Überdruck

Überdruck

Die Liebe zum Gedruckten lässt Menschen auf der Frankfurter Buchmesse wahre Torturen ertragen: Lesungen in schlecht belüfteten Räumen, Herumrennen

Als die F.A.Z. einmal alle ihre Mitarbeiter auf die Straße schickte

| 2 Lesermeinungen

Der erste Eintrag ist immer der schwierigste. Die Leute kennen einen nicht und erwarten, dass man sagt, was jetzt kommt. Aber das kann ich gar nicht sagen, denn bloggen ist überhaupt nicht planbar. Man muss einfach darauf vertrauen, dass schon irgendwas passiert, worüber man dann bloggen kann.

Der erste Eintrag ist immer der schwierigste. Die Leute kennen einen nicht und erwarten, dass man sagt, was jetzt kommt. Aber das kann ich gar nicht sagen, denn bloggen ist überhaupt nicht planbar. Man muss einfach darauf vertrauen, dass schon irgendwas passiert, worüber man dann bloggen kann.

Zwar steht in den Zeitungen immer, man könne sich mit wenigen Klicks ein Blog einrichten, aber dass das so leicht nicht ist, das habe ich gerade gelernt. Was gibt es da alles zu besprechen und abzustimmen und zu entscheiden und auszudenken! Mittlerweile sind eine gute Handvoll Leute in das Projekt involviert. Es braucht ein Portrait und ein Kopfbild, das hier Key Visual genannt wird. Und einen Titel, und da ist auch schon das erste Problem: Ich kann mein Buchmesse-Blog nicht Halle drei nennen, weil Richard Charkin, der für die F.A.Z. auch von der Buchmesse schreiben wird, das seinige, wie ich gerade erfahren habe, unbedingt Hall Eight nennen will. Dabei ist die F.A.Z. doch in Halle drei. Aber gut, nochmal von vorne anfangen nachzudenken.

Dann die Blogsoftware verstehen lernen. Das ist ziemlich einfach, wenn man keine zu großen Bilder hochladen will und die Fehlermeldung nicht bemerkt. Und wenn nicht zwischendurch mysteriöse heulende Töne die Konzentration stören. Leider hört das Heulen nicht auf, es kommt vom Gang, das ganze Haus heult. Anruf beim Pförtner: Gehen Sie auf den Gang und folgen sie den Hinweisen der Durchsagen. Wir gehen auf den Gang, wo man uns durchsagt, da sei eine betriebliche Störung und wir müssten jetzt alle das Gebäude verlassen, ohne dabei in Panik zu geraten. Wir verlassen das Gebäude, ohne dabei in Panik zu geraten. Das ist auch nicht schwer, wenn man ohnehin nicht weiß, worüber man in Panik geraten soll. Wir sollen uns auf dem Grünstreifen auf der Frankenalle sammeln. Wir sammeln uns auf dem Grünstreifen auf der Frankenallee.

Da stehen wir also auf dem Grünstreifen herum, alle Insassen der zwei F.A.Z.-Gebäude, manche halten Kaffeetassen fest, andere klammern sich an Klemmbretter. Einige tragen gelbe Sicherheitshelme, einer trägt einen grünen Sicherheitshelm, der hat auch ein Megaphon, das ist wohl der Koordinator hier. Aber er hält das Megaphon nur fest, er sagt nichts und er koordiniert nichts. Er steht da rum mit seinem grünen Helm. Wir stehen auch rum, aber ohne Helm. Mein Kaffee ist alle. Drinnen stürzt der Dax. Vielleicht wird jetzt gleich der Literaturnobelpreis verkündet, ohne uns, denn wir stehen ja auf dem Grünstreifen auf der Frankenallee. Laufen da eigentlich Nobelpreis-Wetten? frag ich. Nein, FAZ.net wettet nur bei der Fußball-EM, aber vielleicht im Feuilleton.

Gut, jetzt weiß ich, wer hier alles so arbeitet, jetzt hab ich alle mal gesehen. Dann können wir ja wieder nach drinnen gehen. Ich werde durch ein paar weitere Abteilungen gereicht, jeder fragt mich nach einem Titel, mir fällt keiner ein, und schließlich lande ich inmitten der Bücherberge im Büro von Felicitas von Lovenberg, die schon das Portrait von Kat Menschik bekommen hat. Darauf war ich ja besonders neugierig.

„Wann geht es denn los?“ fragt sie.

„Sobald die Technik steht“, sag ich.

Gerade will ich den Raum verlassen, da will Marcel Reich-Ranicki den Raum betreten. Großes Hallo. Das ist Frau Diener, die schreibt für uns über die Buchmesse.

„Ich interessiere mich nicht für die Buchmesse“, sagt Herr Reich-Ranicki. „Ich interessiere mich für Literatur. Die Buchmesse ist eine Verkaufsveranstaltung. Das können Sie so schreiben.“

„Ich werde es weitergeben“, verspreche ich.

Und natürlich schreibe ich es so, wie Herr Reich-Ranicki sagt. Warum auch nicht? Er hat ja recht. Lesen findet woanders statt, Literatur findet woanders statt, überhaupt findet das allermeiste ja ohnehin im Kopf statt. Buchmesse ist etwas anderes, etwas schwer zu durchschauendes anderes.

„Morgen“, sagt die Technik, „brauchen wir den ersten Eintrag von Ihnen, damit wir Sie freischalten können.“

„Kein Problem“, sag ich.

Ich kann ja einfach von dem Tag erzählen, als die F.A.Z. einmal alle ihre Mitarbeiter auf die Straße schickte und eine Bloggerin verpflichtete, von der Buchmesse zu berichten. Wenn das die Medienwelt nicht erschüttert, dann weiß ich auch nicht weiter.


2 Lesermeinungen

  1. Pictonkiwi sagt:

    Ja, der Reich-Ranicki ist...
    Ja, der Reich-Ranicki ist immer für einen bonmot gut. Den sollte man öfters treffen. Dabei habe ich immer gedacht, daß die Berufsblogger alle vom Home Office aus arbeiten, wo das Laptop zwischen Bett und Tablett mit Frühstücksresten eingerichet ist. Aber dieses Klischee ist damit wohl zerstört. Gleichwohl stelle ich fest, daß die Chance wohl äußerst gering ist, zu Hause zwischen Bett und Tablett mit den Frühstücksresten den Reich-Ranicki zu treffen. Das muß dann wohl ausschlaggebend dafür gewesen sein, der Frau Diener einen Arbeitsplatz an der Frankenallee einzurichten.

  2. schombat sagt:

    "Ich interessiere mich nicht...
    „Ich interessiere mich nicht für die Buchmesse“, sagt Herr Reich-Ranicki. „Ich interessiere mich für Literatur. Die Buchmesse ist eine Verkaufsveranstaltung. Das können Sie so schreiben.“
    Mittlerweile glaube ich, dass MRR seit Jahren kein Buch mehr gelesen hat! Er hatte einen netten Auftritt am Wochenende, aber lesen – lesen hält er doch seit Jahren für ein völlig überschätztes Konzept ;-)
    Schreiben, Write-only – das ist doch sein Metier.
    Sehr schön hat das Sportsfreund & Geistigegetränkeromantiker FJ Wagner in seinem aktuellen Brief auf den m.E. richtigen Nenner gebracht:
    „Aber er sagt euch, dass Ihr dumm seid, doofes Fernsehen macht und er es nicht mehr erträgt.“ aus: https://www.bild.de/BILD/news/standards/post-von-wagner/2008/10/13/post-von-wagner.html
    Viel Spass noch auf der Buchmesse!
    Dadurch, dass dass erste & letzte Tabu gebrochen wurde und in der DB-Lounge – trotz Aufklebers „Wir setzen uns fuer einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol ein“ – mittlerweile Gratis-Biermixgetränke erhältlich sind, können die BUCHMENSCHEN vom 15.-19.10.2008 wenigstens auch ausserhalb der Abendveranstaltung(en) den PEGEL halten ;-))
    Viel Erfolg und beste Grüsse, Schomberg.

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