Der Spiegel arbeitet seit einiger Zeit natürlich rein hypothetisch und gar nicht ernsthaft an einem neuen Geschäftsmodell, das er sich bei Apple und Amazon abgeschaut hat: Der Verlag hat eine medienunabhängige App namens “Der Abend” entwickeln lassen, die den zeitungsmüden Lesern am Abend die Nachrichten ihrer ehemaligen Zeitung auf ihr mobiles Gerät spielen könnte. Dafür bräuchte der Spiegel, sollte er vielleicht doch echtes Interesse bekommen, natürlich Partner, die bereit sind, sich zu beteiligen und sich vom Spiegel an die ehemaligen Printleser vermarkten zu lassen. Und damit diese Partner den Eindruck haben, der Spiegel sei auf der Höhe der Zeit und Print könnte ganz schnell sterben, würde es den Verantwortlichen nicht traurig stimmen, gäbe es eine möglichst grosse und dramatische Debatte über das Thema.
Die Deutsche Journalistenschule, mit deren Schülern gerade der Projektverantwortliche Herr Schnibben von Spiegel Online in Sachen Panikerzeugung hausieren geht, klingt als bekannter Name natürlich erst mal gut: Da gibt es Seminare in einem hübschen Gebäude der Kowis am Englischen Garten, und da werden dann die Besten der Besten der Besten ausgebildet: Harte Zugangsprüfung, brutales Sieben, bis nur noch jene übrigbleiben, die sich für höchste Weihen des Berufes eignen. Denkt man vielleicht.
Man kann diese jungen Nachwuchsautoren für eine Elite halten, aber es geht den Medien dreckig und ich kenne da auch welche von der DJS, die momentan froh sind, wenn sie noch Events der Sparkasse Miesbach moderieren dürfen, und andere, über die eine Professorin einmal so schön gesagt hat: Drei von denen im Seminar und man kann es vergessen. Junge Leute, die so herausgehoben behandelt werden, kommen schnell auf die Idee, die Welt könnte wirklich auch ihren Regeln funktionieren. Das ist in München nicht nur bei der DJS so, auch die Wirtschaftswissenschaftler fördern ihre vermeintlich Besten zu Firmengründungen, deren Ergebnisse, egal ob bei den Medien oder der Internetwirtschaft, man dann in der New Economy betrachten konnte.
Als damals Burda und Kirch ihre mit DJS-Absolventen durchsetzen Projekte einstampften, war auch diese Elite auf der Pink Slip Party Gleiche unter Gleichen. Überlebt haben nicht unbedingt die mit den guten Abschlüssen, sondern schnelle und vor allem flexible Leute. Ich habe in meiner Zeit in der New Economy viele Leute mit sehr hohen Ansprüchen scheitern sehen, weil sie den Internetwandel zwar sahen, aber nicht die richtigen Antworten fanden. Probleme erkennen kann jeder, Lösungen finden nicht. Das war die Zeit, als Headhunter durch die DJS zogen, und die Entwicklung von der Studentin im dritten Semester zur Chefredakteurin eines Internetradios nur ein Abendessen mit dem Gründer dauerte. So waren damals die Möglichkeiten. Heute sind sie sehr viel bescheidener und kommen als Spiegelredakteur daher.
Vorhin bekam ich zusammen mit einem weiteren FAZ-Mitarbeiter diesen Tweet, was scheinbar eine Art der Kommunikation von Leuten ist, die einem noch nicht vorgestellt wurden:
Lieber @faz_donalphonso, lieber @friiyo, bitte lesen, was die Internet-Opas der DJS lesen https://spon.de/ad1E5 via @SPIEGELONLINE #tag2020
Das “Internet-Opas” bezieht sich auf meinen streitbaren Beitrag an dieser Stelle, an der ich mich ausgiebig mit dem beruflichen Hintergrund derjenigen von Schnibben von der Leine gelassenen Kettenh Spiegel-Gastautoren beschäftigt habe, die seit Jahren das Totenglöckchen für die Zeitungen läuten, ohne selbst darauf lukrative Antworten gefunden zu haben. Der Beitrag hatte in den sozialen Netzwerken einen guten Lauf, besser als die meisten, die der Spiegel selbst brachte – fand sogar Herr Schnibben selbst. Jetzt schickt Schnibben also die nächsten Leute, diesmal den Nachwuchs von der DJS ins Feuer, die die erste Generation noch einmal bestätigen. Jung, unverbraucht, und vielleicht ein wenig ahnungslos, was die Tücken des Geschäfts angeht.
Das gehört sich nicht. Ich, mit Verlaub, finde es von diesem Herrn Schnibben offen gesagt indiskutabel, junge Leute, die aufgrund ihres Alters nicht allzu viel Erfahrung mit dem Medienwandel und seinen Tücken haben können, fragwürdige Phrasen mit trollendem Unterton schreiben zu lassen, als da wären “Marke werden”. “Medienmarken” “auf meine Interessen zugeschnitten Themen” “dass das Verständnis von Journalismus im Netz, sowohl das technische als auch das redaktionelle, noch keinen Einzug in altgediente deutsche Printredaktionen gehalten hat.” Danke auch. Und dann stante pede zu mir zu laufen und zu sagen: Jetzt mach da mal.
Ich sass einmal bei einer Freundin, die bei so einer elitären Organisation war, und ich wusste, dass die Firma, bei der sie arbeiten wollte (und deren leitender Mitarbeiter heute einer der führenden Pressetotschreiber ist) ihr diesen schon zugesagten Job nicht geben würde. Ich wusste das, weil dieser Firma der Stecker gezogen wurde. Der Investor hatte hinter dem Rücken der Mitarbeiter ein Team eingeschleust, das die Entwicklung prüfte, und die Empfehlung gab, das Projekt einzustellen. Es ist wirklich hart, mit einer jungen Frau Tee zu trinken und genau zu wissen, dass sie nachher anrufen werden und ihr etwas sagen, das ihr Leben für ein Jahr oder länger ruiniert. Die Leute, die eingeschleust wurden, haben gut verdient. Die anderen standen auf der Strasse. Das ist exakt das moralische Dilemma, vor dem wir in den Medien heute stehen. Notorisch aufregende Leute wie mich, die 300, 400 oder mehr Kommentare keilen können, wird man immer brauchen. Aber noch einen Schwung meinungszahmer DJSler mit dem hlb verdauten Bullshit-Bingo der Medientage braucht keiner. Die dürfen dann vielleicht mal die Kronzeugen des Medienwandels für perfi strategisch denkende App-aratschiks geben, die darüber ihre App an zitternde und zahlende Partner-Verlage verkaufen wollen. Verlage, die glauben sollen, sie bekämen die sich hier idealtypisch äussernde Jugend sonst nie mehr zum zahlen. Das ist vermutlich sogar richtig, aber ich persönlich würde lieber aufrecht krepieren, als mit Herrn Schnibbens App noch eine Runde vegetieren.
Herr Schnibben hat das also in bester Spiegeltradition fein hingedreht und wäre vermutlich nicht shr traurig, wenn ich mir zwecks Awareness jetzt diese junge Elite der DJS vornehme. Ich war da auch mal zu Gast und habe gute Dinge dort gemacht, aber das ist nicht der Grund, warum ich an dieser Stelle nicht den Regeln des Konfliktes, den einer wie dieser Herr Schnibben vielleicht für eine Debatte halten würde, folgen möchte. Man könnte analog zum ersten Beitrag diejenigen nehmen, die sicher so begeistert waren, dass sie jetzt beim SPON – beim SPON!!1!!elf!!! mal den alten Herren so richtig die Meinung geigen können, und dann schauen, was sie so jenseits der DJS selbst, allein, als “Marke” an “Medienmarken” auf die Beine gestellt haben, “dass das Verständnis von Journalismus im Netz, sowohl das technische als auch das redaktionelle”, sehr wohl Einzug in neue deutsche Journalisteneliten gehalten hat. Das kann angesichts des Drucks, unter dem sie stehen, nicht allzu viel sein: Ein bisserl Facebook, ein bisserl Prekariat, ein paar mässig gefolgte Twitteraccounts, kein gut laufendes Themenblog, keine nachhaltige, eigenständige Internetleistung, bei der man sagen würde: Das ist sie, die neue Elite. Keine Leistung, nur Anspruch. So könnte – und sollte ich wohl – jetzt den Konflikt weiter drehen, wie der Spiegel das auch gern mit den Scheingegegnern Fleischhauer und Aust macht. Und so könnte man sich in der nächsten Stufe der Eskalation hinstellen und sagen, da regt sich die verknöcherte FAZ mal wieder mächtig auf, getroffene Hunde bellen, aber wir kennen die Zukunft: KAUFT! UNSERE!!! APP!!!!! (falls wir sie vielleicht doch machen wollen für many $$$$$$$$$)
Aber was soll ich sagen, mit 25 dachte ich noch nicht einmal daran, dass ich mal einer geregelten Arbeit, gar einer in so einer mich antwitternden Gesellschaft, nachgehen würde. So ist das eben, wenn man jung und noch nicht durch die Hölle gegangen ist. Es wird diese jungen Leute ein radikal an marktwirtschaftlichen Zwängen orientiertes Berufsumfeld erwarten, und es wird keine Rolle spielen, ob sie sich in die Medien, die Werbung, die PR oder in das bezahlte Schreiben für Konzerne retten. Keiner gibt dort etwas auf solche Phrasen, weil alle sie so äussern, die schlecht bezahlten Schreibknechte nicht weniger als die Zyniker, die vom Vertrieb durch solche Apps den Rahm abschöpfen – von der Huffington Post lernen heisst siegen lernen. Und es wird ihnen immer ein Don Alphonso mit seinem feinen Leben am Tegernsee vor die Nase gehalten, der standalone bloggen kann oder wo auch immer, weil er schon eine dieser ominösen Marken des Internets ist. Ich halte diese Überlegung übrigens für vollkommen falsch, der Leser will vielleicht mal ein paar Marken, aber ansonsten nicht von persönlichen Befindlichkeiten hungriger Mitzwanziger genervt werden. Vor den Toren der Zeitungen antichambrieren Berliner Nudelfreunde und abgebrochene Bootsvermieter, wütende Trolle und Absolventen der DJS, um hier eine Marke werden zu können. Wozu?
Den jungen Leuten beim Spiegel bzw. bald wieder im Englischen Garten möchte ich sagen: Ein paar Marken wird man neben dem verheizten Fussvolk wirklich brauchen. Dann müsst Ihr aber mehr machen als bisher. Enorm viel mehr. Seinen Namen mal von Herrn Schnibbens Gnaden bei SPON zu lesen, weil der billiges Kanonenfutter braucht, ist – nichts. Es gibt welche, die wird man immer kennen und brauchen, und wenn Ihr nur wartet, dass man Euch redaktionsintern fördert, werdet ihr diese Persönlichkeiten nicht sein. Nutzt selbst die Möglichkeiten. Runtermachen kann jeder, Aufbauen nicht. Macht was, Blog, Tumblr, Playlists, VJ, Podcasts, macht es gross und macht Euer Ding. Sonst wird Euer Ding so sein wie die Vorstellungen von Frau Jäkel, die ihre Redaktionen knallhart vor die Wahl stellt: Arbeiten in Hamburg oder Arbeitslos sein in München. Geht nicht meinen Weg, denn dazu fehlt Euch die Erfahrung der New Economy. Geht nicht den Weg von Herrn Schnibben oder was auch immer man Euch erzählt.
Geht Euren eigenen Weg. Fangt jetzt an. Bei Null. Mit Eurem eigenen Ding. Im Netz, das ihr kennt. Macht etwas, das mich anspricht, das besser ist als das, was ich sonst sehe, dann renne ich herum und schreie, was für einen tollen Autor ich da im Netz gefunden haben und den will ich hier sofort als Gastautor im Blog sehen. Es gibt einen Markt für Euch, wenn ihr gut seid im Aufbauen von Themen und Sichtweisen, die sonst niemand hat.