Andreas Eikenroth hat eine Leidenschaft entwickelt. Für Georg Büchner, wie Leser dieses Blogs wissen dürften (Hobelspanerschütternd – Comic (faz.net)). 2019 kam eine Comicadaption vom „Woyzeck“ heraus, dann zwei Jahre später die des „Lenz“, jetzt ist „Dantons Tod“ erschienen. Viel mehr hat Büchner nicht zu bieten. „Leonce und Lena“ böte sich noch an, aber da habe ich kürzlich eine Einsendung beim Leibinger-Comicbuchpreis gesehen, die auch sehr gut war – und nicht von Eikenroth. Mit etwas Glück kommt sie als Buch (was dann wohl etwas Pech für Eikenroth wäre, aber die Kampfschriften aus dem „Hessischen Landboten“ könnten ja auch eine interessante Vorlage abgeben).
Doch warum in die Ferne schweifen? Jetzt ist Zeit für „Dantons Tod“, Büchners Revolutionsdrama, das einige burleske Züge bietet, denn die Hauptperson ist ein Lebemann, der sein umstürzlerisches Leben mit so mancher Sottise selbst zu bespötteln weiß, denn Wein, Weib und Gesang sind ihm durchaus eine Unterlassungssünde wert. Die Dialoge dieses – wie alles von Büchner – zu Lebzeiten des Autors nie aufgeführten Stücks sind dementsprechend deftig, und mehr als bei den anderen Fragmenten ist hier ein Bruch mit der deutschen Bühnentradition zu spüren, indem Büchner die Formen mischt und die Moral hintanstellt. Kleist war Inspiration, aber Büchner geht weit über ihn hinaus.
Elias Canetti war, wie man in seiner Autobiographie lesen kann, so erschüttert von Büchner wie von keinem anderen Schriftsteller. „Dantons Tod“ aber kommt bei Canetti nicht vor, während Eikenroths Vorgänger-Vorbilder, „Woyzeck“ und „Lenz“ für den späteren Literaturnobelpreisträger die wichtigsten Einflüsse waren. Wie ist nun zu beurteilen, dass Eikenrotdterst die beiden allgemein als Büchners zentrale Texte angesehenen Werke adaptierte und dann erst „Dantons Tod“? Teilt er Canettis Vorlieben und rundet nun sein Portfolio nur noch ab? Oder brauchte er die beiden anderen Comics als Anlauf zu diesem? Ich neige zur letzteren These.
Nicht der Graphik wegen. Eikenroth hatte seinen Stil schon vor der Büchner-Trias gefunden, und „Dantons Tod“ fügt seinem Markenzeichen der offengestalteten Comicseiten ohne Panel-Umrahmungen nichts hinzu. Diese Form ist allerdings von Reiz im Kontext einer Dramen-Adaption, weil sie eine Gleichzeitigkeit suggeriert, die ja auf der Bühne gerade nicht existiert – der Comic geht also in seinen Darstellungsmitteln über das Theater hinaus, schafft Nachbarschaften (zeitlicher, räumlicher und personeller Art), von denen Büchner sich nichts hätte träumen lassen (aber es sicher gern getan hätte). Die Leseprobe des Verlags, DANTONS-TO-_-Leseprobe-_0.pdf (edition52.de), führt es anhand einer Sitzung des Jakobinerclubs vorbildlich – no pun intended – vor.
Diesmal ist Eikenroth etwas weniger karikaturesk, aber auch das überrascht nicht, denn zu allen beteiligten gibt es ja eine Vielzahl von Bildquellen. In einem schmalen Anhang bietet der Band aus der Edition 52 Einblick auch in die Skizzen zur Figurenentwicklung, und da kann man sehen, dass Eikenroth durchaus das historische Bildquellematerial heranzog. Sympathisch wird einem ganz wie in Büchners Original eigentlich keiner der Akteure, am ehesten noch Desmoulins‘ treue Camille, aber eine vergleichbar unheimlich-unbegreifliche und dabei doch vertraute Figur wie etwa die Marie aus dem „Woyzeck“ ist Büchner hier nicht geglückt. „Dantons Tod“ ist ein historisches Lehrstück, kein Psychodrama. Und genau deshalb erfordert es mehr Geschick als bei „Woyzeck“, wenn es heute noch jemand interessant machen will.
Das weiß Eikenroth, und er nimmt das Drama für bare Münze, wählt meist klar definierte Bühnenräume, bringt auch die kleinen Nebenrollen mit ein (die Pariser Straßenstimmen) und hat eine Farbdramaturgie entwickelt, die konsequenter ist als bei seinem „Lenz“ (der bunter war) und dem „Woyzeck“ (der intensiver war). In „Dantons Tod“ ist das Scheitern der Revolution schon mitgedacht. Und die anzüglichen Stellen des Textes bringen eine private Komponente ins öffentliche böse Spiel, die hier in einer Aggre3ssivität bebildert wird, die bislang auch in Eikenroths Schaffen noch keinen Platz hatte.
Vom Text ist sehr viel übernommen, aber dafür eignen sich Bühnenvorlagen bei Comic-Umsetzungen ja auch besonders. Nicolas Mahler hat einmal gesagt, dass er Theaterstücke viel schwieriger zu adaptieren fände als Romane, weil sie ihm keine Freiheit der Auswahl gewährten – Eikenroth macht daraus eine Tugend. Man wird tatsächlich mit Büchners Vorlage leichter umzugehen verstehen, wenn man diese Version gelesen hat. Ich fürchte dennoch, dass sie nicht Schullektüre werden wird, aber das ist der originale „Dantons Tod“ ja auch nicht. Dass Eikenroth beim lesen Lust macht, dieses Stück mal wieder auf der Bühne zu sehen und zwar gerne so klassisch inszeniert wie hier im Comic, weil dann die Texte besser zur Geltung kommen als beim üblichen Regietheater-Gebrüll und -Gemenge, das ist doch schon eine Leistung. Vielleicht doch noch „Leonce und Lena“ und damit also mal etwas richtig Komisches?
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Moin,
ich glaube, ich habe hier noch keinen einzigen fehlerfreien Blog-Eintrag gelesen, was auf Dauer für einen Literatur-Blog schon schwach ist.
Aber den Namen des Autors, der rezensiert wird, falsch zu schreiben, ist echt peinlich:
Heisst der Mann nun Eikenroth, wie in den ersten drei Absätzen zu lesen ist, oder Eikenrodt, wie in den folgenden?
Ansonsten: Danke für den Tipp, der Autor sagte mir bisher noch nichts.