Deus ex Machina

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Über Gott und die WWWelt

Wenn Akkus Hypochonder werden

Updates sind wie Anweisungen der Götter. Sie ermächtigen sich meiner, wie es ihnen beliebt. Wehre ich mich dagegen, entsteht ein babylonisches Programm-sprachengewirr, mit äußerter Konsequenz.

Was macht ein gutes Geschenk aus? Es ist nichts, was man braucht, wie Socken etwa oder elektrische Zahnbürsten. Nein, es ist etwas, das man haben will. Dann entsteht die große Freude, die Überraschung, dann wächst Liebe zu dem Schenkenden, denn der hat sich in einen hinein versetzt und voller Empathie überlegt, was man wirklich wollen könnte. So schenkt man richtig. Man muss es lieben wie einen Teddybären und schätzen wie einen Diamanten. Was, für mich? Ohhhh – muss man quietschen. Dann passt es.

Tückisch dagegen verhält sich das Gratis-Update im Internet. Diese Updates tarnen sich als Geschenke und sind doch reine Zwangsmaßnahmen. Da sagt man dann eher Uh und Äh und Oha.

 

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Doch diese Bevormundung ist der Nutzer schon gewohnt. Blind unterschreibt er die AGBs und soll sich, laut Werbebotschaft, auf eine Steigerung seines digitalen Lebensgefühl gefasst machen. Alles wird besser, schneller, höher, weiter, mit dem neuesten Update. Wobei der User diese vermeintliche Verbesserung nicht selbst gewählt hat. Er hat gewiss keinen Prozess der Willensbildung abgeschlossen, bevor er sich für das Update entschied und sein Häkchen setzte. Nein, das Update wurde ihm übergestülpt. Er kam indes mit dem alten System noch gut zurecht. Aber die da, welche hinter den Programmierungscodes leben wie die sieben Zwerge hinter den sieben Bergen  – die wollten das so.

Und sie kennen keine Gnade, mir das aufzuzwingen: Mit dem Trick, dass meine Batterie bald versagen würde, lockte mich mein Computer in den AppleStore. Doch es ging meiner Batterie gar nicht so schlecht, wie sie vorgab. Sie hat nur simuliert. Das würde ihr alles zu viel, stöhnte sie. Diese unzähligen Programme mit unterschiedlichen Voraussetzungen wären schlimmer als Babel. Nein, so könnte sie nicht arbeiten. Sie meldete sich krank. Dann kam der Doktor in Person des bartschneuzigen IT-lers. Er entlarvte ihre Hypochondrie, denn ihre Werte waren gut. An ihr lag es nicht. Also holte er sein magisches Kabel, an dessen Kopf ein Stecker prangte, und schob es ins Getriebe.

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Seitdem ist mein Computer ein anderer. Aber die Batterie ist glücklich, im Gegensatz zu mir. Ich muss mich jetzt mit dem mir aufgezwungenen iTunes 11.0 (136) rumschlagen. Die einfachsten Dinge scheinen plötzlich unmöglich, zum Beispiel scrollen:

„Sie suchen die Leiste zum herunterschieben des Menüfensters? Die gibt es nicht mehr. So last season. Nutzen Sie die Tastaturpfeile.” Die schaffen aber nur einen Titel nach dem anderen. Ich versuche mir mechanisch zu helfen: Fenster verkleinern, dann erscheint der vertikale Balken wieder, der mich durch meine Titel scrollen lässt. Aber nur für kurze Zeit. Kaum habe ich einen Titel abgespielt und will wieder über meine gesamte Liste scrollen, verschwindet der Balken erneut. Es ist zum verrückt werden. Danke iTunes.

Es wurde sich meiner bemächtigt. Ich bleibe hilflos. Die da, hinter den sieben Bergen, haben das so gewollt. Der Grund dafür bleibt schleierhaft, wie jede Entscheidung der Götter. Ich muss mich damit abfinden: ich bin das Versuchskaninchen.

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Immerhin, sie brauchen mich. Denn mit mir werden sie niemals ohne Dialogfenster kommunizieren können. Wie in Wachowskis „Matrix” etwa, in der die Menschen in grünen, herabfliessenden Codes alle Bilder des Lebens erkennen konnten. Das werde ich niemals leisten. Wir brauchen die visuelle Schicht zwischen uns.

Wie die also beschaffen sein soll? Was weiß ich, möchte ich am liebsten sagen, doch das stimmt nicht. Ich weiß was. Das Versuchskaninchen hat eine Beobachtung gemacht, die es gerne melden möchte. Hallloo, hört ihr mich, halloooo, Echooo?

Keine Antwort, bis hinter die sieben Berge reicht es nicht.

Gut, dann schreibe ich es eben auf meinen Wunschzettel. Ich hätte gerne mein altes iTunes zurück. Genauso wie das alte Powerpoint. Ach war das schön. Aber das ist wohl ein blöder Wunsch; der Fortschritt hat sie vertilgt, wie Saturn seine Kinder.

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Besser ich wünsche mir etwas für die Zunkunft. Ich wünsche mir, dass die Programme aufhören zu glauben, sie wären ein Buch. Ein Buch, das man von oben links bis unten rechts liest, und auf der nächsten Seite ebenso. Ich wünsche mir, dass was ich zuerst wissen will, immer im Zentrum der Seite steht. Wie bei einer Mindmap, einer Gedankenlandkarte.

Ich erinnere mich an eine meiner ersten Vorlesungen, in der das Prinzip „Mindmap” uns Studenten ans Herz gegelegt wurde. Weil man sich so viel leichter den Stoff merken konnte. Doch die Universität war weit davon entfernt, ihre Schöngeistigkeit in der Praxis umzusetzen. Gelernt nämlich wurde linear und im Examen stur nach Schema abgefragt, – wahnsinnig innovativ.
Aber die hinter den sieben Bergen müssten das besser können.

Neben mir knistert es. Habe ich Mäuse in der Wohnung? Da sehe ich etwas, im Augenwinkel nur, durch meine Wohnung zischen. Huch, denke ich. Was war denn das? Da fällt mir ein: die Weihnachtskobolde sind ja unterwegs. Einer hat sich meinen Wunschzettel geschnappt. Ob Kobolde auch im Internet surfen? Das passt nicht. Dass sie wissen, wo die sieben Zwerge wohnen, dafür umso mehr.