Aus gegebenem traurigen Anlass hier etwas, was ich vor vier Jahren anderswo geschrieben habe: „Al Jaffee ist achtundneunzig Jahre alt, Sergio Aragonés einundachtzig. Beide sind noch beruflich aktiv, und ihr Arbeitsplatz trägt den Namen ‚Mad‘. Der wird jetzt jedoch geschlossen: Das Magazin stellt zwar nicht sein Erscheinen ein, wird aber nach der kommenden August-Ausgabe keine neuen Inhalte mehr in Auftrag geben, sondern in Zukunft seine zweimonatlich erscheinenden Hefte mit dem reichen Material aus siebenundsechzig Jahren Satireproduktion bestreiten. Jaffee und Aragonés, die letzten überlebenden Zeichner aus der Blütezeit von ‚Mad‘, werden also zwangspensioniert, ihre früheren Arbeiten aber weiter gedruckt. Man wünschte sich, ‚Mad‘ hätte den Anstand gehabt, zumindest den hundertsten Geburtstag von Jaffee abzuwarten, ehe man ihn und seinen Kollegen lebendig begräbt. Aber ein Blatt, das seine Mitarbeiter traditionell nur als ‚die übliche Bande von Idioten‘ ausweist, muss wohl selbst auch nicht klüger agieren.“
Sie hätten besser noch bis jetzt warten müssen, denn dass Al Jaffee noch lange über seinen hundertsten Geburtstag hinaus leben würde, war statistisch unwahrscheinlich. Immerhin ist er hundertzwei gewesen, als er am vergangenen Montag gestorben ist, dem 10. April. Carl Barks, mein großes Comic-Idol, war 2000 knapp am hundertsten Geburtstag gescheitert und starb mit neunundneunzig. Jaffee war keines meiner Idole, aber ein ständiger Wegbegleiter in „Mad“, das man in meiner Jugendzeit, den achtziger Jahren, las, wenn man cool sein wollte. War ich nicht, aber man wollte es eben sein.
Al Jaffee war der Mann, der über Jahrzehnte hinweg ein in allen internationalen Ausgaben des Satirecomicmagazins vertretenes festes Element von „Mad“ gezeichnet hat: das Faltblatt, eine Parodie auf das Centerfold des „Playboy“. Das musste man ausfalten, um in den Genuss der jeweils abgebildeten nackten Frau zu kommen, Jaffees Centerfolds, die „Fold-ins“, mussten zusammengefaltet werden, um ihren Witz zu enthüllen, denn erst wenn man jeweils die Seiten zweifach knickte, so dass die äußeren vertikalen Segmente einen Teil des Mittelbildes überdeckten, ergab sich ein neues, überraschendes Bild. Hier das Prinzip, wie es ein Bewunderer nach Jaffees Tod als Würdigung ins Netz stellte: 13 MAD FOLD-INS: An AL JAFFEE Tribute | 13th Dimension, Comics, Creators, Culture.
Er hieß eigentlich Abraham Jaffee, ein weiterer der zahllosen brillanten Juden, die aus dem Comic erst das gemacht haben, was er heute ist. Seine Eltern waren aus Litauen gekommen, und Jaffee hatte Glück, dass die Pläne seiner Mutter, mit ihren Kindern in die Heimat zurückzukehren, gleich zweimal vom Vater durchkreuzt wurden. Vielleicht resultierte daraus seine Vorliebe zur Korrektur durch Umbiegen. Ganz sicher war dabei aber die Beschäftigung hilfreich, die er als amerikanischer Soldat im Zweiten Weltkrieg ausübte: nicht kämpfen, sondern in einem Planungsstab Grundrisse von Gebäuden zeichnen. Da eignete sich Jaffee den souveränen Umgang mit geometrischen Formen an.
Ich werde ihn vermissen, denn er zeigte uns, dass die Welt Überraschungen bereithält, die nur der Comic bieten kann. Was kann man Besseres sagen? So long, great guy, we’ll keep on folding.