Geo-Engineering verspricht einen einfachen Ausweg aus der Klimakrise. Ungefähr so, fragt sich die Autorin, wie Marktmodelle seinerzeit Aktiengewinne für alle vorhergesagt haben?
Die Hybris des Menschen kennt bekanntlich keine Grenzen, die Unvernunft hingegen manchmal schon. Zwar sind wir nach endlosen internationalen Diskussionen, Konferenzen, Studien und Aktionsplänen noch immer nicht in der Lage, unseren CO2-Ausstoß zu vermindern, aber dafür können wir vielleicht schon bald das Klima manipulieren.
Die Idee ist prinzipiell charmant: vor ungefähr zehn Jahren sanken die Temperaturen auf der Welt nach dem Vulkanausbruch des Pinatubo merklich, weil der ganze Dreck in der Atmosphäre die Sonneneinstrahlung verminderte. Damals beklagenswert, ein Grund zur Sorge, fast hätte man über die nächste Eiszeit besorgt sein können – aber nach neuesten Erkenntnissen wäre Abkühlung zur Zeit ja gar nicht verkehrt? Seither überlegen Klimatologen, Physiker und Ingenieure, ob sich ein ähnlicher Effekt nicht gezielt herbeiführen ließe – natürlich nur vorübergehend, bis wir das mit dem CO2-Sparen in den Griff bekommen haben.
Es ist noch nicht lange her, da schien bereits die Idee absurd, man könnte die bösen Gase irgendwo zusammenpressen und wegschließen. Noch wahnwitziger jedoch ist die Vorstellung, mit einem Schlauch tonnenweise schwefelhaltige Flüssigkeit in die Stratosphäre zu pumpen, 20 km über der Erdoberfläche, um auf diese Weise das Klima zu regulieren. Aber doch, genau wird das bereits erforscht. Noch allerdings hapert es bereits an der technischen Umsetzung: Zunächst würden die Forscher nämlich gerne ausprobieren, ob so eine Schlauchkonstruktion überhaupt möglich wäre. Ein Schelm, wer vermutet, hier würde über bereits Machbarkeit diskutiert, bevor die Fragen der Erwünschtheit und Zweckdienlichkeit geklärt sind.
Skeptiker sind nämlich keineswegs davon überzeugt, daß sich die Probleme damit lösen lassen. Genau wie beim Wetter wären die Auswirkungen möglicherweise regional unterschiedlich. Darüber hinaus lassen sich Temperatur und Niederschlag offenbar nur schwer parallel optimieren – und schon gar nicht für alle Länder gleichzeitig. Wobei natürlich auch deren Meinungen, ebenso wie jene der Befürworter, vor allem auf Modellen basieren.
Wenn man über die Frage von Klimamodellen etwas länger nachdenkt, gruselt man sich bereits beim bloßen Wort „Geo-Engineering”. Aber einen Schritt zurück. Wikipedia weiß: Ein Klimamodell ist ein Computer-Modell zur Berechnung und Projektion des Klimas für einen bestimmten Zeitabschnitt. Das Modell basiert in der Regel auf einem Meteorologiemodell, wie es auch zur numerischen Wettervorhersage verwendet wird. Grundlage hierfür sind mathematische Modelle, in denen die relevanten Größen wie Temperatur, Luftdruck, Wind und deren Veränderungen durch Differentialgleichungen abgebildet werden. Also im Prinzip einfach nur Funktionen der Form y=f(x). Und deren Ableitung y’, y” und so weiter. Steckt man in das System numerische Anfangswerte für die verschiedenen Variablen hinein, können die Endwerte für bestimmte Zeiträume annähernd berechnet werden, und zwar unter Verwendung von Algorithmen.
Da dieser Vorgang extrem rechenintensiv ist, werden dafür entweder Supercomputer benötigt, die natürlich jede Forschungsinstitution heutzutage hat, oder aber distributed-computing Systeme. Da mittlerweile in fast jedem Haushalt in Industrieländern ein Computer steht, diese aber oftmals nicht ausgelastet sind, haben findige Geister Methoden entwickelt, wie Privatpersonen ihre ungenutzte Rechenkapazität der Forschung zur Verfügung stellen können – sei es nun für die Suche nach außerirdischem Leben oder eben für Klimamodelle. Falls Sie sich also nützlich machen möchten – hier entlang. Für die gewöhnlichen Wettermodelle, deren Ergebnisse wir täglich in Radio und Fernsehen präsentiert bekommen, braucht es das allerdings nicht. Diese sind schließlich in der Regel auf einen Zeitraum von maximal 10 Tagen begrenzt und, wie wir alle wissen, schon deutlich vorher von begrenzter Aussagekraft.
Einerseits gibt es verschiedene Modelle, die zu verschiedenen Prognosen für die nächsten Tage führen. Andererseits ist Wetter nun einmal unberechenbar im herkömmlichen Sinne, und so führen kleine Änderungen an irgendeiner Variablen schnell zu großen Änderungen im Gesamtergebnis. Mein Eindruck ist, daß Wettermodelle genausowenig alle relevanten Parameter und deren Beziehungen abbilden können, wie sozialwissenschaftliche Modelle. So gesehen kranken beide Disziplinen an der allzu komplexen Realität.
Meteorologen können die errechneten Prognosen durchaus mit Erfahrungswerten plausibilisieren, und damit zu zufriedenstellenden Vorhersagen kommen. Aber was heißt das für Weltklimamodelle?
Weltklimamodelle sind auf jeden Fall noch eine Dimension komplexer als regionale Wettermodelle, weil sie auch die höheren atmosphärischen Schichten abbilden, für größere geographische Räume und – bei langfristigen Forschungsfragen – auch für erheblich längere Zeiträume. Es kann also nicht überraschen, daß deren Hochrechnungen als mit noch mehr Unsicherheit als Wettermodelle behaftet gelten, und zwar umso mehr, je länger der Zeithorizont ist. Auch Klimamodelle können natürlich plausibilisiert werden – zum Beispiel, in dem man sie die vergangenen Entwicklungen nachrechnen läßt – das tun übrigens auch Volkswirte gerne. Darüber hinaus wird bei globalen Modellen natürlich auch wieder vieles vereinfacht, und die regionale Auflösung (gewissermaßen die kleinste geographische Recheneinheit/Rechenfläche) ist ebenfalls stark verringert gegenüber. Beispielsweise: Wettermodellen für den Großraum Berlin.
Dennoch stellt sich, nach all diesen Erwägungen, die Frage, ob Geo-Engineering eine besonders gute Idee ist. Auf Basis der oben beschriebenen Modelle die Entscheidung über wesentliche und unumkehrbare Eingriffe in das Weltklima zu treffen, scheint meinem bescheidenen Geist recht gewagt. Auch wenn mithilfe von dezentralisierter Rechenkraft noch so viele verschiedene Modelle durchgerechnet werden können, und selbst wenn sie alle zu dem Ergebnis kämen, daß die Strategie erfolgversprechend ist (was nicht der Fall zu sein scheint, wobei auch noch nicht alle Varianten durchgerechnet wurden) – angesichts der vielen Defizite von Klimamodellen und der potentiellen Konsequenzen sollte man darüber noch mal nachdenken. Wobei ich mich natürlich gerne von kompetenter Seite eines Besseren belehren lasse.
Seit vielen Jahren beklagen die Entwicklungsländer, daß die dogmatischen Strategien der internationalen Institutionen (die mit Modellen entwickelt wurden), ihnen geschadet haben. Seit etwas weniger Jahren klagen die Industrieländer darüber, daß die Banken mit ihren Risikostrategien (die mit Modellen begründet wurden) eine Rezession mitverursacht haben. Seit kurzem steht die ganze Volkswirtschaftslehre in der Kritik für ihre Mathematisierung und Modellgläubigkeit – die der komplexen Realität einfach nicht gerecht wird. Und da sollen nun also ebenjene Differentialgleichungsmodelle dazu dienen, das Weltklima zu manipulieren? Dann schon lieber Energiesparen, das zumindest ist leidlich berechenbar – ganz ohne Supercomputer.