Die Empörung trieft aus den Zeilen von Jezebel, einer Seite aus dem untergegangenen Gawker-Imperium, die soziale Anliegen, Entertainment, Sonderangebote für in Fernost genähte Kleidung, angeblich “Sex” und Karrieretipps für die Sorte Frau bringt, die sich diese derartige Kombination aus Konsum, Eigeninteresse und Empörung interessiert. Jezebel kann sich nur schlecht damit abfinden, dass ihre Partnerseite Defamer schon vor Jahren ein ganzes Dossier übelster Schmuddelgeschichten über Kevin Spacey aus Hörensagen und Aufforderung zur Denunziation zusammen getragen hat. Die Berichte verpufften damals aber ohne jeden Skandal. Gawker jedoch rutschte wegen einer ähnlichen Dreckschleuderei gegen Hulk Hogan in die Insolvenz. Gawker hatte viel Material, aber zum falschen Zeitpunkt
Und jetzt war es die direkte und ähnlich seriöse Konkurrenz von Buzzfeed, die im Rahmen des Weinstein-Skandals Spacey zu Fall brachte. Denn Defamer hatte zwar den ganzen aktuellen Schmuddel aus zweiter Hand, aber Buzzfeed die 33 Jahre zurück liegende Geschichte, dass Spacey einen Kollegen, der damals 14 Jahre alt war, sexuell belästigt haben soll. Spacey verscherzte sich zudem viele Sympathien bei Schwulen und Minderheitenaktivisten, als er in einem Statement neben Erinnerungslücken die Neuigkeit seiner eigenen Homosexualität ins Feld führte. Die Verbindung von Missbrauch an Minderjährigen und Coming Out ist nicht wirklich ideal für Leute, die alles Schlechte im Patriarchat des alten, weissen, heterosexuellen Mann erkennen wollen, und nun im laufenden Skandal schon wieder eingestehen müssten, dass es fragwürdiges Verhalten auch bei den ansonsten immer als Opfer dargestellten Minderheiten gibt. Entsprechend wurde die Erklärung des Senders Netflix, wegen der Vorwürfe die Serie House of Cards zu beenden, auch von jenen zustimmend zur Kenntnis genommen, die diese Dystopie der amerikanischen Politik gelobt hatten.
Während inzwischen schon darüber spekuliert wird, wann und durch wen der Weinstein-Skandal eine Wendung hin zum Pädophilieskandal nimmt, und zum Problem für das System Hollywood an sich werden kann, gibt es aber auch noch kleinere Opfer der bisher bekannt gewordenen Vorwürfe. Es sind tatsächlich Opfer, also auf den ersten Blick Unbeteiligte, die eigentlich nur ihren Job gemacht haben, aber offensichtlich nicht gut genug. Denn Variety gelangte in den Besitz einer Email des Medienkonzerns Buzzfeed, die an die Mitarbeiter verschickt wurde, bevor das Portal mit den Vorwürfen gegen Spacey an die Öffentlichkeit ging. Und diese Mail sagt vieles über das neue Denken in der schönen, neuen Internet-Medienwelt:
Over the past few years, the BuzzFeed News Entertainment team has worked diligently to keep us up to date on the latest in TV, movies, and celebrity and industry news, delight us with smart takes on the latest in Hollywood, and keep us primed on what shows we should — or should not — be spending our time watching.
But, as we’ve seen since the election — and in entertainment stories like our great R. Kelly coverage and most of all the Weinstein scandal — the crucial stories sit at the intersection of entertainment, culture, politics and media. The holes in our Weinstein coverage made clear that we needed to change the way we cover entertainment to put ourselves in a position to tell great stories. Our audience wants to see how changing social norms, gender dynamics, and political issues are being reflected in their culture and entertainment
Buzzfeed gehört zwar zu den am schwersten betroffenen Portalen auf der Liste der Shitty Media Men, die der Kundige mittlerweile bei Reddit herunterladen und einsehen kann – die Firma ist also nicht nur Stimme im Chor der Empörten, sie hat teilweise recht weit oben in der Hierarchie Klärungsbedarf. Jedenfalls war Buzzfeed in den ersten Wochen des Skandals zumeist lediglich Nacherzähler dessen, was andere schon veröffentlicht hatten., während die in der Mail erwähnte Geschichte über den Rapper R. Kelly und seine Beziehungen zu Frauen einige Wochen davor nicht für das gewünschte Aufsehen gesorgt hatte. Wie schon Gawker musste Buzzfeed hier erfahren, dass es nicht nur auf den Inhalt ankommt, sondern auch auf den richtigen Zeitpunkt und den Umfang der moralischen Empörung. Sexskandale gibt es schließlich immer wieder, aber nur wenige haben globalen Aktivismus zur Folge.
Buzzfeed jedenfalls reagiert auf die selbst erkannten Fehlstellen in der Berichterstattung mit der Entlassung dreier hochrangiger Mitarbeiter in der Führungsriege des Entertainmentbereichs und führt eine völlig neue Struktur ein. Wichtigster Punkt ist eine neue Abteilung, die sich offensichtlich den Kernanliegen der Social Justice Warriors, auch bekannt als Snowflakes, widmen soll:
Moving forward, we’ll be splitting our entertainment reporting into three distinct areas: one team, which will report into Kovie Biakolo, will be dedicated to in-depth reporting and analysis of the entertainment industry — honing in on cultural conversations like those about race and gender issues in Hollywood and helping us and our audience navigate what’s worth our time
Die Karriere der aus Nigeria stammenden und in New York lebenden Autorin an die Spitze eines wichtigen Teams bei Buzzfeed ist erstaunlich – es gibt von ihr bei Buzzfeed, wo die Mitarbeiter zur Textmassenproduktion angehalten werden, lediglich 5 Beiträge Bei Twitter hat sie in Zeiten ihrer Beförderung gleich einmal ihre Einstellung zu Männern dokumentiert:
Und – alles andere als selbstverständlich für den Ruf als seichte Kätzchenplattform, den Buzzfeed immer noch geniesst – ihre Beiträge werden auch auf der linkslastigen Plattform Alternet vorgestellt, Wie etwa ein typisches Stück eben jener zum Minderheitenrassismus fortentwickelten Identitätspolitik, die als ein Hauptgrund für das schlechte Abschneiden der Demokraten bei ihren herkömmlichen Wählern aus der weissen Arbeiterschicht gilt. Biakolo steht für eine radikale Einstellung, die eineinhalb Monate vor der alles entscheidenden Wahl Rassismus erkennt, wenn Weisse “kulturelle Aneignung” etwa in der Übernahme der Rezepte anderer Weltregionen begehen. Diese elitäre Denkweise, in der das weisse Patriarchat als Kern alles Übels ausgemacht wird, hat bekanntlich nicht ganz gegen Donald Trump gewinnen können, der so herkömmliche Themen wie Wirtschaft, Arbeit, Wohlstand und Verachtung für eben jene Eliten ins Zentrum seines Wahlkampfes stellte. Jetzt lässt Buzzfeed diese Autorin auf Hollywood und den Entertainment-Bereich los, der auf eine eher traditionelle und um Mehrheiten bedachte Weise auf Seiten der Demokraten stand. Biakolo soll mehr Veränderungen in den Bereichen Gender und Minderheiten fördern und den Lesern nahe bringen.
Und an Kevin Spacey hat Buzzfeed gleich einmal ein Exempel statuiert, wie man sich das weitere Vorgehen vorstellt. Die Unterhaltungsindustrie, die es vor allem auf die jungen Konsumenten von Buzzfeed abgesehen hat, wird es nicht einfach haben, wenn dort an der Spitze ideologische Vorstellungen herrschen, nach denen grosse Teile der bisherigen Tätigkeiten den moralischen Ansprüchen nicht genügen. Mit Spacey hat es übrigens nach Weinstein erneut einen persönlichen Freund der Clintons erwischt – dass Biakolo nicht zu viel von den traditionellen Demokraten im Allgemeinen und auch nicht von Clinton im Besonderen hält, hat sie bei ihrer früheren Plattform Thougt Catalog gezeigt, die noch mehr als Buzzfeed die sogenannten “Progressiven” fördert.
Die Kluft, die durch das amerikanische Kulturleben geht, wird durch solche strategischen Personalentscheidungen sicher nicht kleiner. Auf der einen Seite sind da Empörungsportale wie Buzzfeed, Jezebel oder Vice mit Broadley, die alle ihre Stunde gekommen sehen und den Skandal ohne Rücksicht auf Überprüfung der Anklagen am Laufen halten. Auf der anderen Seite freuen sich Breitbart und konservative Medien über das Massensterben der Clintonanhänger in Medien und Kulturbetrieb. Und Hollywood muss irgendwie zwischen den wütenden Rufen nach Aufklärung, den kulturrevolutionären Säuberungswünschen der Linksradikalen und dem Massengeschmack des oft genug Trump wählenden Publikums durchlavieren. Buzzfeed hat jedenfalls eine klare Richtungsentscheidung gegen “White Privilege”getroffen und sich ideologisch weit links positioniert.
Zumindest inhaltlich. Davon unberührt sind natürlich die Pläne, den Konzern im kommenden Jahr an die Börse und an alte, weisse, privilegierte Männer zu bringen. Dort jedoch hat Buzzfeed ein gewisses Problem: Das Wachstum der Plattform ist nicht so gut wie erhofft, und die Firma schreibt immer noch massive Verluste. In manchen Ländern wie Deutschland stockt die globale Expansion, und neue Geschäftsfelder wie simple Videos mit einfachsten Gerichten sind von anderen leicht kopierbar. Auch der schönste Skandal ernährt niemanden, wenn die Werbemaschine dahinter kein Geld abwirft. Buzzfeed und Co. sind da weiterhin massiv von der Gunst und den Netzwerkeffekten der grossen Techkonzerne Facebook und Google abhängig, deren Plattformen sie zur Verbreitung ihrer Inhalte benutzen. Hollywoods Schauspieler mögen eine fragwürdige Vergangenheit nach heutigen Moralvorstellungen haben. Die Zukunft der Jugendportale, die die Empörung darüber zum Geschäftsmodell machen wollen, ist aber auch kaum sicherer.
Das illustriert unfreiwillig aktuell übrigens auch das Schicksal der Teen Vogue, die während der letzten Jahre verstärkt auf Gender-Themen und intersektionellen Feminismus setzte – und jetzt mangels Erfolg eingestellt wird. Betroffen davon ist übrigens auch die oben verlinkte Lauren “male consequences” Duca.