Deus ex Machina

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Über Gott und die WWWelt

Narzissmus 2.0: Das Egogoogeln

Wie gerne spiegelt sich das Selbst auf Google! Dort vergewissert es sich allem, was es braucht: Aufmerksamkeit, Wirkung, Affektion. Mit einem Klick: Ego-Kick. Wie weit reicht also die grandiose Illusion?

Ich bin so schön. Ich bin so toll. Ich bin auf Google. Ich drücke auf den Knopf und finde mich. Seitenweise. Hunderttausend Mal gibt es mich dort, – mein Selbst schlägt Purzelbaum. Jeder kann mich sehen.

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Früher musste man dafür ins Fernsehen: „Die an der Rezeption, gell, das war ich!”
Oder ins  Radio: „Ich hab dich gegrüüüüßt. Hast du es gehört?”

Früher war jede noch so kleine Öffentlichkeit schwer zu beschaffen. Man musste geduldig sein, hing ewig in der Warteschleife. Wenn man überhaupt durchkam. Oder man hatte Glück und wurde in der Einkaufspassage von Pro-Sieben-Praktikanten angesprochen und konnte dann einmal die Nase in die Kamera zu halten. Was für ein Erlebnis!

Heute aber bin ich omnipotent. Jederzeit kann ich mich meiner Geltung vergewissern. Dafür brauche ich nicht mal alle Buchstaben von meinem Namen eingeben. Auch ohne die letzten Letter weiß die Suchmaschine, wer gemeint ist. Man hat mich schon erwartet. Wobei hilfreich ist, dass ich nicht Bett-ina heiße. Dann hätte ich wohl keine Chance beim Egogoogeln.

Doch so nudelt sich mein Ich durchs Internet. Per se schmeichelt jeder Link dem Selbstwertgefühl, mit jeder Erwähnung glimmt illusionierende Grandiosität auf. So viel über mich, überall, wo ich hinschaue. Narzissmus, – leicht gemacht.

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Genial dabei: Anders als ein Auftritt in den alten Medien, dem stets der Verdacht auf Selbstinszenierung anlastet, kann ich mich beim Egogoogeln bescheiden geben.

Erwischt man mich – Generation Großraumbüro – kann ich so tun, als hätte ich es zwar nicht nötig, aber es müsste halt sein. Leicht lässt sich Argwohn auf Geltungssucht und Selbstliebe zertreuen. Man muss das heute machen, um aktuell zu bleiben. Kommt gar nicht drum herum. Als Blogger sowieso nicht. Ebensowenig der Journalist, der Schriftsteller, Schauspieler, Politiker, der illustre Industrielle oder missverstandene Regisseur. Jeder, der sich äußert und nach gesellschaftlichem Einfluss lechzt. Man muss schließlich wissen, was alle über ihn erfahren können: Information ist die Währung, Google ihr Bankomat.

Egogoogeln hat aber auch Tücken.

Opfer von Nachstellungen und Hass können davon ein Lied singen: Links treffen wie Schlagstöcke. Die Exploration führt auf ein Minenfeld, das Egos zerreißt, eines wie das andere. Keine Gnade, keine Läuterung. Niemals wird Dein Fehltritt vergessen sein. Du kannst dem nicht entkommen, wie du dir selbst nicht entkommst. Da hilft auch kein digitaler Selbstmord. Profile löschen, Ende aus? Das ist nichts als höhnende Illusion. Das Internet leidet nicht an Demenz, wenn es von einem Gegner immer neu erinnert wird. Früher drohte Fegefeuer, heute fressen sich die Flammen durch digitale Realität.

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Deine einzige Chance: Versteck dich! Ändere deinen Namen in einen Spitznamen. Erschaffe verschiedene Profile, vermerke sie mit variablen Charakteristika. Im informativen Dschungel ist Verwirrung schnell gestiftet. Erfinde, lüge, verschweige, jede Taktik ist erlaubt, wer soll Dir schon nachweisen, dass es nicht stimmt. Hauptsache, es sieht schön aus.

Google ist zwar allmächtig, aber auch chaotisch, wahllos und ein klein wenig dumm. Es kennt nur die Informationen, die man hineinschreibt. Es bewertet nur Webseiten, keine Menschen. Oder was da sonst noch mit hohem Lügengehalt anzutreffen ist. Selbst ohne Versteck-Spiel gilt der Status Quo: Das Ich ist zwar auf Google, aber Google-Ichs gibt es viele. Wenn das eine nicht mehr passt, wird es eben editiert und mit Informationen gefüttert, bis Google nicht mehr weiss, wo sein nicht vorhandener Kopf ist.

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Ein Beispiel? Glaube ich der Verlinkung von Google, lebe ich in Berlin, vertreibe DFB-Sakkos, werde mit dem Schlagwort „Design-Niederlage” etikettiert; führe außerdem ein Tagebuch für Annika. Weiter gebe ich eine Kollektion mit Aktentaschen raus und male mit Obsession Aktbilder meines Freundes, wobei ich allerdings schon zwei Mal verheiratet bin, mit Ewald und mit Johann. Außerdem bin ich die Mutter von sechs Kindern. Suchen Sie sich eines raus! Google macht mir sicher bald ein paar Neue: die Reproduktion steht niemals still.

 

„Eine Lüge reist einmal um die Welt,
während sich die Wahrheit

noch die Schuhe anzieht.”

– Englisches Sprichwort –