Deus ex Machina

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Smells like internet bubble

Internet-Firmen wie Facebook oder Linkedin erzielen exorbitante Bewertungen bei bescheidenen Umsätzen und Gewinnen. Steuern wir auf die nächste Dotcom-Blase zu oder sind wir schon mittendrin?

Auf die Gefahr hin, als Nicht-Netzökonom im thematischen Teich des geschätzten Blognachbarn Holger Schmidt zu fischen: Der anschwellende Blogsgesang über eine neue Dotcom-Blase ist beim besten Willen nicht mehr zu überhören. Nicht erst seit das Online-Netzwerk Linkedin am vorigen Donnerstag einen fulminanten Börsenstart hingelegt hat, fragt sich mancher Beobachter, ob die Internet-Wirtschaft auf einen neuen Internet-Hype wie in den späten Neunzigern zusteuert. Die Älteren werden sich erinnern: Damals wurde so ziemlich jede neugegründete Firma, die irgendwas mit Internet im Sinn hatte, mit viel Venture Capital börsenreif gepäppelt, klassische Kennzahlen wie Umsatz und Gewinn interessierten dabei weniger als vielmehr die Kursphantasie. Die phänomenalen Kurssteigerungen der großen Fische Yahoo, Amazon oder eBay hatten Anleger gierig gemacht, schreibt Nils Jacobsen in seinem Meedia-Blog: „So reichte buchstäblich für einige Monate das Dot im .com aus, um schnelle Zeichnungsgewinne in manchmal erstaunlicher Höhe zu garantieren: Wer die Zuteilung erhielt, konnte sich glücklich schätzen – und schnell verkaufen.” Im Frühjahr 2000 machte es dann plötzlich pfffffffffffffffft, und die Blase war geplatzt.

Bild zu: Smells like internet bubble

Die Erinnerung an diesen beispiellosen Absturz ist bei vielen Beobachtern noch präsent. Und so verwundert es nicht, dass angesichts ziemlich hoher Bewertungen von Internet-Firmen wie Facebook, Twitter, Groupon, Linkedin & Co. Befürchtungen laut werden, die Geschichte der sogenannten New Economy könnte sich im Web 2.0 wiederholen. Im Februar versetzte eine außerbörsliche Platzierung von Facebook-Anteilen Anleger in einen Kaufrausch. Der Wert des Social Networks wurde bei dem Deal auf 50 Milliarden Dollar beziffert. Inoffiziellen Schätzungen zufolge hat Facebook im Vorjahr jedoch nur 400 Mio. Euro verdient. Daraus errechnet die Wiener Tageszeitung “Die Presse” ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 125 – so viele Jahre würde es dauern, bis der kumulierte Gewinn den Börsenwert ergibt. Auf 10 Mrd. Dollar wurde kürzlich der Kurznachrichtendienst Twitter von Kaufinteressenten taxiert. Eine durchaus sportliche Größenordnung, wenn man sich vor Augen hält, dass der Dienst im Jahr geschätzte Umsätze von knapp 50 Millionen Dollar erzielt. Für Google-Chef Eric Schmidt sind diese Bewertungen „klare Anzeichen einer Blase.” Aber die Anleger seien nun mal zuversichtlich, dass diese Firmen in Zukunft riesige Umsätze erreichen werden, so Schmidt.

Leben wir also schon in der Dotcom-Blase 2.0? Gottlob gibt es ja in der Person von Thomas Knüwer einen Internet-Experten in Deutschland, der nicht nur alles, sondern auch alles besser weiß – und der findet den Vergleich des Linkedin-IPOs mit der Dotcom-Blase der späten 90er „ahnungslos, platt vergleichend, nicht hinter die Kulissen schauend, deutsch.” Wobei man ehrlicherweise nicht verschweigen sollte, dass sich österreichische Zeitungen vom „Standard” über „Die Presse” bis hin zum „Kurier” oder der “Tagesanzeiger” in Zürich durchaus auch an die unseligen Zeiten der New Economy erinnert fühlen, als jede frisch gegründete Internet-Klitsche mit absurd hohen Bewertungen bedacht wurde. Das ist also keine spezifisch deutsche Diskussion, und um das klar zu sehen müsste man nur mal das Stichwort „dotcom bubble” in die Google-Suchmaske eingeben und sich aktuelle englischsprachige Treffer anzeigen lassen. Die reichen von Reuters über Newsweek und Guardian bis hin zu diversen A-List-Blogs, da könnte ein Blick über den nationalen Tellerrand hinaus den Horizont durchaus erweitern.

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Aber ansonsten hat Thomas Knüwer natürlich völlig recht, wenn er die Unterschiede zwischen damals und heute klarer herausarbeitet: Anstatt mit allgemein grassierendem Börsenfieber hat man es heute überwiegend mit Bewertungen auf Zweithandelsmärkten (wie im Fall von Facebook) und von Wagniskapital-Investments zu tun. Wegen dieses einen Börsengangs von Linkedin eine real existierende Blase zu fabulieren, die ernsthaft mit der Zeit 98 – 01 verglichen wird, findet Knüwer unseriös – „allein schon, weil es sich um eine Aktie handelt. In Zahlen: 1. Eine lästige Mücke ist schließlich auch keine Insektenplage.”

Nein, sicher nicht. Aber wer die exorbitanten Fortpflanzungsraten dieser Viecher kennt, macht sich halt so seine Gedanken, wenn er das typische Sirren in der Luft hört. Der Wahnsinn der New Economy galoppierte ja auch nicht sofort los, als Netscape 1995 an die Börse ging. Solange aber die womöglich überzogenen Firmenbewertungen nur auf Sekundärmärkten preisbildend sind und nicht kursrelevant an der Börse, könne man die Situation mit 1999/2000 nicht vergleichen, sagen Analysten und Banker übereinstimmend. Würden die interessanten Internetfirmen von heute an der Börse gehandelt, könnten ihre Kurse bei Problemen mit dem Geschäftsmodell in den Abgrund rauschen und andere mitreißen – so wie damals, als die erste Blase platzte: Da waren schon viele Firmen auf dem Parkett unterwegs und damit anfällig für eine Ansteckung. Eine Kurskorrektur auf den Sekundärmärkten hingegen würde nicht den gesamten Kapitalmarkt auf Talfahrt schicken.

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Und noch eins ist angeblich anders: „Im Moment richtet sich das Anleger-Interesse vor allem auf große, bekannte und stark wachsende Unternehmen mit funktionierenden Geschäftsmodellen”, schreibt der Internet-Unternehmer Sarik Weber in einem Gastkommentar auf internetworld.de. Das hieße nicht, dass diese Bewertungen realistisch sein müssten – „jedoch wird im Gegensatz zu 2000 nicht alles, was irgendwie mit dem Netz zu tun hat, schnell gekauft, ohne dass man sich vorher über das Geschäftsmodell informiert.”

Von einem rein ökonomischen Blickwinkel aus betrachtet mag die nächste Dotcom-Blase also noch weit entfernt erscheinen. Überdies spräche es gegen alle Wahrscheinlichkeiten, dass sich das Szenario von damals 1:1 wiederholt. Aber einige der Ingredienzen künftiger Blasen sind schon angerührt, warnt die Anthropologin Sekai Farai, die in den letzten zwei Jahren in der Start-Up-Szene forschte, in der englischen Zeitung „The Guardian”: “Es ist eine Unmenge Geld unterwegs. Und die Vorstellung, dass Deine Idee das nächste große Ding werden könnte, ist sehr real. Alle in dieser Startup-Szene sind ziemlich aufgekratzt.” Könnte es in Tränen enden – fragt der „Guardian”. Darauf die Anthropologin: „Das tut es immer.”

Tja. Soviel zum Vorurteil, diese Diskussion wäre typisch deutsch oder getrieben von technikfeindlicher „german angst”…