Die Älteren unter den Lesern werden sich vielleicht noch an das Märchen von Susi Sorglos aus der Otto-Show erinnern: Susi Sorglos sitzt zuhause und föhnt ihr Haar… mit einem Föhn. Und wie sie so dröhnt und föhnt, da sagt plötzlich jemand: “Hallo, hallo Susi!””He”, sagt Susi Sorglos, “He, wer spricht’n ‘a?” “Ich.””Wer is ich?” “Ich, dein Föhn.””Mein Föhn kann sprechen?” “Genaaau…””Das’ aber schön, mein lieber Föhn.” “Du, Susi?””Ja?” “Ich liebe dein goldenes Haa’! Ja, ja!””Wie schön du das sagst, mein lieber Föhn!” Und Susi Sorglos streicht sich durch ihr goldenes Haar.
Nun war im Januar eine große Computermesse in Las Vegas, und wenn man den Berichten von dort glaubt, dann nähern wir uns rasant dem Zeitpunkt, an dem solche Märchen wahr werden. Da rollt eine ganze Welle von smarten Gerätschaften auf uns zu, die mit uns in Dialog treten wollen. Ein Gastautor der Fachzeitschrift “Horizont” hat sich auf der Messe umgesehen und ganz erstaunliche Dinge gesichtet. Da gab es Duschköpfe, die mit Farbspielen signalisieren, wenn zuviel Wasser verbraucht wird, smarte Mülleimer, die beim richtigen Recyceln unterstützen und sogar Einkaufslisten erstellen können.
Ein klassischer Dauerbrenner bei solchen Veranstaltungen ist der intelligente Kühlschrank. Dank der sogenannten “FridgeCam” hat der Besitzer jederzeit und von überall aus den Durchblick, was sich in seinem Kühlschrank befindet. Was sich aus den vorhandenen Vorräten zum Abendessen zaubern lässt, verrät der Assistent “Smart Chef”, und natürlich behält der intelligente Kühlschrank auch den Überblick darüber, welche Lebensmittel noch wie lange verwendbar sind. Hier liegt der sprichwörtliche Hase im Pfeffer: Just dieser Tage vermeldete der WWF, dass allein in Deutschland jedes Jahr rund 18,4 Millionen Tonnen an Nahrung im Müll landen. Etwa zehn Millionen davon seien bereits heute vermeidbar – ohne den Einsatz neuer Technologien, wie eine WWF-Referentin Sprecherin in Berlin mitteilte.
Die Annahme, dass sich dieser Einspareffekt mit smarten Technologien noch weiter steigern lässt, scheint mir nicht allzu verwegen. Allerdings frage ich mich, wieviel Aufwand es erfordert, den gesamten Kühlschrank-Inhalt permanent zu inventarisieren. Klar, das System kann sicher Etiketten und Barcodes einlesen, aber was ist mit den Resten und ungelabelten Dingen, die ich in Tupperschüsseln packe? Was weiß der smarte Kühlschrank über eine Porreestange vom Wochenmarkt ohne RFID-Chip oder Barcode? Woher will der Kühlschrank wissen, wie lange ich den Rest vom Kartoffgelgratin maximal aufheben kann? Und dann haben wir über mein eigentliches hauswirtschaftliches Problem noch gar nicht gesprochen: Nicht einmal der tollste Mainframe-Großrechner könnte zuverlässig vorhersagen, ob meine Frau und meine Tochter auch tatsächlich Lust darauf haben, was der “smart chef” aus dem Vorhandenen so alles zaubern könnte. Egal, mit welchem Genuss ein Gericht gestern frisch gegessen wurde, wenn ich heute oder spätestens morgen die Reste servieren möchte, gibt es lange Gesichter.
Nicht totuzukriegen ist anscheinend auch die Vision vom Kühlschrank, der Bescheid gibt, wenn wichtige Dinge zur Neige gehen. So träumt der Horizont-Gastautor von einer Smart-Fridge-Handy-App, die weiß, dass er seine Milch in der Regel bei Rewe in der Müllerstrasse kauft und ihn daran erinnert, wenn er gerade um die Ecke ist. “Der smarte Kühlschrank kennt die Produkte, die sich Woche für Woche in ihm befinden und erstellt mir eine Einkaufsliste fürs Handy, sobald sie ausgehen.” Nun ja, ich sage nicht, dass so etwas völlig nutzlos wäre, aber ich für mein Teil habe das rechtzeitige Wiederauffüllen der Schnelldreher wie Butter, Milch, Fruchtaufstrich und dergleichen inzwischen so routinemäßig internalisiert, dass mir eine Umstellung der Planung auf die Kombination Smartphone/smarter Kühlschrank keine nennenswerten Effizienzgewinne verheißt.
Doch spätestens wenn eine smarte Haarbürste als der letzte Schrei gepriesen wird, langt sich unsereins an den Kopf. Was soll die denn können? “Meinen Haarwuchs und meine Haareigenschaften analysieren und direkt auf meinem Handy auswerten”, heißt es in dem “Horizont”-Messebericht. Wer’s braucht. Bei mir gibt es da nicht viel zu analysieren, die Haare wachsen so regelmäßig, dass ich alle vier bis sechs Wochen zum Friseur muss. Ich kann da nicht dran ziehen, dass sie schneller wachsen, und verlangsamen lässt sich der Vorgang auch nicht, also bitte, was soll ich mich mit meinem Handy darüber unterhalten? Nach einem Bericht von heise online steht es um die Sicherheit solcher “internet of things”-Gerätschaften ohnehin nicht zum besten. So waren kürzlich über eine Million IoT-Geräte wie z.B. IP-Kameras zu einem Botnet zusammengeschaltet, das mit einer DDOS-Attacke diverse US-Dienste lahmlegte. Nicht auszudenken, wenn sich Putins Schergen oder die Nordkoreaner in die smarte Haarbürste reinhacken und die Nutzer plötzlich alle Schuppen oder Spliss kriegen.
Aber wir wollen hier nicht schwarzmalen. Der Wunsch, mit Hilfe intelligenterer Gerätschaften ein besseres, ökologischeres und nachhaltigeres Leben zu führen und seine Verbesserungspotenziale auszuschöpfen, ist zutiefst menschlich. Und den Geräteherstellern und App-Programmierern ist kein Vorwurf daraus zu machen, dass sie dieses Bedürfnis befriedigen. Die Sorge der Politik scheint denn auch eher zu sein, Deutschland könnte hier den Zug der Zeit verpassen. So ließ die Bundeskanzlerin dieser Tage verlauten, übertriebener Datenschutz dürfe nicht dazu führen, dass Deutschland zu einer Art Entwicklungsland werde.
Diese Sorge muss man sich wohl eher nicht machen, wenn ich sehe, wer mittlerweile alles mit Fitness-Armbändern und Schrittzählern herumläuft und sein Radtraining mit Strava, Komoot & Co. dokumentiert. Wenn das virtuelle Bootcamp mit dem Druck von digitalen drill instructor wirklich die Welt ist, in der wir leben wollen, dann sollte uns keine Produktidee zu trivial oder abwegig sein. Dann her mit der smarten Klobürste, die anhand der Bremsspuren meine Ernährungs- und Verdauungsgewohnheiten analysiert und per Standleitung mit meinem Proktologen und mit meiner Krankenkasse kommuniziert. Dann brauchen wir auch smarte Kondome, welche die Klassiker-Frage “wie war ich?” objektiv und ohne falsche Rücksichtnahme beantworten. Der Performance-Auswertung sind da keine Grenzen gesetzt, und besonders smarte Verhüterli können dem Benutzer ja vielleicht eine SMS schicken, wenn die Partnerin gekommen ist. Susi Sorglos hätte da bestimmt auch ihren Spaß.