wobei er auch noch jenen Verlagen die Treue hält, die ihn schon vor dem großen Erfolg publizierten: Reprodukt, Edition Moderne, Luftschacht.
„Akira Kurosawa und der meditierende Frosch“ ist wieder mal eine Reprodukt-Veröffentlichung. Und ein Etikettenschwindel. Das räumt Mahler in einem zwölfseitigen „Materialien“-Anhang auch selbst ein. „Falls Sie dieses Buch nur gekauft haben, um Ihre Akira-Kurosawa-Sammlung zu komplettieren: Entschuldigung!“ Denn Kurosawa ist auf den 110 Seiten zuvor gar nicht vorgekommen – im Gegensatz zu seinem Titelkollegen, dem meditierenden Frosch. Der hat einen Auftritt in „Kyoto Manga“, dem mit mehr als zwanzig Seiten längsten der insgesamt vierzehn Kapitel des Comics. Darin erzählt Mahler von seinem Besuch im Mangamuseum der alten japanischen Kaiserstadt Kyoto, und da ich da auch einmal gewesen bin, kann ich bestätigen, dass Mahle mit der für ihn typischen spartanischen Linienführung ein ebenso detailreiches wie akribisch genaue Porträt des Museums und dessen Eigentümlichkeiten zeichnen. Sehr unterhaltsam, sehr abgedreht. Auf demselben Niveau also wie Mahlers Meisterstück (in meinen Augen): der ebenfalls in Japan angesiedelte Band „Das Ritual“, hochgelobt vor fünf Jahren hier in diesem Blog (Männer, die in Gummi randalieren – Comic (faz.net)).
Der Rest des neuen Comics hat indes mit Japan nichts zu tun. Es ist eine Folge kurzer autobiographisch und/oder poetologisch motivierter Betrachtungen von der unverwechselbaren Mahlerschen Lakonie und Komik. Da wird die bisweilen unverständige Rezeption seiner Comics ebenso zum Thema wie deren Erfolg. Und manche austriakische Skurrilität, wie man etwa den zwei in der Leseprobe des Verlags eingestellten Kapiteln entnehmen kann: Akira Kurosawa und der meditierende Frosch – Reprodukt. Wer an Wienschmerz statt Weltschmerz leidet, ist hier genau richtig.
Übrigens zeigt das Literaturhaus Leipzig gerade eine Mahler-Ausstellung mit dem Titel „Schreibt der jetzt für Sie?“, die sich den Literaturadaptionen des Zeichners widmet: Bernhard, Artmann, Musil Jelinek, ein österreichisches Quartett also, passend zum Ehrengastland der diesjährigen Leipziger Buchmesse, deren Termin Ende April denn auch den Schlusspunkt der Schau darstellt. Zuvor macht Nicolas Mahler aber noch eine Pre-Finissage am 26. April. Man muss ihn mal persönlich erlebt haben, um zur Gänze zu begreifen, was für ein Genie da am Werk ist. Ich werde mich jedenfalls doch noch auf die Suche nach den mehr als zwanzig Publikationen machen, die in meinem Bestand fehlen. Nicht dazu zählt übrigens das Faltblatt zur Leipziger Ausstellung, in dem Mahler eine Erinnerung von Thomas Bernhards Schwester ins Bild setzt: an das Verhalten des Schriftstellers beim Schuhkauf. Diese achtseitige Erzählung erschien schon früher anlässlich einer Wiener Ausstellung, doch nun kann man sie endlich auch in Deutschland lesen. Egal, ob mit Oeuvrezahl oder ohne: Mahler kann man nie genug haben, weil man von ihm nicht genug bekommt. Heute Abend (Freitag, 10. März) ist Buchpremiere von “Akira Kurosawa und der meditierende Frosch” in Berlin: in der Bezirkszentralbibliothek (schönes Oxymoron) Pablo Neruda. Leider ist sie schon ausgebucht, aber am 29. März kommt Mahler mit seinem Comic auch noch ins Münchner Literaturhaus.
Was ist jetzt so toll daran?
Weder der Blogeintrag noch der Blick in die wenigen Auszüge des Comics können überzeugen.
Zeichnerisch ist das belanglos, inhaltlich weder witzig noch originell.
Man gewinnt den Eindruck, Mahler ist halt gut vernetzt im Kulturbetrieb.
Was Herr Platthaus daran so toll findet, kann er nicht erklären, er findet nur die Worte, das sei sehr abgedreht. Naja.