Deus ex Machina

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Über Gott und die WWWelt

Hauptsache gegen Bayern: Wie man mit einer Graphik Meinung manipuliert

Die fünf unangenehmsten Arbeiten im Journalismus sind momentan:

Ronja von Rönne gegen die Angriffe eines wütenden Mobs verteidigen – Check
Die Haltung der Kirche in der Frage der Ehe für Alle respektieren – Check
Die europäische Asylpolitik im Mittelmeer unaufgeregt erklären
Die CSU für die Kosten des G7-Gipfels in Elmau verteidigen
Lobrede auf Sepp Blatter verfassen

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Auf geht es. Obwohl ich vermutlich der letzte Mensch in Bayern bin, der die CSU für die Monstrosität da oben in den Bergen, den Polizeiaufmarsch und die Einstellung zum protestierenden Bürger verteidigen würde – so werde ich jetzt doch das Wort für die CSU ergreifen. Und gegen viele Journalisten auf dem, was sie für die richtige Seite halten. Weil, wenn es gegen die CSU und Bayern geht, dann gibt es bei denen nur eine richtige Seite. Und nur so kann man den Erfolg dieses Tweets des Journalisten und Aktivisten Hakan Tanriverdi erklären: Der G7-Gipfel ist im Vergleich zur Flüchtlingsrettung und zum Umweltschutz in Bayern absurd teuer. So macht man in Zeitalter von Twitter Meldungen und Meinungen.

Tanriverdi ist, ähnlich wie Anna-Mareike Krause, in seinen Onlineaktivitäten ein Zwitter zwischen dem, was man als Journalismus bezeichnet, und hartem Engagement für bestimme Haltungen. Als „seine“ Website gibt er kleinerdrei an, ein Projekt der Feministin Anne Wizorek, und bei der Süddeutschen Zeitung durfte er exklusiv von einer Sabotage des bei Feministinnen verhassten Julien Assange berichten. Boom Boom gehen seine Kanonen, sagt er. Was halbwegs objektive Berichterstattung ist, was Aktivismus – muss der Betrachter bei Tanriverdi, der Meinungsfreiheit in bestimmten Situationen auch schon mal als “verlogenes Ideal” bezeichnet, selbst entscheiden. Es ist keiner, bei dem ich einfach so auf den Retweet-Knopf drücken würde, aber das würde ich generell nicht tun, denn Nachdenken ist immer besser als Nachplappern. Das Besondere in diesem Fall nun ist, dass die Graphik nicht nur von vielen Journalisten verbreitet, sondern von einigen anderen Nutzern auch kritisch beäugt wurde – wegen der Balkenhöhe dieser schockierenden Nachricht, wie viel der Gipfel kostet, und wie wenig die Aktion Triton im Mittelmeer und die Ausgaben für Umweltschutz in Bayern.

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Ich habe mir die Mühe gemacht und im Original einmal nachgemessen: Bei den Balken Kosten für den Gipfel und für die Umwelt entspricht ein Pixel Höhe der Originalgraphik rund 390.000 Euro. Bei Balken für Triton sind es pro Pixel dagegen 460.000 Euro. Anders gesagt: Der Balken ist für die schockierende Wirkung der Graphik gerade richtig, aber für die schnöde Geometrie und die Wahrheit deutlich zu kurz. Er müsste fast 20 Prozent länger sein. Bei der Bild-Zeitung gehen Medienkritiker in solchen gar nicht seltenen Fällen gern von Manipulation aus. Bei einem Aktivisten wie Hakan Tanriverdi, der auf der Seite der Guten steht, höre ich schon den Aufschrei, wie ich mit solchen Petitessen kommen kann, wo doch auch ein etwas längerer Balken nichts am unfassbaren Skandal ändern würde.

Dem ist zu antworten, dass auch ich die Kosten des Gipfels für skandalös halte. Das macht aber die Fälschung überhaupt nicht besser. Vor allem nicht, weil die Aussage über den Gipfel das einzige ist, was an dieser Graphik wahr ist – der gesamte Rest ist eine dreist verfälscht. Das fängt schon mit den Kosten von „Triton“ an. Richtig ist, dass Triton mit Kosten von 2,9 Millionen monatlich begonnen wurde. Falsch ist aber, dass es im Ergebnis für dieses Jahr 35 Millionen sein werden. Im April nämlich wurden die Mittel nach den Katastrophen verdreifacht. Der Anlass mag hässlich gewesen sein und die Politik zynisch. Aber es ändert nichts daran, dass allein für das zweite Halbjahr 26 zusätzliche Millionen zur Verfügung stehen – und damit müsste der Balken fast doppelt so lang sein.

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Wegen Triton. Allein. Die Graphik behauptet zum gefälschten Balken und den falschen Zahlen „Was die EU für ein Jahr Operation Triton und damit für die Organisation der Rettung von Flüchtlingen aus dem Mittelmeer ausgibt“. Ganz offensichtlich versagen die Ersteller nicht nur bei den Grundrechenarten der Algebra und Geometrie, sondern auch in Geographie: Das Mittelmeer beginnt auf europäischer Seite in Griechenland und endet in Spanien. Triton ist allein für die Küsten gegenüber von Italien zuständig. Das Programm für Griechenland und die Kosten der dortigen Rettung haben den eigenen Namen Poseidon und eine eigene Kostenstelle. Das schreiben zumindest die knallroten Marxisten vom Neuen Deutschland, die mit zusätzlichen 18 Millionen zeigen, wie da mit der Graphik Meinung manipuliert wird. Besonders aber mit dem Text, der unterstellt, dass man ausser Triton in der EU nichts für die Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer tun würde – Kosten für Flüchtlinge, die jenseits der Aktionen gerettet werden, tauchen woanders auf.

Daneben kommt „was Bayen für Umwelt- und Naturschutz im Jahr 2015 ausgibt“: 110 Millionen. Angeblich. Das klingt nach enorm wenig und wer ein klein wenig Ahnung von Bayern hat, und nicht nur Vorurteile, der weiss: Das kann nicht stimmen. Niemals. Vom Wasserschutz über Renaturierung bis zur Weideprämie ist Umweltschutz ein Milliardengeschäft in diesem Bundesland. Die einzige Zahl, die halbwegs zu dieser Unwahrheit passt, findet sich im Haushaltsplan des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz: Dort werden allein für die Kernaufgaben des Ministeriums im Bereich „Besondere Fachaufgaben – Naturschutz, Erholung, Umweltschutz“ Ausgaben in Höhe von 114.660.000 Euro genannt.

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Das sind aber immer noch 4,66 Millionen mehr als bei Tanriverdi.

Und dann fehlen noch allein in diesem Ministerium die Ausgaben für das Bayerische Landesamt für Umwelt mit 62,982 Millionen, für die Bayerische Akademie für Umweltschutz und Landschafspflege mit 2,131 Millionen, und die Nationalparks Berchtesgaden und Bayerischer Wald mit 6,816 und 14,528 Millionen. 96 Millionen insgesamt. Was fehlt, sind alle Kosten bei den nachgeordneten Behörden bei Regierungsbezirken, Kreisen, Städten und Kommunen und Gemeinden, Gutachten, Massnahmen, Aktionen vor Ort – einfach alles. Es fehlen alle Ausgaben, die beim Landwirtschaftsministerium zu suchen sind – und zwar bitte in den aktuellen Haushaltsplänen, die im Internet stehen, und nicht in den Plänen von Anno Vierzehn unter dem Prinzregenten, wo sowas vielleicht noch hätte stehen können, ohne dass sich jemand wundert. Es fehlt so viel, dass der Balken für den Gipfel in Elmau dagegen kurz, sehr kurz wäre. Und zwar nur beim zuständigen Ministerium. Aber das passt halt nicht ins Konzept der Graphik. Die Graphik soll wirken, nicht verwundern. Da könnte ja einer kommen und denken.

Mit dem Wundern ist das ja so eine Sache und mit der Statistik eines Herrn SZ-Mitarbeiters bei Twitter ist das eine andere Sache und deshalb wird diese absurde Graphik und ihre aberwitzigen Unterschriften weit verbreitet. Über Bayern lacht man ja gern, nicht wahr, bei der SPD und beim NDR, beim ZDF und bei den Grünen, die es eigentlich besser wissen müssten, bei der Zeit, beim Spiegel und bei der Süddeutschen Zeitung ganz oben. So macht man heute Nachrichten, so bekommt man die Geschichte in die Medien. Herr Tanriverdi ist da in die beste Gesellschaft geraten, mit dieser Graphik. Nicht irgendwelche dummen Steineschmeisser verbreiten das, nein, hohe Herren der Medien zeigen damit, dass sie auf der richtigen Seite stehen. Ja, die CSU, man hat es immer gewusst, den Flüchtling lassen sie ertrinken und den Woiperdinger aussterben, aber in Elmau wird geprasst. So kennen sie uns Bayern, die hohen Herrschaften der Medien. Und wenn die CSU bei Flüchtlingen so lügen würde wie die Graphik, dann stünde es beim SPON ganz oben und der Herr Prantl tät zu München einen Leitartikel schreiben, dass es krachen tät bis auf Altötting hinauf.

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Diesmal aber täte er das nicht. Denn die Graphik hat der saubere Aktivist Tarniverdi gar nicht von Pro Asyl oder vom Bund Naturschutz, sondern aus einer mit dröhnenden Bildern unterlegten Multimediareportage der hochwohlangesehenen Süddeutschen Zeitung. Und sie schreibt dazu hin: „Quelle: Eigene Recherche.“ Mei Liaba. Haben die das an den Bayern Kurier ausgelagert?

Ich komm von hier. Ich bin von hier geboren. Meine Oma hat noch selbst den Prinzregenten gesehen und er hat gewunken – ein feiner Mann. Das ist lang vorbei und natürlich traut man der CSU heute alles Schlechte zu. Da haben wir noch nie nicht ein Kreuzerl hingemacht, bei denen. Mir sind nämlich liberal. Mir hier in Bayern sagen „Ned gschimpft is gnua globd“. Nicht geschimpft ist des Lobes genug, und generell finde ich, dass dieses Motto stets auf die Staatspartei anzuwenden ist.

Aber wenn die Marxisten unter mutmasslich Stalins Standbild in Berliner Ausland eine Wahrheit sagen und unsere eigenen knickrigen Buchhalter in den Ministerien eine andere, dann wird das schon so stimmen. Es gibt genug, was man an diesem Land und auch an dieser EU kritisieren kann. So, wie die SZ das macht, ist nicht gut. Es hilft nur den anderen, denn was soll man jetzt nach dieser Haderlumperei noch glauben, und beschädigt das eigene Ansehen. Und es hat mich gezwungen, gegen all die sauberen Herrn mit ihren Twitteraccounts die Stimme zu erheben. Für Frontex, für die Staatspartei. Wer mi gschtandna Bayan zu so wos zwingt, den soi da Blids beim Schhhh-h-

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-h -hoid. Heind is jo Feiadog. Fronleichnam. Heans des? Draussn singas. Da Erlösa, da Herr Jesus soid kemma. Und a Mo hoid dene oidn Weibal mim Wogal an Busch zruck, doss durchkemma. Des is fei ohnschdendig vo dem. Und auhwehzwick, do wead da Biagoadn voi sei. Do muass glei hi.

Überlegns Eana söibsd, wos vo dem Tahnriveadi Haggan und am Blächinga Schteffeh und seine Leid hoidn woin. I üwaleg ma deawei wos Neds iwan Blodda Sepp. Wei meineidiga ois wia de Graphik ko des ah ned sei. Fia dSiddeitsche weads scho langa.

EDIT:

Herr Tanriverdi empfindet das als “Hetze”, worauf ich natürlich gerne hinweise und zur Meinungsbildung empfehle, auch die anschliessende Debatte zu lesen. Die Grafik, sagt er, hätte ihn umgehauen. Man sieht also: Das Zeug wirkt. Und deshalb sollte man darüber reden, nachdem die SZ das Problem kannte und genug Zeit hatte, das in Ordnung zu bringen.