Kein Blog-Bild

Unterwegs in Davos

Der Tummelplatz der Weltprominenz zieht immer mehr Besucher an: Das Weltwirtschaftsforum in Davos scheint um so attraktiver zu sein, je größer die

Konjunktur für Untergangspropheten

Die 2500 Teilnehmer in Davos setzen sich wortreich mit der Finanz- und Wirtschaftskrise auseinander. Wer eine neue Bescheidenheit erwartet hatte, sieht sich allerdings getäuscht. Die schlimmsten Sünder in der Krise sind nicht mehr dabei. Andererseits erleben die Untergangspropheten eine Hochkonjunktur. Sie fühlen sich endlich in ihren Crash-Szenarien bestätigt.

In der Schlange sind alle gleich. Wer in das Kongresszentrum von Davos will, muss sich erst einmal in der Kälte anstellen. Ob Konzernlenker, EU-Kommissar oder Dichterfürst, alle müssen zuerst einmal den Sicherheitscheck absolvieren. Dann geht es noch einmal zwanzig Meter im Freien bis zum Eingang, zur Garderobe und dann zur persönlichen Identifikation mit Hilfe des WEF-Badge. Wer diesen nicht hat, kann sich nur auf den privaten Veranstaltungen außerhalb des offiziellen Programms bewegen.

Ist diese Zweiklassengesellschaft sozusagen systembedingt, so bilden die Autoschlangen quer durch Davos einen Teil des Jahrmarkts der Eitelkeiten, den das WEF ebenfalls darstellt. Zwar strebt man am besten zu Fuß oder mit einem der zahlreichen Shuttlebusse zu seinem Ziel. Aber viele Teilnehmer scheinen sich nur dann wirklich wohl zu fühlen, wenn sie mit dem Stern aus Stuttgart oder den Ringen aus Ingolstadt unterwegs sind. Die neue Bescheidenheit, die WEF-Gründer Klaus Schwab dieses Mal wirken sah, ist wahrscheinlich nur sein Traum. Ebenso die Behauptung des Direktors des Steigenberger Belvedere, die Empfänge und Essen würden kleiner ausfallen und statt Champagner würde eher Weißwein serviert. Die Teilnehmer des WEF gehören zu den Mächtigen dieser Welt. Aber das Büßerhemd in Sachen Wirtschaftskrise ziehen nur die wenigsten an. Zugegeben, die schlimmsten Sünder sind erst gar nicht gekommen wie der frühere Chef der New Yorker Börse und später von Merrill Lynch, John Thain. Auch anderen ist der Zutritt in den Kreis der Erlauchten verwehrt, an vorderster Stelle den Managern des ehemaligen „strategischen WEF-Partners“ Lehman Brothers, die Mitte September 2008 Konkurs anmelden musste.

Im Hoch fühlen sich dagegen die Untergangspropheten, welche die Krise nach eigenen Worten schon immer vorhergesehen haben. Am Mittwoch abend waren mit dem Konjunkturforscher Nouriel Roubini und dem Modeautor Nassim Nicholas Taleb gleich deren zwei auf einem Podium versammelt. Zuvor hatte andernorts der Banker Stephen Roach mit der Behauptung kokettiert, vor zwei Jahren sei er wegen seiner Crash-Szenarien gar nicht als Redner in Davos zugelassen worden. Jetzt überraschte er seine Jünger mit der zuversichtlichen Vorhersage, in den drei Jahren bis Ende 2011 könne die Weltwirtschaft um 2,5 Prozent wachsen. Damit hat sich Roach weit nach vorn gewagt. In Davos ist das gefahrlos. Dort droht die größte Gefahr aus einer anderen Ecke. Es ist der Grippevirus H3N2/A/Brisbane/10/07 aus Australien, der schon zahlreiche Teilnehmer niedergestreckt hat.