Es war einmal eine Zeit, als München leuchtete. Die Bewohner sassen in Cafes, und nur zweimal die Woche gab es einen Pflichttermin: Am Abend in der U-Bahn am Marienplatz. Dort wurden die ersten Exemplare der Zeitung ausgeliefert, die damals die Süddeutsche Zeitung war, und die noch niemand als Alpenprawda oder Prantlhausener Zeitung bezeichnete. Zweimal in der Woche wurden dort Wohnungskleinanzeigen veröffentlicht, und um die kam man nicht herum, wenn man nicht vermögende Eltern hatte, die einem eine Wohnung kauften. Man versuchte, so schnell wie möglich ein Exemplar zu ergattern, rannte zu den öffentlichen Telefonzellen – Mobiltelefone gab es damals noch nicht für normale Menschen – und rief dort an, wo kryptische, vom Zeilenpreis diktierte Anzeigen bezahlbaren Wohnraum versprachen. Etwa so:
Maxvorst. Theresienstr 1ZKBF gr. Fen. 2. St. 42m² EBK
Bestlage an NR WE-Hmf. 500+120NK 089 32 16 8 Rosi verl.
Denn in dieser schönen Stadt hatte damals das Handylaster und die Internetseuche noch keine Chance. Die SZ hatte ein freudiges Haus in der Sendlinger Strasse, verdiente blendend an der Wohnungsnot, und sah damals als Publikation der Vermögenden keinen Anlass, wie der Boulevard über zu hohe Mieten zu klagen. Der Weg zur gefühlten sozialen Gerechtigkeit kam erst mit der Abwanderung der Anzeigen ins Internet, und in der Folge mit den schlechten Erwerbsaussichten der schreibenden Zunft. Heute werden in der SZ nur noch opulente Neubauprojekte angeboten, der echte Mietmarkt hat sich ins Internet zu den üblichen Portalen verlagert.
Und das ist für alle Beteiligten ein Segen, denn das Schauspiel am Marienplatz war doch eher würdelos, und wer vermietete, stellte sich ohnehin erst einmal einen Tag lang tot, bis die Hektiker sich die Finger wundtelefoniert hatten und jene anriefen, die wirklich wussten, was sie wollten. Im Internet konnten sich Mieter schon vorab einen guten Eindruck machen, was da angeboten wurde, Besichtigungen waren gut organisiert, und es war bedeutend leichter, Vergleichsangebote anzuschauen. Es gibt Karten für die Lage und detaillierte Informationen. Vermieter mussten nicht mehr die SZ kaufen, um sich einen Überblick über den Markt zu verschaffen. Es stand schließlich alles frei und offen zugänglich im Internet. Man verglich Lage, Ausstattung und Preis, beobachtete, wie lange Wohnungen auf dem Markt waren, und passte den eigenen Preis grob dem Durchschnitt an. Das Internet sorgte für ein nie gekanntes Mass an Transparenz, und für einen Markt, der für alle Beteiligten immer verfügbar und verständlich war.
So war das bis zur sogenannten Mietpreisbremse der aktuellen Bundesregierung – und dem, was andere noch an Steuerungsmassnahmen einführen wollen, wie etwa ein Antidiskriminierungsbüro in Berlin, das es erschweren soll, das Privateigentum sozialen Gruppen zu verweigern, die nach Vermietererfahrung so wünschenswert wie ein Verbleib von Heiko Maas im Amte des Zensurministers sind. Im Kern behauptete die Regierung, das Gesetz würde für die Bürger die Mieten verbilligen während der Staat zu viel eingenommene Steuern großzügig für die Folgen der Migrationspolitik verteilt: Den Makler müssten Vermieter selbst bezahlen, der Mietspiegel dürfte nur geringfügig überschritten werden, ausgenommen seien nur Neubau und möblierte Wohnungen. Damit, so die Regierung, sei der Gentrifizierung ein Riegel vorgeschoben und die soziale Mischung der Quartiere bliebe erhalten. Würde man der Regierung glauben, müsste es jetzt im Internet fast so etwas wie einen Einheitspreis für Wohnraum geben, wie ihn der chaotisch programmierte und von einem Berliner Abiturjahrgangsbesten getextete Mietpreisrechner der Stadt vorgibt.
Allerdings schreibt die tz im leuchtenden München bei der Veröffentlichung des neuen Mietspiegels von einer alleinerziehenden Krankenschwester, der trotz hoher Ablöse durch den Vermieter nach dem Auszug in der Maxvorstadt die Obdachlosigkeit droht. Und außerdem passt sich die tz nicht den Fake News Behauptungen der Sozialreferentin an, die den Münchnern erklärt, alles sei gut und in der Maxvorstadt könnte man laut Mietspiegel für 13€/m² gut mieten: Die eigene Untersuchung der tz geht da von deutlich höheren Preisen aus, und ganz ehrlich: Ich als Vermieter erlebe das auch anders. Würde ich zu dem Tarif vermieten, den der Mietspiegel als Durchschnitt angibt, würde die Schlange der Interessenten einmal um den Mittleren Ring führen. Die brutale Wahrheit, die bei den kargen Immobilienangeboten im Internet bei den bevorzugten Wohnlagen der Stadt sichtbar wird, sagt etwas ganz anderes: Unter 20€//m² geht gar nichts.
Wie viel es wirklich ist, was angemessen ist, kann ich heute gar nicht mehr beurteilen. Das liegt daran, dass die Mietpreisbremse nicht funktioniert und obendrein den freien Markt im Internet zerstört hat. Viele Angebote sind nicht mehr im Netz, weil Vermieter gern zu Maklern gehen und sie fragen, ob sie vielleicht zahlende Interessenten für ihre Wohnung hätten – ein ganz normales Vorgehen, wenn man über das knappe Gut des Wohnraums verfügt, und den Makler zahlt dann der Mieter. Das sorgt dafür, dass viele der früheren Privatangebote verschwunden sind. Der Markt, der jetzt noch im Netz ist, wird massiv in höhere Regionen verzerrt. Schuld sind die Ausnahmeregelungen für Neubauten und möbliertes Wohnen: Da liegen die Quadratmeterpreise bei bis zum Dreifachen dessen, was im Mietspiegel steht. Daraus ist ein ganzer Geschäftszweig entstanden: Immobilienhaie kaufen beim aktuell niedrigen Zinssatz Wohnungen auf Kredit auch zu hohen Preisen, entziehen sie damit dem freien Markt, möblieren sie, und finden bei den internationalen Firmen genug Kundschaft, die bereit ist, für ihre eigenen High Potentials ein paar hundert Euro mehr hinzulegen, die dann wiederum steuerlich optimierend wirksam sind.
Das bekomme auch ich voll ab, weil ich vor 7 Jahren einmal eine Wohnung frei angeboten habe – seitdem werde ich immer wieder angefragt, ob ich nicht doch verkaufen möchte, die Kunden stünden Schlange und der Preis sei egal. Die Firmen, die auf diese Art und Weise die besten Lagen Münchens leerkaufen, sorgen damit für ein vermindertes Angebot beim Wohnungskauf und weiter steigende Preise: Sie tilgen die Zinsen ihrer Kredite durch die Miete und verdienen an der von ihnen selbst erzeugten Preissteigerung. Und die Mieter sind auf sie angewiesen, weil es kaum Alternativen gibt. Die Hälfte der Wohnungen in meinem alten Heimatviertel werden heute möbliert angeboten. Für nicht unter 1000 Euro für die 1-Zimmer-Wohnung.
So, und nun komme ich als Privatvermieter und sehe, dass in Zeiten der angeblichen Mietpreisbremse die Mieten nicht wie früher um 10, 20% schwanken, sondern um 80%. Es gibt viele Ausreisser nach oben und einen sehr, sehr engen Markt mit wenig Angeboten. Früher war es leicht, einen angemessenen Preis zu finden – heute ist in der Wohnung eine Einbauküche, und ich lasse gerade die Sanitäranlagen neu machen. Für 3000 Euro bekäme man dazu eine erstklassige Inneneinrichtung, die sich durch die höhere Miete nach einem halben Jahr amortisiert hat: Finden Sie mal einen Geschäftszweig, in dem es legal ist, Billiges so teuer zu vermieten. Dank des Schlupflochs der Regierung gibt nun Gelegenheit zur Bereicherung an Möbeln, die ihresgleichen sucht, und gleichzeitig Mieten und Kaufpreise nach oben treibt. Und weil das Angebot an bezahlbaren Wohnungen noch geringer wird, wird sich auch niemand beschweren, wenn die Mietpreisbremsbestimmungen in der Realität keine Rolle spielen. Früher bestimmten Angebot und Nachfrage den Preis, heute sind es knapperes Angebot, Nachfrage und Geschäfte, die jenseits des freien Marktes laufen.
Das Internet, das einmal wirklich eine Hilfe war, ist jetzt nur noch ein Müllhalde weit auseinander gehender Qualität und Preisvorstellungen. Wohnungen werden, das wird mir von allen Seiten berichtet, wie früher wieder über Intranet der Firmen und Freundeskreise gesucht. Wer gar nicht anders kann, zahlt entweder zähneknirschend mehr, oder weicht aus in weniger gute Gegenden, wo er auch preissteigernd wirkt: Was heute in den A-Lagen üblich ist, wird sich in den nächsten Jahren sicher in den B-Lagen wiederholen, solange die Zinsen so niedrig und das möblierte Wohnen so teuer ist. Dass es so ist, und die Mietpreisbremse an ihren internen Fehlern scheitern muss, ist bei den Onlineportalen sichtbar. Es ist schwer, einen fairen Preis zu ermitteln. Das passiert eben, wenn pseudosozialistische Methoden gegen Märkte in Stellung gebracht werden. Warum sollte es in München anders als in Venezuela laufen?
Für die Mieter ist es natürlich unschön. Schuld sind aber nicht die Vermieter, die auch schauen müssen, wie das Kind sein Schulbrot und der Porsche seinen vollen Tank bekommt. Schuld sind vor allem die Politiker, die lieber Märkte manipulieren und andere für ihre eigenen Fehler zahlen lassen wollen. Der Drang in die Städte ist seit 20 Jahren kein Geheimnis mehr, man konnte das im Internet problemlos nachlesen. Jetzt gibt es viel zu wenig Wohnraum in den beliebten Ballungsgebieten und eine gute Million Migranten, von denen die Mehrheit auch dort unterkommen will. Gesetze wie die Mietpreisbremse schaffen weder mehr noch billigere Wohnungen. Sie schaffen es lediglich, die Märkte zu fragmentieren, und verleiten Marktteilnehmer dazu, der Gängelung auszuweichen. In meinem alten Viertel jedenfalls kann sich kein Student mehr eine Wohnung leisten, nachdem die Heuschrecken mit Hilfe der politischen Möglichkeiten Studentenbuden in möblierte Businessapartments für die globale, mobile Élite umgestaltet und den altbekannten Mietmarkt im Internet ausgetrocknet haben.