Kontrollversuche der Bürger durch Staaten und Daten sind nicht neu: Das Prism-Programm des 14. Jahrhunderts in England war natürlich nicht sonderlich gut ausgeprägt, und es kannte auch kein Internet. Trotzdem war die Verwaltung des Königreiches schon damals sehr daran interessiert, möglichst viele Daten über ihre Untertanen zu sammeln, um sie zur Kriegsfinanzierung effektiv mit Steuern belasten zu können. Das geschah damals noch auf Pergament und Papier, und so verwundert es nicht, dass man 1381 während der grossen Bauernrevolte besonders hinter diesen Datenträgern her war. Als die Aufständischen London eroberten, suchten sie besonders jene Unterlagen und vernichteten sie, gerne auch zusammen mit jenen Juristen, die sie erstellt hatten, und stellten deren Köpfe, sorgsam vom Leib getrennt, an den Brücken von London aus. Der bei Shakespeare auftauchende Spruch „The first thing we do, let’s kill all the lawyers“, soll angeblich in dieser datensparsamen Massnahme begründet sein, und überhaupt sieht man hier, dass der Schutz der Persönlichkeitsrechte vor all zu viel Wissen des Staates gutes Herkommen, sehr bürgerlich und traditionsbewusst ist.
Allerdings sehe ich es als relativ unwahrscheinlich an, dass die heutigen Nachfahren konservativer Landbewohner und ihre politischen Interessensvertreter beim nächsten Besuch des amerikanischen Präsidenten in Deutschland versuchen werden, sich an seinen Begleitern zu vergreifen und deren Emails so zu checken, wie sie es mit Prism und anderen Programmen sonst noch tun – obwohl diese Form der Spionage und des Abschnorchelns eine ganz andere Qualität als die Methoden des feudalen Englands hat. Leider muss man wohl davon ausgehen, dass alles, was genutzt werden kann, auch genutzt wird und, falls es rechtlich nicht möglich ist, dennoch genutzt wird, weil man die Kontrollgremien dreist belügt (sagte hier gerade jemand „Euro-Hawk“?) und die Öffentlichkeit mit der „nationalen Sicherheit“ einlullen will. Das hat man übrigens auch schon 1381 so gemacht, denn das die Staatsfinanzen ruinierende Afghanistan der englischen Könige waren die alternativlosen Kriege in Frankreich, und für die Daten und das Geldeintreiben waren Personen zuständig, die damals auch schon ihr wenig moralisches Eigenleben führten – die nahm man in Kauf, denn man brauchte Geld, um die Freiheit des Landes an den Vogesen zu verteidigen.
Ach so, und Richard II. hat den Aufstand dann mit Versprechungen beschwichtigt, von denen er sich im Nachhinein vom Parlament hat befreien lassen, das sei gar nicht so gemeint gewesen. An welchen amerikanischen Präsidenten mag das erinnern?
Nachdem nun also trotz der vorbildlichen Arbeit des Guardian nicht davon auszugehen ist, dass es heute zu einem Aufstand gegen die NSA kommt, und man in Zeiten des Cloud Computings auch die Daten meistens nicht mit dem Abfackeln eines Rechenzentrums beseitigen kann, und der Fortschritt der menschlichen Gesellschaft, totalitäre Überwachung beiseite gelassen, auch keine Köpfe an Brücken mehr für statthaft hält, stellt sich sie Frage: Was tun?
Eine Antwort wurde hier schon gegeben, aber das alles ist insofern nicht ganz so leicht, als diese amerikanischen Dienste nicht nur bei sich daheim werkeln. Sie – und mit ihnen viele andere Unternehmen – sind auch auf Seiten aktiv, die gar nicht danach aussehen. Kein Google mehr? Dann sollte man auch die FAZ nicht mehr lesen, denn hier wird mit Google der Besucherverkehr gemessen, und auch Google Ads rufen Daten ab. Twitterbutton, Facebookbutton, Google Plus, alle bekommen sie mit, dass hier etwas passiert, und die Werbewirtschaft ist ohnehin gnadenlos, wenn es um den Einsatz von Trackern geht. Niemand hat Sie dafür um Erlaubnis gefragt? Tja.
Das ist so üblich, mich hat da auch keiner gefragt, das machen alle, hier, bei den Kollegen, und besonders doll treiben es da der Guardian und die taz – hier mal eine Liste dessen, was die Berliner auf ihre Leser an Trackern, Zählern, Datenabfragern und Schnüfflern so loslassen: AdScale. ADTECH, AdTiger, AppNexus, Audience Science, DoubleClick Spotlight, Emediate, etracker, Flashtalking, Flattr Button, freeXmedia, Google AdWords Conversion, INFOnline, MediaMath, Microsoft Atlas, Right Media, Rubicon, Semasio, SMART AdServer, VG Wort, Yieldlab, drei davon finde ich persönlich harmlos. Das Wenigste davon dürften Sie kennen, und vermutlich auch pikiert reagieren, wenn ein Herr von Yieldlab bei Ihnen klingeln würde und fragen, was Sie gerade wie lange bei der taz oder einer anderen, kooperierenden Website gelesen haben. Das müssen die Herren auch nicht tun. Dafür haben sie ja ihre Schnüffelprogramme. Yieldlab zum Beispiel macht „Real Time Advertising“, und dafür brauchen sie Daten, Daten, Daten. Sollten Sie ernsthaft vorhaben, die anderen Namen zu goog im Internet zu suchen und zu lesen, was die genau treiben, empfehle ich, vorher gut zu essen und einen Magenbitter bereit zu halten.
Und wenn der nächste Springervertreter, dessen Medien ebenfalls solche Tracker auf Sie loslassen, darüber schwadroniert, es gäbe kein kostenloses Internet und man bezahle Google mit Daten und sie wollen etwas davon abhaben – dann lachen Sie ihn aus. Kräftig. Man zahlt nämlich schon jetzt sehr oft mit seinen Daten an Datenräuberbanden, auch wenn man gar nicht merkt, dass man es tut. Legal natürlich, das ist in den Nutzungsbedingungen so abgesichert wie das Treiben der NSA in den Richtinien, die die Gesetze passend interpretieren.
Sie finden das nicht nett?
Also, das Party-like-its-1381-Thema ist umbringen und verbrennen, und weil man ja auch nur schlecht losziehen und Glasfaserkabel anzünden kann, sollte man das Problem vielleicht an der Wurzel lösen. Beim ignoranten Nutzer, und wenn Sie das alles bislang nicht gewusst haben, dann gehören Sie dazu. Sie möchten der Datenleibeigenschaft entfliehen und die Unterdrücker und Schnüffler abschütteln? Dann sollten Sie Ihren Browser (der vielleicht nicht von besagten, am Programm der NSA beteiligten Firmen sein sollte) aufrüsten. Es gibt da nämlich so Plugin-Programme wie NoScript, die alle aktiven Skripte auf einer Seite killt, wie etwa das Javascript, das Sie und mich hier in diesem Blog so gnadenlos ausbremst, wenn Sie kommentieren wollen. Es gibt aber auch spezifische Trackerkiller, die die ganze Bande auflisten und ausschalten: Ghostery und Donottrackme heissen diese hilfreichen Geister, und das einzige, was ihnen als Option fehlt, ist die Brücke, an denen man die Köpfe der Schnüffler ausstellt. Ansonsten installiert man die Plugins, und dann kommt – hier mit Ghostery gezeigt – folgende Mitteilung, welche Spione man hier mit der Seite mitgeladen hat.
Ein paar sind schon von mir durchgestrichen und erledigt, der Rest kommt jetzt. Dann klickt man oben im Browser auf das entsprechende Kästchen für das Plugin und schaltet weg, was man nicht haben möchte. Ghostery bietet zwar an, dass man vorher liest, wen man hier abmetzelt, aber ich sage: Lassen Sie nur die VG Wort leben, die tut nichts Böses und ist nett zu Schreibenden, die anderen, sobald sie etwas mit Werbung zu tun haben, rotten Sie aus mit Stumpf und Stil. Also, zumindest mache ich das so.
Denn auf meiner sozialen Wertigkeitsskala, wenn ich das so sagen darf, passt zwischen den Sheriff von Kent, den NSA-Spion, den Werbetrackerhelfer und den Warlord im Sudan kein Stück Zeitungspapier, und ob man mich nun zur Leibeigenschaft, zur Scharia, der amerikanischen Freiheit im Sinne der NSA oder Genmaisprodukten bekehren will, macht für mich keinen Unterschied. Die schleichen sich einfach so in meinen Browser, das ist nicht höflich, wir wurden uns nicht vorgestellt und deshalb zum Teufel damit.
Man sieht und lernt mit diesen Plugins einiges über das Internet, seine Giftwanzen, und wer da was mit wem macht. Vor allem aber schmeisst man damit teilweise die Schnüffler raus, die der NSA als Informationslieferanten besonders gefallen. Das ist natürlich nicht alles, aber es ist schon mal kein ganz schlechter Anfang. Es wird weiterhin viele Möglichkeiten zum Ausforschen und Verfolgen geben, und wie man in so einer Welt dann auch noch sogenannte soziale Netzwerke ernsthaft nutzen mag, wie man Cloud Computing ernsthaft empfehlen kann und Real Time Internet propagiert, alles, was verfolg- und verletzbar macht, wird mir immer ein Rätsel sein. Im Prinzip ist es wie mit jeder unbekannten Gefahr: Wir wissen nicht, was genau sie tun und planen. Wir wissen nur: Sie tun, was immer technisch möglich ist. Vor ein paar Jahrzehnten planten sie, Raketen mit Atombombenexplosionen ins All zu schiessen, heute sind sie bei der NSA. Man sollte ihnen so wenig Möglichkeiten geben, wie es nur gerade möglich ist.
HINWEIS:
Trackerarm und datensicher ist übrigens das dazugehörende WordPressblog, auf dem man diesen Beitrag ohne grosse Probleme und langes Warten gerne kommentieren kan.