Das Zeitschriftenangebot für Frauen erweckt den Eindruck, der weibliche Alltag bestünde aus Mode, Make-up und Sex. Bestimmt die Nachfrage das Angebot? Die Journalistin Lisa Bloom diskutiert in ihrem neuen Buch “Think!” Wege, in einer verdummten Medienwelt klug zu bleiben.
Ich bin auf der Durchreise, in Eile, nur eine Zeitschrift. Doch im Frankfurter Hauptbahnhof erschüttert einmal wieder eine Erkenntnis mein Selbstbild, die mich stocken lässt. Vor jeder längeren Zugfahrt, beschleicht sie mich sanft oder erschreckt mich hinterrücks: ich bin keine Frau. Ich war nie ein Mädchen. Ich werde niemals ein Supergirl, eine Powerfrau, eine Sexgöttin oder eine Yummy Mummy sein. Immerhin: das gedruckte Angebot am Bahnhofskiosk kennt mehr als einen Begriff für das weibliche Wesen; doch all seine Schattierungen schwelgen in klebrigen Zuckertönen. Schließlich kaufe ich “Chronic City“.
Frauenmagazine, Frauenliteratur, Frauenportale im Netz, Frauenkino – all diese Medienangebote werfen täglich Wortmengen in der Üppigkeit einer Wikipedia in die Welt. Doch das mediale Fressen für Frauen ist ein Kulturerbe der anderen Art. Anders als die Denkmäler und das Wissen, die als Weltkulturerbe bewahrenswert sind, steht das pink triefende Gräuel der Magazinstände für eine Recyclingkultur der Normierung und Nichtigkeiten, die kein Vermächtnis hinterlässt. Um Zeit bezeugende Daten bereinigt, sei es eine modische Markierung des Jahrzehnts oder die Hochzeit eines für prominent befundenen Paares, sind Frauenmagazine stets zeitlos, somit seelenlos.
Diese Art des Journalismus begeht einen grundlegenden Fehler: die bilderreiche Zusammenstellung von Inhalten rund um die Themenbereiche Mode, Diät, Astrologie, Liebe und Sex, Hollywood und rote Lippen ist kein Journalismus mehr. Vor allem aber verdient diese publizistische Gattung den Titel “Frauenmedien” nicht, denn das Wesen der Frau wird von ihnen nur flüchtig gestreift. Das bunt bedruckte Papier am Kiosk zeichnet die Fiktion einer Frauenwelt, die wohl als die unendliche Geschichte der prosaischen Überlieferung eines Phänomens bezichtigt werden kann, dass sich “Die Verachtung der Frau” nennt. Dieser massenmediale Umgang mit dem weiblichen Geschlecht erklärt vielleicht auch den Ausspruch “die Frau, das rästelhafte Wesen”, stützen wir unser Wissen doch auf Dokumentation und Überlieferung. Analysierte man tausende Einzelhefte, die sich als Journalismus für und über Frauen verkaufen, bliebe nur die Erkenntnis: über Frauen wissen wir so gut wie nichts. Wohl aber über Lippenstiftfarben, Hosenschnitte und Faltencremes.
Die Bilder, die Journalismus heute von Frauen produziert, beschreiben noch nicht einmal einen geringen Prozentsatz der weiblichen Bevölkerung. Die Stereotype, die sich in engen Altersgrenzen und Gewichtsvorgaben bewegen, in einer kleinen Palette von beruflichen Tätigkeiten, Lebensentwürfen, Interessen, die nur eine winzige Bandbreite ethnischer und sozialer Herkunft kennen, gestehen selbst den klassischen Leserinnen von Lifestyle-Magazinen nicht mehr Persönlichkeit zu, als das seichte Kratzen an Äußerlichkeiten und Freizeitvertreib zulässt. “Wundern die Leserinnen sich nicht über die Merkwürdigkeit, dass sie auf 200 glänzenden Seiten vor allem als Konsumentin angesprochen werden, dass aber der ganze Lebensbereich, in dem sie das Geld für diesen Konsum verdienen, ausgeklammert wird? Und ist dieser Lebensbereich und überhaupt der Alltag normaler Frauen so langweilig und schrecklich, dass er in Frauenzeitschriften keinesfalls oder nur in Ausnahmefällen – dann meist als Schicksalsgeschichte – thematisiert werden darf?”, fragte die Autorin Susanne Klingner in einem Beitrag für den “vorwärts”. Wundern sich Frauen nicht, dass auf einer roséfarbenen Website, die laut Selbsttext all das verspricht, was Frauen wissen wollen, als meist gelesener Artikel “Der perfekte Blowjob” präsentiert wird? Wundern sich Journalistinnen und Journalisten, die diese Illustrierten und Online-Portale gestalten und sie mit Texten befüllen nicht, dass sie die immer gleichen Themen in andere Worthülsen kleiden, die weder für das Agieren in ihrem beruflichen Alltag noch nach Redaktionsschluss von praktischen Nutzen, von Erkenntnisgewinn, für Gesprächsstoff mit Familie und Freunden zu nutzen sind?
Die amerikanische Fernsehjournalistin und Rechtswissenschaftlerin Lisa Bloom hat sich gewundert. Die Entwicklung des Journalismus, des Medienkonsums von Frauen haben die CBS-Reporterin sogar so geärgert, dass sie ein Buch darüber geschrieben hat. Nicht nur sie, erzählt sie in einem Interview mit dem Wirtschaftsportal Forbes, auch ihre Kolleginnen und Kollegen, seien frustriert darüber, dass sie über Prominentenklatsch berichten müssten. Ihre Streitschrift “Think – Straight Talk for Women to Stay Smart in a Dumbed-Down World” richtet sich jedoch vordergründig nicht an die Medien, die in Magazinen, im Fernsehen, im Netz den Informationsmarkt mit Celebrity-Meldungen überschwemmen. Lisa Bloom wendet sich an die Konsumentinnen: “Ich wollte ein sehr ehrliches Buch schreiben, dass Frauen alarmierend darauf hinweist, was gerade passiert. Ich möchte darüber aufklären, warum ich ernsthafte Themen nicht im Programm platzieren konnte und warum. Produzenten sagen mir, die einzigen Sendungen die Frauen schauen werden sind über Stars und Sternchen. Ich glaube einfach nicht, dass das wahr ist.”
Bloom kritisiert zu Recht, und dieses Phänomen lässt sich ohne weiteres aus der amerikanischen Medienlandschaft in die deutsche übertragen, dass Journalismus sein Publikum durch verdummte Berichterstattung derart überfüttert und lähmt, dass eine Reflektion des eigenen Konsumverhaltens kaum noch möglich ist. Die vermeintliche Analyse der Medienproduzenten, Frauen würden keinen Qualitätsjournalismus nachfragen, ist ein hausgemachtes Ergebnis. In den Recherchen zu ihrem Buch befragte Bloom Studentinnen und erzählt daraus folgende Anekdote: “Die überwiegende Mehrheit der College-Studenten konnte mehr Kardashians (eine US-amerikanische Promintensippe) nennen, als militärische Einsätze, in denen die USA gerade verwickelt ist. Jeder dieser Studentinnen und Studenten war über sich selbst erschrocken, als sie dies feststellten.”
Eine der Lösungen des Dilemmas einer Medienfront gegenüber zu stehen, die sich Frauen an Kiosken und im Nachmittagsprogramm darbietet und ihnen kritische Information und Denkanstöße verweigert, sieht Lisa Bloom in der aktiven Nutzung der digitalen Medien: “Ich möchte, dass Frauen selbst anfangen zu denken, dass sie selbst recherchieren, was ihnen wichtig ist. Wir haben einen noch nie da gewesenen Zugang zu Informationen, fast alle von uns können über Google glaubwürdige, zuverlässige Antworten zu den Fragen unseres Lebens bekommen. Wir sollten wieder uns selbst vertrauen, nicht auf andere hören.”
Dass Mädchen und Frauen zu dieser selbstständigen Informationspolitik gelangen, setzt einmal wieder bei der Bildung an, die Kinder Zugang zu digitalen Medien ermöglicht und sie zu Recherche anleitet, ihre Neugierde weckt. Erst auf dem Politcamp am vergangenen Wochenende in Bonn erzählten Schüler und Lehrer aus dem Alltag an deutschen Schulen, der Kinder in ihrem Lernumfeld am Erwerb dieser Kenntnisse hindert. Mangelnde technische Ausstattung, aber auch Netzsperren, die an Schulen Youtube sperren sowie soziale Netzwerke, oder Begriffe aus den möglichen Suchen herausfiltern. Das bemerkenswerteste Beispiel, von dem eine Schülerin berichtete, war die Blockierung des Keywords “Abtreibung” an den Rechnern ihres Gymnasiums. Zu Prominentenklatsch konnte sie vermutlich unbeschränkt surfen.
“Die eventuell beste Redaktion ist aber meine Peergroup”, las ich in dieser Woche in meinem Twitterstream. Ich bekomme Linktipps, ich empfehle Texte, ich lese über die Woche verteilt vermutlich in 100 verschiedenen Medien. Unter dem Dach welches Mediums ein Text erscheint, ist mir egal, so lange der Inhalt stimmt. Am ehesten binde ich mich an kluge Autoren. Dass Journalistinnen und Journalisten nicht revoltieren gegen den Müll, den sie in ihren Großraumbüros produzieren müssen, dass sie vom System so dröge gemacht worden sind, dass ihnen egal ist, dass sie ihre Leserschaft nicht ernst nehmen. Dass keine Reporterin Lust verspürt Maria Furtwängler, die als emanzipiertes Aushängeschild des Verlagshauses Burda durch die Talkshows tingelt, zu fragen, ob sie sich nicht schäme, dass die Zeitschriften aus ihrem Haus Frauen systematisch unterschätzen, während sie in einem elitären Zirkel den Aenne-Burda-Award für Creative Leadership verleiht. Dass die Talkshowdamen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens nicht aufgeben und keine Lust mehr haben, mit den immer gleichen alten Männern und auskunftbereiten Niedriglöhnern Betroffenheitsfernsehen zu machen.
Dass diese Journalisten aber auch nicht merken, dass ihr Verzicht auf Bericht ihre Geschäftsgrundlage zerfrisst, da auch der letzte Werbekunde irgendwann erkannt haben wird, dass die gebildete, finanzkräftige, urbane Zielgruppe, von denen die Marketingabteilungen der Frauenmagazine schwärmen, sich nicht mehr in gedruckten Magazinen informiert, da diese ihre Bedeutung als modische Wegweiser zunehmend verlieren. Zum einen qualifiziert sich das Konglomerat der Fashion- und Beauty-Magazine nicht als Modejournalismus. Ernsthafter Modejournalismus findet sich nur noch in Nischenmagazinen statt, bisweilen im Feuilleton. Was Verlage in Deutschland als Style-Magazine verkaufen sind Anzeigensammlungen, die seitenweise Produkte abbilden und sie lediglich um die Nennung des Designers und den Preis ergänzen oder die Stücke an C-Prominenten auf PR-Events in Berlin Mitte zeigen. Sie sind lieblose, schlanke Bestellkataloge mit der Zugabe von Diätrezepten und Holywood-Nichtigkeiten. Doch Online-Boutiquen haben den Service der modische Empfehlung und Kommentierung längst aus dem Magazinmarkt herausgelöst und in ihr Geschäftsmodell integriert. Die digitale Aufbereitung des Einkaufserlebnisses ist der Printvariante maßlos überlegen, die shopeigenen E-Magazine können ihren alten Printschwestern getrost das Wasser reichen.
Frauen würden Magazine lesen; ihnen bleibt nur das Blättern. Die Feigheit der Verleger ist: sie haben sich bislang niemals an ein Frauenmagazin gewagt. Das publizistische Sortiment, das sich an die weibliche Bevölkerung richtet, besteht aus einer Aneinanderreihung von Textfetzen zu Interessengebieten, die von Frauen gewohnheitsmäßig nachgefragt werden. Am Kiosk können wir wählen zwischen Schminkschichten-Zeitschriften, Gymnastikzeitschriften, Magerquark-Zeitschriften, Bis-zur-gläsernen-Decke-Zeitschriften, Schick-auf-dem-Spielplatz-Zeitschriften.
Sie bilden damit nur einen Bruchstück der Interessen ab, die den Alltag von Frauen bestimmen. Sie erkennen nicht, dass das, was Frauen verbindet, nicht in Saisonfarben, Sextipps und Starhochzeiten zu finden ist. Die Magazine haben außerdem den gesellschaftlichen Wandel der letzten Jahrzehnte sorglos ausgeblendet. Immer mehr Frauen studieren, arbeiten, arbeiten in Vollzeit, ernähren ihre Familie, entscheiden sich gegen heteronormative Lebensentwürfe und Kinder; immer mehr Frauen erziehen ihre Kinder ohne Partner groß, immer mehr Frauen leben in Armut. Die Ansprache der relevanten Lebensbereiche von Frauen durch das durchschnittliche Frauenmagazin ist so gering, dass eine Bindung an einen Titel kaum nicht erreicht werden kann. Denn die Treue einer Leserschaft ist nur zu gewinnen, wenn die Inhalte sich auch in der Lebenswelt der Leserin verankern können, nicht nur in einer Traumwelt. Wer heute in einem “Frauenmagazin” blättert, weiß, dass er nicht erwarten kann, darin zu erfahren, wie er die Herausforderungen des Alltags meistern kann oder Anstöße bekommt, die Welt kritisch weiter zu denken. Die Lektüre in der künstlichen Welt der Schönheit, des Luxus und der guten Laune ist zwar legitime Flucht in entspanntes Dösen in der Prinzessinnenblase, doch den Hunger stillt sie nicht. Dass der Medienmarkt für Frauen gesättigt sei, können nur Menschen behaupten, die glauben, dass Frauen sich allein von Salat ernähren.