Überdruck

Überdruck

Die Liebe zum Gedruckten lässt Menschen auf der Frankfurter Buchmesse wahre Torturen ertragen: Lesungen in schlecht belüfteten Räumen, Herumrennen

Vom Glück der elektronischen Bücher

| 38 Lesermeinungen

Ich bin für eBooks. ich bin der Meinung, man sollte sie grossflächig einführen und sie nicht nur als Contentträger begreifen, sondern auch als Verschönerung unseres Landes. Leider sehe ich auch beim kommenden Versuch, diese Dinger - die ch persönlich in meiner Bibliothek noch nicht mal benutzen würde, um Nägel in die Wand zu schlagen - durchzusetzen, Leute am Werk, die es mal wieder verbasseln werden. Wie schon 1999 und 2004.

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Es gibt zu dieser Buchmesse gleich drei Jubiläen zu feiern: Amazons eBook Kindle kommt jetzt, endlich, auf den deutschen Markt und erobert ihn. Es ist fünf Jahre her, dass Sonys Lesegerät Librie den Weltmarkt der digitalen Bücher zu beherrschen anstrebte. Und vor 10 Jahren kam Rocket auf den Markt, jener Urvater der elektronischen Lesegeräte, der in bester New-Economy-Manier schon bald diese dummen, platzraubenden Bücher aus Papier ablosen sollte, diese erbärmlichen Reste einer Kultur, die sich endlich dem digitalen Zeitalter zu beugen hatte. Ein dreifaches Hipp! Hipp! Hu-ups.

Oder anders gesagt: Zum dritten Mal in einer Dekade darf man sich die ewig gleichen Argumente für digitale Lesegeräte anhören – man könne ganze Bibliotheken mitnehmen, Bücher aus dem Internet laden und dabei Geld sparen. Indirekt auch: Verlage würden nur zu gerne auf Druckereien, Vertrieb, Lager und den Zwischenhandel verzichten, und Usern  nur noch das Recht am Lesen verkaufen. Was bei Lexika und Fachliteratur nicht sinnlos ist, sollte doch auf alles Gedruckte übertragbar sein, zur Bequemlichkeit der User und zur Profitsteigerung der Verlage. Sagen die Erbsenzähler und Folienschubser von Verlagen und Handel, die Freunde des Standortfaktors Buch, die heute aus beruflichen Gründen Bücher und morgen, wenn sie die Branche wechselten, Schlachtvieh und Sondermüll vertreiben würden.

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Kostprobe gefällig? Ronald Schild ist Geschäftsführer der MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH, einer Tochter der Börsenvereins und damit zuständig für Libreka, das Ebook-Kaufhaus des Börsenvereins, über das heute noch gesondert zu reden sein wird. Schild ist einer jener modernen Manager, die nicht nur ein  Blog haben, sondern auch gleich die ganz grossen Visionen – ich darf das hier mal zitieren:

500 Jahren nach Erfindung des Buchdrucks steht eine zweite Revolution bevor: das E-Book wird die Art und Weise wie wir lesen, dramatisch verändern – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Buchbranche: Mehr als die Hälfte der Branchenexperten erwarten einer Studie der Frankfurter Buchmesse und Publishers‘ Weekly zufolge, dass die Umsätze mit digitalen Inhalten die des klassischen Buchgeschäfts binnen 10 Jahren überholen.  Zum Vergleich: im Jahr 2008 lag der Umsatzanteil von E-Books in den USA noch bei 2 Prozent. Höchste Zeit also, dass Verlage E-Books zur Chefsache machen und Strategien für digitalen Content entwickeln.

Umfragen und irgendwelchen „Experten“, Revolution, dramatisch, Höchste Zeit, Chefsache, Content, machen Sie jetzt, warten Sie nicht lange, schnellschnell, denken Sie nicht nach, die Zukunft ist golden und wer nicht dabei ist, wird untergehen, unsere Experten sagen es, also muss es auch stimmen. Ein Blick auf die Uhr: Geschrieben wurde diese Selbstentblössung des Buchhandels 2009, 10 Jahre nach der Hochzeit der New Economy, die mit solchen – ich darf das hier bittschön sagen – Bullshitfloskeln gegen die Wand knallte. Erstaunlich, dass dergleichen nach 10 Jahren schmerzlicher Erfahrungen immer noch geschrieben wird. Oder auch nicht, den zur Person erfahren wir:

Nach der ersten beruflichen Station in einem Unternehmen der Quandt-Gruppe in London wechselte er 1997 zu der deutschen Niederlassung von Lexmark, wo er den Online-Vertrieb aufbaute. Im Anschluss ging er als CEO zur EMB AG, einer Unternehmensberatung für Customer Relationship Marketing. Diese führte er bis Ende 2004. Seit 2005 ist Ronald Schild bei Amazon.de verantwortlich für das Partnerprogramm Merchants@.

Gut, doch kein Schlachtvieh. Noch nicht. Für mich, der ich die Druckkunst in den letzten 220 Jahren ohnehin auf dem absteigenden Ast sehe und Bücher toter Autoren bevorzuge, ist dieser dritte von viel PR-Geplapper und wenig Substanz geprägte Anlauf nach dem zweimaligen Vollversagens ganz ähnlich auftretender Leute von Rocket und Sony sehr ärgerlich. Sie werden auch diesmal wieder Visionen haben, um dann am Markt der meisten Buchkäufer zu scheitern. Auch von meinem Standpunkt aus sind mehr eBooks sehr wünschenswert.

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Denn mit den eBooks ist der Welt wirklich gedient, wie ein Blick zur weitgehend unbekannten Firma Ciando aus München zeigt, ihres Zeichens der hiesige Marktführer für eBooks und in den langen Jahren ihres Bestehens noch immer nicht das, was man einen durchschlagenden Erfolg mit Börsengang nennen könnte. Dort war vorgestern auf der Bestenliste zu finden: Vorne der „erotische Roman“ Anwaltshure 2, auf den Plätzen dann „Ich bin dann mal schlank“ und das „Handbuch Kennzahlen Unternehmensführung“. Höchst plastisch erscheinen die Käufer vor den Augen, Konvergenz nennt man das in Erbsenzählerkreisen, Kunde, Inhalt und eBook formen sich zu einem harmonischen Ganzen, wir sehen ihn vor uns, den dynamischen, vom Büroalltag runden Jungmanager mit seinen Wünschen, befriedigt durch einen Download – und nicht in unseren Buchgeschäften. Nicht bei unseren Antiquariaten. Nirgends. Nicht mal im ICE belästigt er uns mit den Covern seiner Machwerke, hält uns die Nichtswürdigkeit seiner ins Buch verirrten Herzensbildung entgegen.

Kurz: Dieser User fällt aus dem Buchuniversum raus. Er verschwindet in einem digitalen Staubsauger, mit ihm vielleicht auch ein paar Grossketten, die vom massenhaften Verkauf solcher Contents leben und, wenn dieses Zeug dann auch in Raubkopie erhältlich ist, der ein oder andere Verlag solcher Bücher, man kennt das aus der Plattenindustrie. Natürlich können das schlimme Einzelschicksale sein, Titanen werden in den Staub sinken, aber das ist Revolution, das ist der Fortschritt. Und wenn ich dem schon nicht entgegenstehe, sollten auch die Erbenzähler mit aller Kraft daran arbeiten – wirklich arbeiten und nicht nur Sprüche klopfenn – Anwaltshuren und Unternehmenskennzahlen in ein Netz zu verfrachten, worin sie ihr User-Glück suchen, und wir Leser unsere Ruhe von ihnen haben.

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38 Lesermeinungen

  1. Reiterjunge sagt:

    Kann man E-book Texte dann...
    Kann man E-book Texte dann eigentlich irgendwann auch mal aus zweiter Hand
    auf dem Flohmarkt, im Antiquariat oder bei E-bay erwerben ?
    Dies sind meine Hauptbezugsquellen.
    Den freundlichen Buchhändler suche ich schon jetzt eigentlich nur noch kurz vor Weihnachten auf, wenn ganz konkrete Wünsche aktuell befriedigt werden möchten.
    Dann beiße ich halt`auch mal in den sauren Apfel und bezahle Mehrwertsteuer und „Neu-Aufschlag“.
    Einen E-book Download kann man dann auch nicht so schön in Geschenkpapier einpacken.

  2. theoderich sagt:

    Schönen guten Abend Zusammen,...
    Schönen guten Abend Zusammen,
    nichts gegen den technischen Fortschritt; schliesslich nutzen wir doch alle (mehr oder weniger) gerne solch erstaunliche Erfindungen wie Kühlschrank, Automobil und nicht zuletzt dieses Medium. Dass sich jetzt einige übereifrige Marketing-Manager mit Lobeshymnen auf das elektronische Lesegerät überschlagen (die Bezeichnung „Buch“ möchte ich nach wie vor nur für das gedruckte und gebundene Erzeugnis verwenden) – was soll`s. Gibt sich wieder – locker bleiben. So, gehe jetzt in die Falle und freue mich auf meine (gedruckte) Krimi-Lektüre.
    Allen eine angenehme Nachtruhe !

  3. ebook freak sagt:

    Beurteilen kann nur wer ebooks...
    Beurteilen kann nur wer ebooks tatsächlich benutzt. Ich benutze die ebook readers von Sony und iRex sowie das iPhone (die Hintergrundbeleuchtung gefällt mir allerdings nicht und zudem zu klein). Sony und iRex finde ich durchaus „lesenswert“. Habe übrigens bereits rund 3000 ebooks (Romane und Sachbücher) kostenlos heruntergeladen, bin aber bereit für Neuerscheinungen zu zahlen. Kein Übergewicht mehr auf Reisen, Schriftgröße anpassbar, keine Platzprobleme zu Hause, auch Arbeitsdokumente in Word, pdf … ein klarer Fall.

  4. virtualmono sagt:

    Ich lese jetzt schon...
    Ich lese jetzt schon unglaublich viel am Bildschirm – es gibt ja in der gesamten IT nahezu keine Dokumentation mehr auf Papier – und muß sagen, daß die Vorteile in diesem Bereich eindeutig überwiegen (Suche nach Stichworten, Verlinkung, direkt mögliches Copy/Paste von Kommandos ins Terminalfenster…). Außerdem habe ich ein Abo bei einer Online-Bibliothek für Fachliteratur und somit Zugriff auf eine Unmenge von Büchern – teilweise sogar vor ihrer Veröffentlichung auf Papier – die ich mir ansonsten nicht alle kaufen könnte… also quasi so etwas wie die Fachbereichsbibliothek im permanenten Online-Zugriff, mit dem Vorteil, daß hier nie ein Buch gerade anderweitig verliehen ist, von der gesparten Zeit ganz zu schweigen – wiederum punktet Online hier deutlich. Und fürs Offline-Lesen oder zum Ausdrucken kann ich eine gewisse Anzahl auch herunterladen, wobei das Problem der Raubkopien dadurch entschärft wird, daß die speziell für den jeweiligen Benutzer aufbereiteten PDFs eben einen Vermerk enthalten, für wen sie persönlich erstellt wurden – das finde ich grandios, folgt es doch meiner Maxime „keep it simple, stupid“ – einfach und funktionell, denn dadurch erspart man sich einen wie auch immer gearteten anderen „Kopierschutz“…
    Die Notwendigkeit für eine spezielle Hardware für eBooks sehe ich aber nicht gegeben, denn einen Roman nehme ich immer noch gerne gedruckt mit wohin auch immer, und das berüchtigte „1984“ – Beispiel (das den Benutzern wegen fehlender Vertriebslizenz einfach von ihren Lesegeräten gelöscht wurde) hat ja schon recht deutlich offenbart wohin die Reise seitens der Verlage/Vertriebe hier wohl gehen soll – elektrische „Bücherverbrennung“ ? Das braucht kein Mensch.

  5. dunnhaupt sagt:

    Hätte ich einen Euro für...
    Hätte ich einen Euro für jede technische „Novität“, dann wäre ich ein reicher Mann. Mit Vergnügen erinnere ich mich noch eines amerikanischen Kollegen, der für tausend Dollar das früheste brotlaibgroße Handy erwarb und stolz damit im Garten herumspazierte. Sic transit gloria Handy. —
    Ich lese nun mal gern im Bett, was sich halt mit einem Buch gemütlicher arrangieren lässt. Andere mögen meinetwegen ihren Elektroschrott mit ins Bett nehmen.

  6. Immer zahlt der Early Adopter...
    Immer zahlt der Early Adopter viel Geld, damit in ein oder zwei Jahren bessere eReader für den heutigen Preis eines DVD-Players verkauft werden. Kaufen Sie fünf eBooks, und bekommen Sie den Reader gratis. Ich vermute, eBooks und Holzbuch werden lange (20 oder 30 Jahre) nebeneinander existieren, die Verlage werden durch trial and error herausfinden, welche Textsorten am besten als eBook gehen. Irgendwann hat eine Idee ihre Zeit. Das eBook ist jetzt dran.

  7. Jeeves, zumal die wenigsten...
    Jeeves, zumal die wenigsten neuen Alben ja noch echte Booklets haben. Und auch die Kunst des „Konzeptalbums“ wird ja immer weniger. Dazu kommt, dass Musik durch die immer stärkere Kompression immer unhörbarer wird (Stichwort: Loudness War). Jedenfalls in den Mainstream Bereichen. Im Bereich der Klassik bzw. Jazz dürfte das noch nicht ganz so schlimme Formen angenommen haben. Ausnahme: Radio. Die komprimieren durchgängig, also auch Klassik Radio und garantiert auch Bayern 4.

  8. Anderl, das Problem mit der...
    Anderl, das Problem mit der Musik und der alles saugenden Jugend ist, dass Musik und Jugend in keiner Wechselbeziehung mehr miteinander stehen. Der Großteil der Jugend definiert sich heute nicht mehr über bestimmte Musikarten (bestimmte Randgruppen schon noch, klar), Musik ist zur Beliebigkeit verkommen, weil sie heute (anders als früher) auch überall gespielt wird, im Fernsehen, im Radio, in Supermärkten, und natürlich auch überall selber abspielbar ist. Dazu kommt, dass die Plattenfirmen heute nur noch Abteilungen von Großkonzernen sind und daher nur noch auf Profit geachtet wird. Wirkliche Künstler werden gar nicht mehr aufgebaut, weil niemand mehr langfristig investieren will. Musik wird also auch von den Vermarktern selber nur noch als kurzfristiges Konsumprodukt begriffen, nicht mehr als Kunst. Wenn diese Welten aufeinandertreffen ist doch klar, dass nur noch beliebiger Konsum entsteht und niemand wirklich dafür zahlen will. Entsprechend setzen jetzt mehr und mehr Künstler auf Konzerte, weil man damit noch Geld machen kann.
    Das Buch ist anders gelagert. Es kann nicht kurzfristig und nebenbei konsumiert werden, es benötigt Zeit und war schon immer weniger „Popkultur“.
    Zwar versuchen die Verlage mehr und mehr mit „Hörbüchern“ das ganze nebenbei konsumierbar zu machen. Aber ein Hörbuch am Strand oder in der lauten U-Bahn… und wer will die ganzen CDs mitschleppen. Und auch bei der Autorenbetreuung verhalten sich Verlage mittlerweile wie Musikverlage. Alles nur noch „Cost Center“, der Künstler soll sich nicht erstmal lange entwickeln müssen.
    Dennoch ist das alles dem Konsumenten egal, Bücher zwingen den Konsumenten zur Aufmerksamkeit, über Stunden. Lieder sind schnell mal angespielt, da weiß man recht zügig, ob es einem gefällt oder nicht. Bücher entziehen sich dem und daher glaube ich auch nicht, dass sich jemand nur mal eben die gesammelten Werke von Hermann Hesse runterladen wird, weil er irgendwann mal ein nettes Zitat von ihm gehört hat.
    Daher denke ich nicht, dass man Musik und Buch vergleichen kann. Die Verlage versuchen zwar die gleichen Absatzmethoden, aber ich denke nicht, dass es klappen wird. Die Ansprüche der Konsumenten sind andere.

  9. schusch sagt:

    Nö.

    Meine Geschichte passt...
    Nö.
    Meine Geschichte passt auf keinen IPod.

  10. Jeeves sagt:

    schusch:"Die Sammler sind aber...
    schusch:“Die Sammler sind aber ein Markt. Ein kaufkräftiger.
    Habe mir gerade gestern erst wieder CDs von meinen alten Vinyl-Sachen nachgekauft.
    Ich will Dinge besitzen. Regal, Regal durchsuchen, rausziehen, in der Hand halten, Cover angucken, einlegen, Booklet anschaun.“
    Das gibt sich, wenn man älter wird; sagt Dir ein 40-Jahre-lang-(nun-ex)-Platten-Sammler.

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