Libreka. Kennen Sie das noch? Nein? Pfui! Sie haben kein Herz für die Wünsche und Bedürfnisse des allerheiligsten Börsenvereins des deutschen Buchhandels.
Ich darf Sie vielleicht daran erinnern: Vor einem Jahr, ebenfalls zur Zeit der Buchmesse, kursierte ein Papier eines offenkundigen Insiders, der schwere Vorwürfe gegen den Börsenverein erhob. Dessen Plattform für den Vertrieb von E-Books an Endkunden mit dem innovativen Namen libereka! sei eine blanke Katastrophe. Der Börsenverein und seine Wirtschaftstochter Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH MVB hätten ihre Gründe, warum sie die Verkaufszahlen nicht verkünden wollen, denn fast nichts gehe über die mit viel Geld errichteten, virtuellen Ladentheken: Nur 32 Bücher seien im September 2009 verkauft worden. 32 Bücher, soviel war klar, wären kein gutes Ergebnis gewesen.
Die MVB reagierte prompt, indem sie fast gar nicht reagierte. Der Brief liege ihr nicht vor, sagte der Geschäftsführer, Gerüchte würde man nicht kommentieren, und mit dem Downloadangebot von Herta Müllers „Atemschaukel“ erwarte man sich in den nächsten Tagen einen grossen Schub. Fehlte nur noch, dass er „Voran mit den Beschlüssen des 8. 5-Jahresplans des Börsenvereins“ gesagt hätte. Denn der Börsenverein, der Börsenverein, der hat natürlich immer recht.
Der grösse Schub wäre auch nötig gewesen, um das Projekt aus der dreisten Kritik zu bringen: Libreka wurde über höhere Gebühren für Verlage querfinanziert, die bei der Volltextsuche Online des gleichen Hauses teilnehmen wollten. Deshalb hatte es schon mehrfach verärgerte Wortmeldungen der Verlage gegeben, die den Verein aber nicht sonderlich anfochten. Libreka lief weiter. Still, verschwiegen, seriös, im Wissen, gut und mit den richtigen – und auswegslosen – Financiers gesegnet zu sein, mit grossem Angebot von Büchern und wartend, dass sie endlich kommt: Die Revolution des Buchmarkts. Der grosse Knall, der den hausgestrickten Versuch dorthin katapultiere, wo Amazon und Apple den Markt bislang allein und ungestört unter sich aufteilen. Es kann ja nicht so sein, dass die das ohne den grossmächtigen Börsenverein tun. Die haben ja noch nicht mal um Erlaubnis gefragt! Das muss man sich mal vorstellen, amerikanische Internetfirmen wagen es, Ihre Geschäfte am Börsenverein vorbei zu machen, trotz seiner glorreichen Geschichte.
Kurz vor dieser Buchmesse gibt es dann doch wieder Neues zu Libreka: Nein, nicht die Verkaufszahlen. Oder die fraglos unaufhaltsame Übernahme der Marktführerschaft, oder die E-Revolution. Oder die nächste grandiose Innovation, die endlich den Durchbruch bringen wird und den lPads dieser Welt zeigt, wo die deutsche Buchkröte ihre goldenen Locken hat. Sondern:
TUSCH! TRARA!
Die Neupositionierung als Dienstleister unter Aufgabe des Endkundengeschäfts. Libreka will nun sein Geschäftsmodell finden, indem es E-Bücher an E-Buchverkäufer liefert. Was angesichts der Datennatur von E-Büchern keine rasend komplexe Logistik fordert, und schon gar keinen virtuellen Theke, über den die E-Bücher gereicht werden. Dafür haben aber schon andere Verlagshäuser in Deutschland konkurrierende Lösungen. Wäre man böse, könnte man auch sagen, dass der Brandbrief des letzten Jahres wohl doch so falsch nicht gewesen ist, im Gegensatz zum immer recht habenden Börsenverein, zum Börsenverein. Oder dass sich der Börsenverein kräftig übernommen und seine Möglichkeiten für einen Markteintritt überschätzt hat. Und sich nun zu fein ist, das Versagen unumwunden zuzugeben. Oder die Idee mit den E-Books, alles in allem und in der Rückschau betrachtet, wie auch der E-Autor doch etwas zukünftiger war, als es der Gegenwart gut tun konnte.
Aber das würde der Börsenverein dann vermutlich wieder nicht kommentieren, und das wäre die Höchststrafe im Literaturbetrieb. Was bislang aber noch fehlt, ist das, was andere immer recht habende Gruppierungen auszeichnet: Ein Schauprozess über die mehr oder weniger Verantwortlichen der zweiten, ersetzbaren Reihe, wenn sie mal doch nicht so ganz recht hatten. Vielleicht erleben wir das ja nächstes Jahr, wenn die nächste Neupositionierung von Libreka ansteht.
@Savall: naja, Differenzierung...
@Savall: naja, Differenzierung nach Umfang und Genre muß schon sein, aber so im allgemeinen ein Preis zwischen Brötchen und Taschenbuch für PDFs scheint mir auch angemessen.
Doch, anderl, die 10 %-Regel...
Doch, anderl, die 10 %-Regel gilt auch für spezielle Titel wie medizinische und juristische Fachbücher. Der Verkaufspreis ist dann entsprechend höher. 100 Euro Verkaufspreis bei 10 Euro Herstellkosten. Bei einem handelsüblichen Roman 24,90 als Verkaufspreis, 2 Euro Herstellkosten. Beim Taschenbuch 80 Cent Herstellkosten, 10 Euro Verkaufspreis. Letztens hat mir ein Verlag einen Herstellpreis für ein Kinderbuch von 48 Seiten Umfang vorgegeben: 27 Cent. Das wäre in Polen und Italien so üblich. Die Taschenbücher haben sich übrigens wegen des dezidiert niedrigeren Preises durchgesetzt. Und das ist es ja, was ich moniere. Die Verlage gehen davon aus, daß das digitale Buch besser sei und deshalb den gleichen oder sogar noch einen höheren Preis rechtfertige. Ich sage, daß das digitale Buch eine Verschlechterung ist und deshalb nur mit deutlichen Preisabschlägen mit einem Niveau unterhalb des Taschenbuches Erfolg haben kann.
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Das Kopieren muß deshalb möglich sein, damit ich über längere Zeit das digitale Buch verfügbar halten kann, Ulpian. Ich habe letztens meine Bestände der Digitalen Bibliothek auf ein neues Notebook kopieren müssen und habe Blut und Wasser geschwitzt, bis ich die ganzen CDs, die Downloads und das Kopierprogramm wiedergefunden hatte. Warum ist das mein Problem und nicht das des Anbieters?
ulpian,
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eben. nur, für die...
ulpian,
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eben. nur, für die fachliteratur ist das internet das mittel der wahl und der laptop oder der pc das entsprechende endgerät, das ist arbeitsmittel, werkzeug, für andere zwecke tut es auch das herkömmliche buch.
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kennen sie übrigens den bildschirm-effekt bei gesetzestexten? das früher empfohlene blättern – lesen sie den ganzen paragrafen, dazu die zwei, drei davor und die zwei, drei danach, wenn möglich, den ganzen abschnitt – ist so deutlich schwerer möglich.
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für die steuerberatung zeigt z. b. stollfuss, wie es gemacht wird: aus dem kanzleiprogramm (buchhaltung, abschluss, erklärungen, kanzleiverwaltung) ist direkter zugriff und zugriff über suchfunktion auf die datenbanken und die verlagserzeugnisse möglich. abgerechnet wird monatlich, miete statt kauf, wie das überhaupt der trend nicht nur bei der software ist.
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eine erhebliche erleichterung und auch verbilligung gegenüber den zeiten der zeitschriften, einbanddecken. loseblattsammlungen und dicken bücher, die nach kurzer zeit entbehrlich sind. wer einmal einen posten steuergesetze, die leider nur noch für den tag bestimmt sind, weggeworfen hat, weiss, was ich meine. ähnliches ist mir neulich mit computerzeitschriften widerfahren, auch meine computerbücher (darunter ein paar fotokopierte) von anno dos werden den weg ins altpapier gehen, schade eigentlich, aber eben schnee von gestern.
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disclaimer: ich rede von rasch veraltender fachliteratur ohne historischen oder buchästhetischen wert. die 13 bände real-enzyklopädie der gesamten pharmazie, berlin, urban & schwarzenberg, 1904-14 bleiben, wo sie sind, im regal.
@Jeeves: Ich würde in der...
@Jeeves: Ich würde in der U-Bahn auch keinen E-Book-Reader mitnehmen wollen. Zu groß, zu zerbrechlich, zu schwer. Neulich hatte ich mal einen halben Waggon voll Taschenbuchleser; ich überlegte schon, ob das jetzt Mode werde, aber am nächsten Tag hatte ich dann einen halben Waggon Zeitungsleser. Die sind aber nur zu ganz bestimmten Zeiten auf manchen Strecken anzutreffen, es handelt sich allesamt um Büroarbeitende, würde ich mal schätzen.
@DA: ach, es gäbe schon ein paar Bücher, die ich mir auch als PDFs zum Lesen am Bildschirm kaufen würde. Für Programmierbücher ist das sehr praktisch, die kann man nach 10 Jahren eh wegschmeißen, weil es das Zeug nicht mehr gibt, und während man sie braucht, hat man sie besser gleich im Arbeitsgerät als sie zusätzlich rumzuschleppen. Auch Philosophisches würde ich gerne erstmal auf PDF querlesen, bevor ich es mir evt. bei genügendem Wichtigfinden „in Material“ anschaffe, denn mein Regalplatz ist begrenzt. Nur ob da ein Geschäftsmodell draus werden kann.. denn ein kopierkastriertes PDF würde ich nicht akzeptieren (ich würde das auch auf x meiner Festplatten kopieren wollen), vielleicht eins mit Paßwort, evt. auch mit einem kleinen Obolus bei Weitergabe. Aber wahrscheinlich wäre sowas eher möglich wenn es eine solche Bezahlplattform für die Autoren direkt gäbe, denn für Verlage würde sowas eher unkalkulierbar, da sich vielleicht manches als Longseller rausstellt, aber allenfalls als Kleinstauflage oder Einzelbuch auf Bestellung „geht“.
@Zentralorgan: (T4-Werbung:...
@Zentralorgan: (T4-Werbung: Talking about my g-g-generation): Mach mal einen Text zu:
Zukunft, Huricane, Finnland und einer Mischfarbe.
@perfekt!57: €77,21. Der sieht doch seine geliebten 44-Tonner nie wieder.
Ich gewinne bei der Diskussion...
Ich gewinne bei der Diskussion um E-Books manchmal den Eindruck, die deutschen Verlage sabotierten sich durch miese Technik und abwegige Preisgestaltung bewusst selbst, um das Print-Geschäft nicht zu stören.
Welche Rechtsanwaltskanzlei würde bspw. noch einen unhandlichen und nach kurzer Zeit veralteten Papierkommentar erwerben, wenn man einen stets aktuellen Kommentar mit Volltextsuche, Verknüpfungen, Urteilen im Volltext usw. auf einem E-Reader bspw. gegen Monatsgebühr bekommen könnte?
Die E-Reader-Technik hat in der letzten Zeit deutliche Fortschritte gemacht. Man betrachte nur den Kindle: Kein Vergleich mit dem „Umweltpapiereindruck“ der ersten Generation. Lesen kann man damit überraschend gut. Leider gibt es immer noch kaum deutsche Literatur dafür.
@Savall:
„kopieren kostenfrei und ohne Einschränkung“ kann auch beim Papierbuch gegen das Urheberrecht verstoßen. Es möchte nicht jeder Autor seine Werke verschenken. DRM ist nicht prinzipiell Teufelskram – es kommt drauf an, wie es im Einzelnen ausgestaltet ist.
Mit dem Preis haben Sie aber definitiv recht: Mehr als 10 EUR pro E-Buch würde ich (zumindest für Belletristik) nicht ausgeben. Möglich wären ja auch Zugaben gegen Aufpreis. Dann könnte der Leser selbst entscheiden, ob er den „reinen Text“ lesen möchte oder ob er mehr haben will.
Savall, die pauschale Aussage...
Savall, die pauschale Aussage mit den 10 % Herstellungskosten gemessen am Preis des Buches stimmt dort nicht, wo es sich um Publikationen in kleinster Auflage für eine ganz engen Leserkreis handelt. Da werden Bücher veröffentlicht, die bisweilen kaum einen nennenswerten Gewinn abwerfen, bei denen man froh ist, wenn die Kosten wieder eingespielt sind, bei denen es jemanden primär darum geht, DASS sie überhaupt erscheinen.
Über ebooks ist schon hinreichend diskutiert worden. „Halbleder, dreiseitig gefärbter Buchschnitt, Zeichenband, Kupferstich-Illustrationen im Text, Farblithographien als Tafeln gebunden“ hat auch das erscheinen und den Siegeszug von Taschenbüchern nicht verhindert. Man beschäftige sich einmal damit, wie diese zu Beginn verteufelt wurden.
@D. A., fast vergessen habe...
@D. A., fast vergessen habe ich Ihren tollen Beitrag heute nochmal in der Druckausgabe als Unterstützung meiner Meinung. Schade, daß man ihn schon eine Woche zuvor gelesen hatte, denn die schönen, leicht blassen Bilder auf dünnem Papier untermauern erst die Zeit der Eroica. Heldenhaftes aber liest man ja gern zweimal. Und erst den Peitschenhieb am Schluß. Auch bei einer „mörderischen“ Radtour sind Sie schon wieder Ihrer Zeit voraus.
@Savall, Observator, bin...
@Savall, Observator, bin absolut Ihrer Meinung, auch wenn ich/man sonst internetaffin ist, aber ein gutes Buch als ebook zu lesen, ist ungefähr so – Feinkostgeschäft fiel eben zutreffenderweise – wie Austern mit Handschuhen zu essen. Köstlich:“…aufschwatzen, wo ihr doch keine Disketten aus dem Jahr 1990 mehr lesen könnt?“
Ja, nicht alles ist dadurch gut, eher das Gegenteil. Das Gleiche trifft auch auf die Zeitung zu. Die Reiseberichte der bspw. FAZ-print sind eben schöner zu lesen als online oder epaper. Kein Rauf- und Runterscrollen, womöglich Akku leer, der Lüfter läuft, keine blinkenden Banner etc. Nur posten geht nicht:-( Vieles wird bleiben wie es ist, wie auch z. B. Bach uns alle „überleben“ wird. Und daran ändern auch all die app`s und social n…….., ich mags nicht ausschreiben, nichts.
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https://www.vogel-nest.de/ebookreader-drm-sucks/
Wie von mir schon andernorts geschrieben: Sobald diese Kinderkrankheiten überwunden sind, werden ebooks gekauft werden. Und die Kinderkrankheiten sind kaum noch technischer Art, sondern bestehen aus dem Abschottungsbedürfnis der Verlage. Sobald die analog zur Musikindustrie, vielleicht getrieben durch Apple, entdecken, daß sich mit Kooperation mehr verdienen läßt als mit Abschottung, fallen die Hürden. 2015 , so denke ich, haben wir einen etablierten ebook-Markt. In den USA hat wohl Amazon bereits dieses Jahr mehr ebooks als gedruckte Bücher verkauft. Das gedruckte Buch wird, wie ja auch die Schallplatte, weiter seine Nische finden. Aber es wird eine kleine Nische sein, auch wenn die Bibliophilen das jetzt noch nicht wahrhaben wollen.