Als erste ernst zu nehmende Online-Kunstmesse gab die VIP Art Fair vor zwei Jahren ihr Debüt. Dafür bekam sie große Aufmerksamkeit in den Medien, die gerade in diesem Bereich ansonsten eher konservativ sind. An dieser Messe jedoch kam man wegen der Teilnehmer nicht vorbei. Auf der ersten VIP Art Fair versammelten sich große Namen des interantionalen Kunstmarktes wie die Galerien Gagosian, Zwirner oder Pace. Die Vermutung der Medien lautete: Wenn solche Galerien bei dem Projekt mitmachten, musste Potenzial dahinter stecken. Mehr als hinter den vielen, unübersichtlichen Internet-Gründungen, die ein Kunstmarkt-Journalist wegen geringer Relevanz in den Papierkorb schiebt. Schließlich reden wir über den Kunstmarkt: Namen sind hier nicht nur Beiwerk oder Klangfarbe, Namen bedeuten Geschäfte.
Es gibt dieses hübsche Bild für den Kunstmarkt: Man stelle sich einen Roulettetisch vor. An ihm sitzen die großen Galeristen und Auktionshäuser und machen ihre Einsätze. Um sie herum reihen sich Museumsdirektoren, Kritiker und vielleicht noch der eine oder andere millionenschwere Sammler. Dann ist Schluß. Der Kreis ist abgeriegelt. Denn dort will jeder hin, von außen drängeln sich unzählige kleinere Galeristen, Künstler und Händler zu diesem exklusiven Kreis. Sie alle träumen von dem großen Durchbruch, der Ruhm und Geld verspricht. Die meisten aber scheitern, bevor sie am Casinokunstmarkt reich geworden sind.
Droht auch der digitalen VIP Art Fair dieses Schicksal? Beim Blick über die Teilnehmerliste 2013 wird sofort klar: Die potenten Zugpferde unter den Galeristen haben sich verabschiedet. Schon der Name der Messe – VIP Art Fair – weist auf ihr Spagat hin. VIP steht in diesem Kontext nicht für das verrufene “Very Important Person”, sondern für ein eher zurückhaltendes “Viewing In Privat”. Mir scheint, als künde schon die irreführende Konnotation im Namen den gesamten Konflikt an.
Im Grunde ist es zwar sympathisch: Man wollte sich vielleicht mit dem Wortspiel über das elitäre Gehabe hinwegsetzen, das Teile des Kunstmarktes dominiert. Hochwertiger Kunstkauf im Morgenrock vom eigenen Schreibtisch aus? Ohne das Geplapper von Kreti und Pleti im Nacken? Es bleibt wohl weiter nur ein Traum. Das Angebot auf der aktuellen VIP Art Fair hat qualitativ deutlich nachgelassen. Lockt hier und da ein etablierter Künstlername, werden oft nur Fotoabzüge und nicht die Originale angeboten.
Der Markt löst sich eben nicht aus seinen angestammten Verkaufsmechanismen. Dafür haben sie sich viel zu sehr bewährt. Denn Kunst ist keine Ware, sondern für die bestimmenden Kunden ein Lebensgefühl, das sich vom Flug mit dem Jet zum Messeort bis zur Gala am Abschlusstag vollzieht. Und natürlich weiter wirkt, wenn sich der galante Lebensstil durch das Werk überm Sofa oder der Skulptur im Garten manifestiert.
Doch die Macher der VIP Art Fair bleiben beweglich. Den magischen Satz aller vereitelnden PR-Kampagnen „Wir haben dazu gelernt” hat man sich zu Herzen genommen.
Fehler Nr. 1 – Zeitrahmen: Im ersten Jahr dauerte die Messe eine gute Woche. Mit dem Ergebnis, dass der Server nach 3,3 Millionen Klicks in den ersten 48 Stunden zusammenbrach. Die Galeristen waren sauer, man hatte extra Schichtarbeit eingeteilt, um der Chatfunktion rund um die Uhr gerecht zu werden. Heute dauert die VIP Contemporary 17 Tage. Auch werden schon für März weitere Kunstaktionen angekündigt. Klug gelöst, schließlich zahlt man im Internet keine Raummiete. Wozu also die Hetze?
Fehler Nr. 2 – Präsentation: Im Jahr 2011 klickte man mit einem Schattenmann-Avator durch virtuelle Räume. Klingt nach einem aufregenden Second-Life-Kunsterlebnis. War es aber nicht. Es blieb bei dem Gefühl eines ordinären Webseitenbesuchs jedweder Galerie. In dieser Ausgabe versucht man gar nicht erst, einen echten Messebesuch zu imitieren. Als wäre 3-D-Animation als digitale Bildsprache passé. Stattdessen: Fotos, Fotos, Fotos. Der Einfluss von Pinterest ist unübersehbar. Es fehlen nur noch die mit Schatten unterlegten Bildrahmen. Dann wäre die Imitation perfekt.
Auch kann man bei der aktuellen Version jedem und allem folgen: einem Kunstwerk, einem Künstlern, einer Galerie. So erstelle ich meine eigene Sammlung. Hübsche Idee. Nun kann ich die Entwicklung „meiner” Bilder genau verfolgen. Damit springen die Macher auf den Zug der individuell zugeschnittenen Informationsverteilung. Zum Nutzen beider Seiten: Ich brauche mich nicht mehr durch Angebote wühlen wie bei einem Grabbeltisch. Und die wissen, was Anklang findet und was nicht.
Die Messe hat sich durchaus entwickelt: Mehr Masse statt Klasse. Deutlicher Fokus auf den Nutzer und sein Erleben. Individuelle Informationen. Mir scheint, die Messe wandelt sich von einem Marktplatz zu einem Treffpunkt.
Ein Indiz dafür: Die Künstler zeigen Gesicht. Auf einer Seite mit eigenen Profilbildern. Schon jetzt juckt es mich in den Fingern. Ich will auf einen Knopf klicken und Kontakt zu ihnen aufnehmen. Sie scheinen so greifbar.Durch diese empfundene Nähe könnte ein neuer Roulettetisch entstehen. Wenn auch mit deutlich kleineren Einsätzen. Dafür mit mehr Plätzen. Mir gefällt’s. Aber ich muss damit ja auch nicht mein täglich Brot verdienen.