Deus ex Machina

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10 Dinge, die man über Trump nicht mehr schreiben muss

Auch ich bin Mediennutzer. Als solcher möchte klug und umfassend aufgeklärt werden, mit Charme und Esprit und Leidenschaft. Ich möchte wissen, welche politischen Entscheidungen getroffen werden, und welche Auswirkungen sie auf mich haben. Was mich dagegen, ehrlich gesagt, mit grösstem Respekt natürlich, weniger interessiert, weil ich es nun schon seit über zwei Jahren sehr nachdrücklich gesagt bekomme: Dass die meisten Medien Trump nicht leiden können und ihm weder verzeihen, dass er die Kandidatur der Republikaner gewonnen hat, noch dass er Hillary Clinton schlug. Und das, obwohl alle Medien, speziell die deutschen Redaktionen, ihr Möglichstes getan haben, das zu verhindern. Ich möchte eine Absolution erteilen, bevor ich mich weiter einlasse: An den deutschen Medien lag es nicht.sie haben alles getan, mehr kann man nicht tun. Und deshalb kann man langsam auch wieder aufhören. Gelassenheit möchte ich raten. Contenance. Eine gute Tasse Tee. Und ein paar Einsichten, was mich, den Leser, den Kunden, inzwischen hin und wieder genervt seufzen lässt. Ich meine es nur gut.

Ich darf daher hier exemplarisch 10 Themen ansprechen, die in Wirklichkeit keine sind, und nur vorgebracht werden, weil man den Lesern beweisen will, wie recht man doch in den letzten Jahren hatte:

1. Melanias Weihnachtsdekoration. Ja, sie ist üppig, aber immer noch schöner als das, was der deutsche Journalist bei seinem Januartrip auf Malle zu sehen bekommt. Amerikaner mögen es gross und üppig und märchenhaft, wenn die Wirtschaft durch Scheinkonjunktur brummt. Get over it.

2. Trumps Gebiss. Keine Ahnung, ob er eines hat, aber Atombomben ist es egal, ob der Marschbefehl über echte oder falsche Zähne kommt. Wir haben genug Politiker mit falschem Kopfhaar oder gar falschen Versprechungen, mit ihnen werde es keine Vorratsdatenspeicherung geben. Get over it. Besonders, wenn die gleichen Journalisten empört sind, wenn Trump ebenso Leute wegen körperlicher Gebrechen demütigt. Und ja, seine Anzüge sitzen schlecht. Ich denke mir auch immer: Wie ein Journalist.

3. Trumps Verhältnis zu den Medien. Trump sagt nur das offen über Twitter, wozu andere Politiker Heerscharen von Anwälten, PR-Agenturen und Regimesender betreiben. Jeder Politiker fühlt sich schlecht dargestellt, jeder sieht sich von Fake News verfolgt. Vielleicht fühlt sich sogar Frau Merkel von der ARD nicht freundlich genug behandelt. Get over it.

4. Trumps Weigerungen, sich nach der Presse zu richten. Weil er beispielsweise Roy Moore die Treue hält, obwohl die gesamten amerikanischen Medien alles getan haben, damit sich angebliche Opfer seiner Untaten melden.  Die wichtigste Zeugin musste gerade zugeben, dass sie einen scheinbaren Beweis, der durch die Weltpresse ging, manipuliert hat. Get over it. Es nervt, wenn sich Medien und Präsident unwürdig beharken, wer ehrloser ist.

5. Trunps Geisteszustand. Trump war eigentlich gegen diesen Kandidaten Roy Moore, hat sich dann aber hinter ihn gestellt – im Gegensatz zu vielen in seiner Partei. Und wie man sieht, gewinnt er in Alabama vermutlich damit, während die Demokraten ihre Senatoren auch bei fragwürdigen Vorwürfen reihenweise zum Rücktritt nötigen. Trump mag erratisch wirken, er ist ein Hasardeur, ein verbissener Kämpfer, der stur weiter macht – aber er geht damit bislang nicht unter, er hat bislang Erfolg damit. Get over it.

6. Trumps Impeachmnent. Dazu gibt es bei New Republic  einen phantastischen und weit verbreiteten Beitrag mit dem Resümee: Impeachment klingt einfach, wird aber nicht passieren, get over it und setzt auf politische Arbeit. Die Leute, auch die Demokraten, mögen den Beitrag vielleicht auch, weil er sich wohltuend von den “Lock him up”-Wünschen absetzt, Trump vor dem Gericht der Weltpresse zu sehen.

7. Trumps Neigung, Dinge zu tun: Es mag seltsam erscheinen, dass Trump Dinge tut, die er vorher auch angekündigt hat. Das ist für westliche Politiker atypisch, die gemeinhin immer warten, bis ihre Reaktionen alternativlos sind. Präsident Obama hätte auch Dinge tun können, wie etwa das Verbot von Schnellfeuerwaffen: Er hat aber die kulturellen Konflikte lieber ausgesessen und moderiert, von denen Trump zeigt, dass man sie auf der anderen Seite gewinnen kann. Get over it.

8. Was Promis über Trump sagen. Harvey Weinstein war gegen Trump. Bill Clinton war gegen Trump. Lena Dunham, die Hillary Clinton vor Weinstein warnte, war gegen Trump – und wollte im Falle seiner Wahl das Land verlassen. Arnold Schwarzenegger war gegen Trump, und hat sein eigenes MeToo-Problem. Die Bushs waren gegen Trump, und haben ihre eigenen Probleme. Die meisten Journalisten und Künstler, die in der MeToo-Serie gefeuert wurden, waren gegen Trump. Kevin Spacey war gegen Trump. Möglicherweise bringt es einfach schlechtes Karma, gegen Trump zu sein, weil jeder gegen Trump ist. Es sind billige Schlagzeilen, die mit solchen populären Kronzeugen produziert werden, aber sie fallen mit Leuten, die vielleicht auch nicht besser als Trump sind, auf die Medien zurück. Get over them.

9. Umfragen zu Trump. Alle Umfragen vor der Wahl waren falsch. Alle Einschätzungen der politischen Realität waren falsch. Vielleicht hat Trump auch einfach nur ein besseres Verständnis der Menschen, mit denen man die Wahlen dort gewinnt oder verliert, was sie wollen, und was sie an die Wahlurnen treibt. Ich vermute, dass sich bei einer Umfrage unter deutschen Journalisten 99% gegen die amerikanische Botschaft in Jerusalem aussprechen, aber amerikanische Juden gehen in den Vereinigten Staaten geschlossen zur Wahl, und haben bis in die 80er Jahre fast durchgehend für die bombensicher israeltreuen Demokraten gestimmt. Trump mag jetzt drei Tage des Zorns ausgelöst haben – unter Leuten in Palästina, die dauernd Gründe suchen, um zornig zu sein und in Amerika nicht wählen. So pragmatisch sehen das zumindest die amerikanischen Juden. Der Gedanke, dass ein demokratischer Bewerber einen Rückzieher machen könnte – und er oder sie wird es vermutlich tun, um die Linksradikale und Judenhasser wie Linda Sansour oder Black Lifes Matter zu befriedigen, die sich unter der Obama-Ära hinter den Demokraten gesammelt haben – der Gedanke wird diese Wählergruppe eher zu den Republikanern bringen. Der Slogan “Alte, weisse Männer” hat dank BDS-Kampagne und MeToo längst einen antisemitischen Beigeschmack. Ich habe jahrelang für diese Leute gearbeitet und geschrieben, ich kenne sie und kann nur sagen: Get over it. Oder macht weiter und wundert euch bei der nächsten Wahl, warum Trump an Ost- und Westküste das nächste Mal deutlich besser abschneidet. Denn traditionell haben Präsidenten seit 1995 versprochen, die Botschaft zu verlagern. Sie haben es dann nur nicht gemacht. Trump hat jetzt geliefert. Das macht ihn glaubwürdig.

10. Alles was Trump bei Twitter macht. Trump macht das bei Twitter, damit es jeder selbst lesen kann, und ja, er nennt einen kurzen und korpulenten Nordkoreaner klein und fett, und verstösst damit vielleicht gegen die Community-Richtlinien und diplomatische Gewohnheiten. Ich finde das lustig. Ich habe gelacht. Ich fühle mich auf eine mitunter schreckliche Art bestens unterhalten und möchte nicht alle drei Minuten von Sam the Eagle erinnert werden, dass ich diese Mischung aus Gonzo, Fuzzy Bear, Das Tier und Statler und Waldorf schlimm finden muss. Trump ist nicht Merkel, die manche vor ein paar Monaten noch zur Führerin der Freien Welt hochgeschrieben haben, und die vor den Angehörigen und Opfer des Breitscheidplatzes kneift, oder Sigmar Gabriel, der in zähen Reden eine Lunte an die Westbindung legt, weil er sich nicht von Trump verstanden fühlt. Wo von der Leyen ihre schmalen Lippen zusammenpresst, lobt Trump seine Armee überschwänglich. Es ist, als würde ich Simpsons schauen, und ständig würde mich jemand anbrüllen, ich dürfte Homers Umgang mit Bier und Nuklearbrennstäben nicht lustig finden. Medien machen genau das, sie verbreiten Trump und finden es ganz schrecklich. Get covfefe it!

Das alles muss ich nicht mehr lesen. Es kommt meistens zuerst irgendwo bei Twitter, dann bei den seichten Portalen Vice, Buzzfeed und Jezebel, und wird begierig vom Guardian nach vorne gestellt, bis es durch alle deutschen Seiten läuft. Das hat dem Leser das fragwürdige Russland Dossier eingebracht, das inzwischen nachweislich von den Demokraten bezahlt wurde, den neuen Medienskandal von CNN beim Umgang mit den Mails zwischen Trumps Team und Wikileaks, und neue Empörungswellen der immer gleichen Aktivisten-Journalisten, die Trump noch nie mochten und ihn auch nicht wählen werden. Journalisten, die reisserische Edel-Gonzalez-Covers in Auftrag geben und feststellen müssen, dass sie damit nicht besser ankommen als der kriselnde Guardian in Amerika oder Buzzfeed, die gerade zweihundert Leute gefeuert haben. Daneben gehen dann aber viele wichtige Themen unter, als da beispielsweise wären:

Neuregelungen bei der Besteuerung von erlassenen Studiengebühren. Es liegt nahe, dass sich Trump mit solchen Ideen bei den ihn wenig schätzenden Studenten an Ost- und Westküste revanchiert, aber das wird auch Auswirkungen auf den Wissenschaftsstandort haben.

Das Fortbestehen des demokratischen Establishments, das nach der verheerenden Niederlage immer noch die Partei fest im Griff hat, obwohl es wegen der Verhinderung von Bernie Sanders zutiefst kompromittiert ist.

Die Krise durch Drogen- und Medikamentenmissbrauch. Ein extrem unschönes Thema, das Trump nicht geschaffen, sondern von Obama geerbt hat. Diese Krise würde natürlich Fragen aufwerfen, ob in der Obama-Ära des Booms an den Küsten nicht vielleicht doch gravierende Fehler gemacht wurden. Fragen, die nicht weniger wichtig als die Kritik an den fragwürdigen Trickle-Down-Vorstellungen bei Trumps Steuerreform sind. Denn angebliche Trickle Down Effekte haben jetzt Befürworter, weil beim Obama-Boom das gesamte Wachstum der Küstenelite vorbehalten blieb.

Oder ein Erklärbeitrag, warum die Debatte um Migration, Sanctuary Cities und Dreamers in Amerika nicht nur mit den in Deutschland üblichen Kinderaugen geführt wird, sondern auch mit der spektakulären Tötung eines Zufallsopfer durch die Hand eines schon fünf mal abgeschobenen Kriminellen, der in Kalifornien für die Tötung auch noch freigesprochen wird.

Oder, bei der nächsten Klage des amtierenden Aussenministers der Bundesrepublik über die Notwendigkeit einer europäischen Sicherheitspartnerschaft, weil er Probleme mit Trump hat: Die Frage, mit welcher Bundeswehr er denn die Vereinigten Staaten als Sicherheitsfaktor ersetzen will. Die, bei der kein einziges U-Boot einsatzbereit ist? Die, die einen Eurofighter hat, den die Österreicher gerade ausmustern?  Mit Osteuropäern, die nach dem Willen der Bundesregierung gerade wegen der Asylpolitik verklagt werden, und die ihre Waffensysteme bei den USA kaufen? Die Realitätsblase des Sigmar Gabriel macht mir mitunter mehr Angst als die Realitätsblase von Trump.

Wie man bei den unerwarteten Auswirkungen der Steuerpolitik, die Reiche an den Küsten überhaupt nicht entlastet, deutlich sieht: Politik ist komplex. Es gibt keine einfachen Antworten auf schwierige Fragen, auch wenn Trump dauernd öffentlich diesen Eindruck vermitteln will. Wenn das als Fehler erkannt wird, sollten die Medien nicht den gleichen Fehler machen. Dann kann es sein, dass ich auch wieder Beiträge lese, ohne von der simplen Weltsicht der Autoren von Breitbart bis ARD genervt zu sein.