Überdruck

Überdruck

Die Liebe zum Gedruckten lässt Menschen auf der Frankfurter Buchmesse wahre Torturen ertragen: Lesungen in schlecht belüfteten Räumen, Herumrennen

Die Einsamkeit des Langstreckensäufers

| 7 Lesermeinungen

Wie schön könnte eine Verlagsparty sein, auf der man niemanden kennt. Man sitzt herum auf unfassbar bequemen Bänken, trinkt ein Glas Wein und beobachtet das...

Wie schön könnte eine Verlagsparty sein, auf der man niemanden kennt. Man sitzt herum auf unfassbar bequemen Bänken, trinkt ein Glas Wein und beobachtet das Soziotop um einen herum. Besonders bei DuMont funktioniert das hervorragend, denn hier sind mindestens die glamourösesten Menschen der Messe zugegen, die schönsten Frauen mit den höchsten Absätzen und den kürzesten Röcken.

Leider kann man aber nicht einfach so tun, als ob man niemanden kennt, auch wenn man wirklich niemanden kennt. Das ist Partygesetz. Alleine zu sitzen und niemanden zu kennen geht nur dann, wenn man ein Mobiltelefon in der Hand hält und jeden Moment den Anruf von jemandem erwartet, der bestimmt gleich kommt und einem Gesellschaft leistet. Man kann nur alleine sein, wenn man vorübergehend alleine ist, nicht endgültig allein. Wer dann die Party verlässt, der geht nicht einfach, der kapituliert vor der Einsamkeit, der hat dieses Spiel verloren.

Neben den Mobiltelefonhaltern gibt es auch noch die Suchenden. Die sitzen nicht herum, die laufen durch die Masse, meist mit einem Glas in der Hand, und tun stundenlang so, als wären sie gerade auf dem Weg vom Klo oder zur Bar oder beides. Schieben sich ewig herum und immer im Kreis und bleiben ab und zu stehen und genießen die Aussicht oder tun sonstwie beschäftigt. Dabei ist es wichtig, immer woanders stehenzubleiben, damit einen immer andere Leute alleine herumstehen sehen. Und man sollte etwas in der Hand halten, ein Glas oder eine Zigarette. Wer etwas hält, ist Teil der Party, wer nichts hält, der ist noch nicht richtig da oder schon wieder halb weg, der gehört nicht richtig dazu.

Dort drüben steht jemand, den ich kenne. Ich sitze jetzt schon eine Weile hier allein, und meine Umgebung schöpft vermutlich schon Verdacht, dass ich eine Stehengelassene bin, die niemanden kennt. Wenn niemand einen kennt, dann muss das einen Grund haben, so glaubt man, das ist Partygesetz. Ich sitze also herum, mein Wein geht zur Neige, und ich müsste nun langsam aufstehen und irgendetwas tun, was mich mit der Masse verbindet, was mich als Teil des Soziotops um mich herum kennzeichnet.

Ich finde diese Bänke allerdings wirklich unfassbar bequem, deshalb bleibe ich einfach sitzen. Es gibt ja genug zu sehen. Sogar Charlotte Roche ist hier. Und viele andere glamouröse Menschen, denen man nicht ansieht, dass es der Abend des dritten Messetages ist. Mir sieht man es an, fürchte ich. Das ist mir jetzt aber herzlich egal. Ich bleibe sitzen. Ich stehe nicht auf. Ich bin allein, für einen Moment.


7 Lesermeinungen

  1. Pictonkiwi sagt:

    Alleine auf einer Party zu...
    Alleine auf einer Party zu sein, ist das wohl schlimmste, was einem widerfahren kann. Da hilft nur die harte Ochsentour über den Smalltalk mit Tischnachbarn. Das sind dann jedoch meist unendlich dröge Typen, Franzosen mit schlechtem Englisch oder Amis, die diese Annäherung als willkommenen Anlaß für ein Verkaufsgespräch nehmen. Eine solche Party dient deshalb oft als Beispiel, BWL-Studenten den Begriff „Opportunitätskosten“ zu erklären.

  2. Wenn dem tatsächlich so war,...
    Wenn dem tatsächlich so war, dass die Autorin dieses Blogs gar niemanden auf der Party kannte…dann gibt es für das nächste Mal ein schönes Spiel, das man mit und auch ohne fremde Menschen spielen kann: unbekannte Menschen zu Promis machen. So ist uns auf der Droemer-Party Prinz Harry der Ältere, Guy Ritchie, Richard Gere, der spanische Prinz Felipe und Zinedine Zidane (letzter beim Tanze) begegnet, sehr amüsant und ein wahrer Zeitvertreib!

  3. Merzmensch sagt:

    Die Einsamkeit auf der...
    Die Einsamkeit auf der Buchmesse – das habe ich schon des öfteren erlebt. Ich weiss nicht, ob es am Informationsüberstrapazieren liegt, aber in all diesen Menschenmengen verliert man sich plötzlich. Wenn ein Mensch eine Insel ist, dann ist er eine sinkende.

  4. fraudiener sagt:

    Aber immer....
    Aber immer.

  5. Jordanus sagt:

    werde versuchen, das nächste...
    werde versuchen, das nächste mal meine meinungsäußerung mit einem verbalen diener diplomatischer und demütiger zu gestalten. wollte nur oberuntertänigst ein interesse äußern. blogs sind ja schließlich interaktiv.

  6. fraudiener sagt:

    Herzlichen Dank für den...
    Herzlichen Dank für den Ratschlag. Thema des Textes war allerdings etwas anderes, wie Sie vielleicht gemerkt haben.

  7. Jordanus sagt:

    Ok, und nächstes Mal...
    Ok, und nächstes Mal vielleicht ins Protokoll, WAS Du siehst? Ohne zu hören ist das vielleicht etwas spekulativ, aber mit ein bißchen emotionaler Phantasie sieht man mehr, als man denkt.
    Und wenn die Leute sich dann beobachtet fühlen, kommen sie schon profylaktisch zu Dir aufs Sofa. Im Gespräch können sie nämlich besser steuern, was Du schreibst.

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