Für die Avantgardisten unter uns ist Heiraten ja kein Thema mehr. So was hakt man naserümpfend ab. Wer das nicht tut, den braucht man nicht mehr ernst zu nehmen.Wer wäre denn so blöd; schön blöd: verloben mit Verlobungskarte, Hochzeit im Kreis der Familie, Mädchennamen abgeben. Das alles sind Dinge, mit denen sich ein avantgardistisches Individuum nicht zu beschäftigen braucht. Schon allein wegen all des Kitsches: pinker Zuckerteig, Prinzessinnen-Frisur und viel Tüll. Wer kann das noch ertragen?
Den Namen zu wechseln, kommt für die intellektuelle Frau sowieso nicht in Frage. Wie sollte man dann weiter publizieren? Vor Dreißig sollte man sich in dieser Branche einen Namen gemacht haben. Sonst kommt man nie nach oben. Der Name ist alles, findet die intellektuelle Frau und das mit Recht.
Aber wie schaut es bei den anderen aus? Bei denen, die sehr wohl einen Schleier vorm Altar aufsetzen werden, und zwei Mal mindestens, eine Kugel vor sich her schieben wollen. Bei denen, die sich Kinder wünschen und eine eigene Familie. Und dafür, weil sie es so kennen und richtig finden, ihren Mädchennamen abgeben werden.
Doch wenn es soweit sein könnte, – die Urkunde unterschrieben, die Unterlagen vom Amt ausgefüllt und wieder abgeschickt -, ist es längst noch nicht vollbracht. Wer heute seinen Namen ändert, muss nicht nur ein neues Postkastenschild schreiben. Man hat schließlich viel mehr Adressen als nur die eine bei der Post. Einmal heißt man sophiemaltzahn@yahoo, dann wieder sophie-maltzahn@skype.com, soph1984 oder maltzahn_sophie@faz.de. Bei mir wird es ewig dauern, bis mein Mädchenname aus dem Netz verschwunden ist. Ich müsste alle meine Accounts ändern, sollte das überhaupt möglich sein. Ich denke nicht, dass hotmail, – dort hatte ich meine erste Emailadresse, mich überhaupt noch kennt.
Wie aber findet es die frisch verheiratete Frau wirklich, wenn der alte Name nicht vollständig erlischt? Wenn sie ehrlich ist, findet sie das gut. Wenn sie ehrlich ist, hat sie ihren Namen mit einem riesengroßen Wermutstropfen abgelegt. Keine trennt sich nonchalant von ihrem Namen. Demnach freut sie sich auch, wenn sie weiterhin Emails an ihren alten Namen geschickt bekommt.
Die digitale Identität ändert sich auch deshalb nicht, weil Freunde, Familie und Bekannte weiterhin ihre Emails an die bisherige Adresse schicken. Bei dem Tempo, mit dem die Leute derzeit vor den Altar treten, kann doch keiner mithalten. So schnell hat man nicht mal den Adressordner aufgeklappt, da ist schon wieder die Nächste verheiratet. Ergo, der Absender hält ebenso den alten Namen in Erinnerung.
Auf diese Weise ist eben nicht nach dem Standesamt Schluss mit der vertrauten Identität, die der Nachname doch ein Leben lang gestiftet hat. Das ist der Trick 17.
Witzigerweise ist mir aber auch das Gegenteil passiert. Da war das Internet schneller als ich. Es wusste was, das ich nicht noch nicht mal wusste. Ich öffnete meinen Posteingang, und was las ich in der Betreffzeile:
„Hallo Sophie v. Grawert! Einmaliges Frühlings-Angebot: Fotobücher nur 9,99 Euro, inkl. Versand.“
Moment mal, dachte ich, ich hieß doch noch gar nicht Sophie v. Grawert. Ich wohnte doch nur bei meinem Freund. Am Klingelschild stand sein Name und am Briefkasten genauso. Keiner kam auf die Idee, das zu ändern. Wenn ich jemandem meine Adresse gab, dann mit c/o.
Nur einmal nicht. Da habe ich mir Fotos im Internet bestellt und einfach nur Sophie v. Grawert angegeben. In der Maske gab es nämlich keine Zeile für ein c/o. Was sollte der Umstand, dachte ich. Wenn Sophie vorm Nachnamen stand, würde ich ja wissen, dass das Päckchen für mich war. Auf die Idee, ein neues Postschild anzubringen, kam ich weiterhin nicht. Wieso, weiß ich bis heute nicht. Als die Fotos ankamen, hatte ich die Angelegenheit schnell wieder vergessen.
Bis diese Werbung in meinem Emailprogramm landete. Als ich meinen Namen in der fremden Kombination las, dachte ich, mich trifft der Schlag.
Gott sei Dank hatte das niemand gesehen. Vor allem nicht mein Freund. Was der sich wohl gedacht hätte? Dass er mit einer Heiratswütigen zusammen war. Wie peinlich. Niemand gibt zu, dass er heiraten will, bevor der Antrag kommt. „Das hat noch Zeit“, behaupten die einen. „Wir sind doch noch so jung“, lügen die nächsten. Auch ich fühlte mich von dieser Email entlarvt und hab sie schnell gelöscht. Heute kann ich über diesen Herzsprung lachen. War doch eh klar, dass ich diesen Mann heiraten würde, denke ich jetzt.
Ich finde es also überhaupt nicht schlimm, wenn der alte Name im Internet erstmal so stehen bleibt. Im Gegenteil. Es muss sich nicht alles auf einen Schlag ändern! So schnell hat man sich selbst auch nicht verändert. Auch nach der größten Hochzeit nicht. Da kann man ruhig noch ein bißchen weiter heißen wie bisher. Danke yahoo, google+, facebook, twitter, pixum, dropbox, skype, brand for friends, flickr und pinterest.