Deus ex Machina

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Über Gott und die WWWelt

Gesellschaftliche Profite aus dem Bitcoin-Debakel

Die Bitcoin-Erkenntnis kostete viele Millionen: Nur weil eine Währung "krypto" ist, ist sie noch lange nicht sicher. Digitales Geld ist für Kunden und Firmen hochriskant und vorerst ohne Zukunft.

Nicht immer wiederholt sich die Geschichte als Farce:, manchmal geht die Farce auch den Drama voran: 2006 verkündete die Frau hinter “Anshe Chung“, einem Avatar beim Rollenspiel “Second Life”, im Spiel den Gegenwert einer Million Doller erwirtschaftet zu haben. Es begann ein sagenhafter Hype, die Firma der frischgebackenen Millionärin verkündete Prognosen, sie wolle in 5 Jahren zu den Fortune 500 gehören, das Spiel und der Avatar schafften es in die Medien. Bis dann 2007 Ginko Financial, eine Art Bank innerhalb von Second Life, spektakulär zusammenbrach und die virtuellen Währung des Spiels – die Linden Dollar – mitsamt dem Wirtschaftssystem diskreditierte. Damit war dann auch der Medienzirkus um Second Life vorbei. Kurz darauf brach zudem die allgemeine Finanzkrise aus, und das mag erklären, wieso so wenig von Linden Dollars die Rede ist, wenn momentan wieder über eine andere virtuelle Währung gesprochen wird: Bitcoins.

Dabei ähneln sich beide Währungen in ihrer Geschichte. Lange Zeit waren sie nur etwas für Insider, die Masse der Kunden erfuhr davon erst, wie man im 19. Jahrhundert von den Goldräuschen erfuhr: Als die ersten Millionäre die Titelseiten zierten, und Texte erschienen, die darin durchaus lohnende Investitionsmöglichkeiten sahen. Besonderes Schmankerl: 2007 durfte der CEO von “Anshe Chung Studios” seine Visionen beim DLD in München verkünden, jetzt, 2014, war es der Gründer der Bitcoin Exchange Berlin, der schon anderweitig bekannt gewordene Aaron König – Zyniker würden sagen: Kommt ein Trend nach München, weiss man, er ist vorbei. Solche Auftritte sind Kontraindikatoren, dass der Hype seinen Höhepunkt schon überschritten hat, und sich unter den Füssen der Investoren das blanke Nichts auftut. Und tatsächlich kenne ich einige Leute, die bei der 371 Millionen Euro schweren Insolvenz der Bitcoin-Bank Mt.Gox echtes Geld verloren haben; mal mehr, mal weniger, aber immer ärgerlich.

Dass Bitcoins trotz der zu Tage getretenen Schwächen und der volatilen Kursentwicklung noch nicht in einem virtuellen Bank Run zugrunde gegangen sind, mag an Stützungskäufen liegen – tatsächlich sollte jeder Hacker, der eine Bitcoinbank ausgenommen hat, das gegenläufige Interesse haben und alles dafür tun, dass sein frisch geraubtes Geld nicht gleich wieder wertlos ist. Es mag auch daran liegen, dass manche nach Preiskorrekturen sofort wieder in solche spekulativen Anlagen einsteigen, oder auch daran, dass angesichts immer neuer Enthüllungen über Währungs- und Zinsmanipulationen das Vertrauen in “echtes Geld” bei den echten Fans dieser Währung trotz aller Probleme immer noch gross ist. Belegen kann man solche Vermutungen nicht, de facto sind Bitcoins eine Form des unregulierten, grauen Kapitalmarktes, und die Kombination aus scheinbar absoluter Sicherheit durch Computerberechnung der Währung und Intransparenz der eigentlichen Vorgänge macht für viele auch den Reiz der Zockerei aus.

Der besondere Reiz der Bitcoins – und sicher auch ein Grund für 6500% “Wert”-Zuwachs im Jahr 2013 – waren jedoch die Erfahrungen mit anderen Anlageformen, auf die Anhänger der Währung gern verweisen: Lehman-Zertifikate, Bankkonten in Zypern, die zur Bankenrettung verpfändeten Rentenansprüche in Irland, gewisse Dubai-Fonds, die plötzlich nicht mehr gedeckt waren, Bernie Maddoff, die Aktien diverser Solarfirmen und einige der zwischenzeitlich so beliebten Mittelstandsanleihen, auch sie haben sich trotz Banken oder gar Staaten im Hintergrund als nicht sicher erwiesen. Im Deutschen fällt von Bitcoin-Befürwortern oft der Begiff “Scheingeld” oder gar “Betrugsgeld” angesichts des Umstandes, dass Geld in unseren Zeiten nur noch zu geringem Teil mit Gold und ansonsten vor allem mit Vertrauen hinterlegt ist; ein Vertrauen, das sich nicht fundamental von jenem unterscheidet, das anhand von schönen Begriffen wie “Cryptowährung” auch nach den Bankenpleiten wächst.

Bekanntlich ist aber kein Gaul so tot, dass man ihn nicht weiter reiten könnte, und viele, die noch vor Kurzem Bitcoins hochschrieben, raunen heute, dass bald mit Unterstützung grosser Internetfirmen der nächste Versuch unternommen werden könnte. Ein Beispiel dafür sind die jüngst auch in Europa eingeführten Amazon Coins. Die geben zwar vor, eine Währung zu sein, sind aber vom Kurs her fest an den Dollar geknüpft und entsprechen in ihrer Funktionsweise eindeutig einer Guthabenkarte – wobei Amazon erhebliche Transaktionsgebühren verlangt und nicht verwendete Coins auch nicht in echte Währung zurücktauscht. Der Verdacht liegt nicht ganz fern, dass Amazon hier einfach auf den Bitcoin-Hype aufspringen wollte, ohne die Risiken und Regularien einer echten Parallelwährung zu tragen. Eine ähnlich traditionelle Idee hatte schon Microsoft für seine Spieleplattform – und dann bald mit der Einstellung der “Währung” zugegeben, dass der Mehrwert für die Nutzer nicht erkennbar ist.

Bliebe noch das oft genannte Google, eine Firma, die mit ihrem Wert, ihren Einnahmen und ihrer globalen Bedeutung tatsächlich das Potenzial hätte, eine virtuelle Währung auf breiter Basis durchzusetzen. Im Gegensatz zu Bitcoins könnte Google zumindest den Schwachpunkt der fehlenden Einlagensicherung umgehen, und generell erscheint der Konzern vertrauenswürdiger als die Legenden, die sich um die Entstehung von Bitcoins ranken. Allein – Google hatte diese Idee schon, und hat auch eine ähnliche Währung wie Bitcoins entwickelt, nur um dann schon vor über zwei Jahren festzustellen, dass die rechtlichen Hürden viel zu hoch sind. Bitcoins sind eine Abmachung zwischen anonymen Personen ohne Zentrale, die man rechtlich einfach belangen könnte. Google dagegen ist eine Firma, die sich damit in hochsensible Bereiche und eigentlich staatliche Aufgaben einmischen würde, ohne damit mehr als das wenig lukrative Geschäft mit dem Zahlungsverkehr zu erhalten. Und ob Google wirklich noch die paar Daten zur Geschäftsabwicklung braucht, wenn es ohnehin schon weiss, was wir morgen zu welchem Preis kaufen werden, kann man auch dahingestellt sein lassen.

Aber selbst wenn sich Google in das Haifischbecken der Banken wagen würde: Das bestechend Schöne am Bitcoin-Ansatz ist für die libertären Freunde der Cryptowährung die Entkoppelung von den Volkswirtschaften, die in ihren Augen oft genug sozialistische und dem Untergang geweihte Planwirtschaften sind. Jede organisierende Instanz wäre dem Einfluss dieser Staaten und ihrer Entwicklung ausgesetzt, angefangen bei der Steuer über die gesetzlich vorgeschriebene Aufsicht bis hin zu jenen brutalen Eingriffen mit Notenpresse und kalter Enteignung, mit denen sich real realsozialistische Staaten nun mal zu retten belieben, wenn es ihnen geraten scheint.

Möglicherweise schaffen die Bitcoins darüber doch einen gesellschaftlichen Mehrwert: Die ideologisch bewegten Propagandisten einer Parallelwährung ohne Staat können ihren Traum noch eine Weile leben, solange die verbliebenen Beteiligten Anstrengungen erkennen lassen, die in die Krise geratene Währung zu stabilisieren. Viele Spekulanten und Journalisten haben sich angesichts der horrenden Verluste die Finger verbrannt, weshalb die Währung so schnell medial beerdigt wird, wie seinerzeit die Geschäftsmodelle in Second Life. Und für die grosse Masse der normalen Kunden tut sich nach dem Debakel so schnell kein zweiter Versuch eines derartigen Crypto-Ponzi-Shemes auf, weder libertär ohne Zentralgewalt noch durch eine bekannte Firma, die sehr genau zwischen Nutzen und Risiken derartiger Projekte unterscheiden muss.

Meine Prognose ist, dass all die grossen Netzkonzerne und Banken nach der NSA- und Finanzkrise zu viele eigene Probleme mit den Staaten haben, als dass sie für die lausigen Pfennige des kleinen Zahlungsverkehrs im absoluten Kernbereich der Währungspolitik einen weiteren Kriegsschauplatz eröffnen wollen. Einfach, weil es sich nicht rentiert, und die Nachfrage nach dem Bitcoin-Debakel zu klein ist.

HINWEIS:

Es gibt auch eine nicht debakulöse Version des Beitrags im Kommentarblog.