Gestern in der Lokalredaktion hab ich noch die letzten Texte über Vereinsoktoberfeste mit Überschriften versehen (Mordsgaudi: Check. Weiß-Blau: Check. Bier und Brezn: Check. Mir gehen die Ideen aus), heute beginnt die große Vorbereitung. Das heißt: Der Veranstaltungskalender will durchgearbeitet werden. Das ist einerseits natürlich eine wunderbare Sache, denn er bestimmt ja den Rhythmus meiner nächsten Tage. Andererseits macht einen die schiere Masse völlig fertig.
Was verbirgt sich wohl hinter einer Veranstaltung mit dem Titel „Wiedergewonnenes Palimpsest“? Was sagen uns „Die Jahreszahlen auf „8“ in der tschechischen Geschichte“? Währe es nicht tröstlich, zu der Veranstaltung „Texte voller Fehler und trotzdem Buchautor“ zu gehen, oder will man sich das lieber nicht antun? Was sucht Powerpointbullshit wie „Medienorchestrierung als Erfolgsweg zur effizienten Kommunikationslösung“ auf einer Buchmesse und dort ausgerechnet im Forum Wissenschaft? Dann doch lieber zu den „Mondbärchen-Geschichten“, das hat so was tröstliches. Oder zu „Das rockige Waschbuch. Groupies, Stars und dirty socks“ vom Wäschewascher to the stars Hans-Jürgen Topf. Doch, doch, der meint das ernst. Vorbereitend für den Winter unbedingt zu „Vögel füttern – aber richtig“. Schon um 12 Uhr Schoppe in de Kopp beim „Hessischen Survivalpack“ und Stimmung antrinken für Otto von Bismarcks gesammelte Werke in der Neuen Friedrichsruher Ausgabe, das macht Laune. Dann noch zur „Mittagsmeditation mit Harfenmusik“ und der erste halbe Tag ist auch schon wieder rum.
Und dazwischen all diese Menschen, die einen treffen wollen. Mit Menschentreffen geht meistens Kaffeetrinken einher, ich zittere jetzt schon, wenn ich an die Koffeinmengen denke, die mir in den nächsten Tagen bevorstehen. Am Abend dann Wein. Wenn ich an die schieren Weinmengen denke, wird mir auch schon leicht übel, weil ich ja nichts vertrage. Ich bin eigentlich für Verlagspartys gar nicht gebaut, so von meiner körperlichen Konstitution her. Kann aber auch daran liegen, dass man nie was isst, weil es ja nie was gescheites gibt. Vögel füttern – aber richtig, und Buchmessebesucher hungern lassen – auch richtig.
Am nächsten Tag erst zur Mittagsmeditation wieder einigermaßen hergestellt sein, dann aber keine Harfenmusik ertragen können. Vielleicht doch erst einmal so was richtig Relaxtes. „Strukturiertes Dokumenten-Management“, oder jemand Langweiliges, der „im Gespräch“ mit jemand noch Langweiligerem ist. Es ist ja ohnehin dauernd jemand „im Gespräch“ mit irgendjemandem. So viele Leute, die dauernd so viele Sprechblasen produzieren und sich in immer neuen Kombinationen zusammenfinden. Die Sprechblasen steigen hoch zur Hallendecke und lösen sich langsam auf. Die Zeit schreitet unaufhaltsam fort, und ein Termin nach dem nächsten läuft vorbei. Irgendwann ist die Messe rum, und nur noch der obsolete Veranstaltungskalender bleibt übrig mit lauter Namen drin und Ankündigungen von Gesprächen und Titeln. Irgendwann vergammelt auch der. Irgendwo im Norddeutschen beschreitet vielleicht noch eine einsame PR-Dame mit Medienorchestrierung ihren Erfolgsweg zur effizienten Kommunikationslösung.
Die zur Hallendecke...
Die zur Hallendecke aufsteigenden Sprechblasen passen ja auch historisch zum Messegelände. Denn, wenn ich mich nicht irre, dort, wo jetzt Halle 3 steht, war einst ein Hangar, in dem man die Zeppelin-Luftschiffe ausstellte. Z.B. Hindenburg.