Eine kleine, digitale Schlussfolgerung aus einer kleinen Serie über das digitale Buchwesen
– beginnend beim wenig erfolgreichen E-Autoren
– über den grandios gescheiterten Vertrieb
– bis zum Gefühl, das einen als Leser und Kunden beschleicht.
In Italien begann der Niedergang des gedruckten Wortes – namentlich der Zeitung – mit dem Verschwinden einer kleinen Gerätschaft, die den schönen Namen „Portagiornale“ trägt. Der Portagiornale ist der Zeitungsträger, eine kleine Blechklammer am Vorbau eines Rades, mit dem man die Zeitung vor sich durch die Städte fuhr. Schaut her, sagte der Portagiornale, mein Besitzer klemmt jeden Tag ein Papier in mich hinein, mit dem er sich bildet, informiert und unterhält. Mein Besitzer hat einen gewissen Anspruch, er zeigt, was ihn bewegt. Hinter einem Portagiornale steckt immer ein nicht ganz dummer Kopf. Natürlich konnte man auch ein Buch hineinquetschen. Aber irgendwann war eine Zeitung kein Mittel der Persönlichkeitsbildung mehr, kein Prestigeobjekt, sondern etwas, das man auch in die Tasche tun konnte, vielleicht, weil es nicht gut war, vielleicht, weil der Inhalt peinlich war, vielleicht, weil man Mittags etwas anderes tat.
Bei Büchern ist es weniger das Verschwinden von Gegenständen, als vielmehr das Aufkommen neuer Dinge. Namentlich: Die weissen Ohrstöpsel. Ich habe den Eindruck, als gäbe es da eine gewisse Koinzidenz: Wer die weissen Ohrstöpsel trägt, liest gerade kein Buch. Seit ein paar Jahren wird aus diesem Duell um die Aufmerksamkeit eine unübersichtliche Schlacht, weil auch die Oberflächen von Mobiltelefonen dazu kommen. Das geht durch alle Schichten und Gruppen, und ich denke: Das Buch schlägt sich angesichts des Milliardenaufwandes der Gegner wacker. Wackerer als viele Zeitungen, die teurer, kleiner und dünner werden, ohne dass sie deshalb mehr verkaufen würden.
Gemessen an der Buchzeit, die in Jahrzehnten und Jahrhunderten denkt, sind die Veränderungen des Inhaltekonsums natürlich rasend schnell gekommen. Aus Sicht der digitalen Medien hat es in etwa so lange gedauert, wie es diese digitalen Medien gibt. Und so erklärt sich vielleicht der unterschiedliche Zugang zu diesem Konflikt: Für das Buch sind die digitalen Medien ein schneller Räuber, der die Persönlichkeitsbildung der Menschen an sich reisst. Für die digitalen Medien ist es ein zähes, nie enden wollendes Ringen um Aufmerksamkeit, bei dem man nur langsam und unter grossen Verlusten voran kommt. Verluste etwa wie die Illusion, Menschen würden am Rechner Bücher lesen – das gibt es seit 20 Jahren, und hat sich nicht durchgesetzt. Jetzt versucht man es eben mit kleinen, portablen Lesegeräte. Und die Buchwelt sitzt wie das Kaninchen vor der Schlange,
Dabei spielt die Zeit nach meinem Empfinden eigentlich für das Buch. Die Marktdurchdringung von Internet, Mobiltelefon und Digitalien beträgt doch längst 100%, wer sich verkabeln will, hat das längst vollumfänglich gemacht. Alles ist bereits vorhanden, es kann problemlos konsumiert werden, die Grenzen wurden längst niedergerissen: So weit wie jetzt kommen die Ohrstöpsel und die Displays der Telefone. Sie haben ihre Kunden und ihre Märkte. Die Kunden vielleicht nur so lange, wie die der technischen Entwicklung folgen können, und wer weiss, vielleicht satteln sie später wieder um auf das normale Buch. Die Zeit geht für das Digitale und das Analoge weiter.
Aber die Möglichkeit, einfach so wie das Buch ein Buch zu bleiben, haben die Digitalen nicht: Die Zeiten der neuen Möglichkeiten und des Wachstums sind für das Digitale vorbei, die Nutzer werden bald alles haben, und jetzt bleiben nur noch die internen Verteilungskämpfe um die Zeit, die man mit dem Digitalen verbringt. Man sieht es auf den Märkten der Telekommunikation, man wird es auch auf den Buchmärkten jenseits der Bücher erleben. Stagnation, für das uch der Normalzustand, hat sich für jede stürmische Entwicklung der Technik noch immer als Problem herausgestellt. Und ich habe meine Zweifel, ob man beim E-Reader überhaupt in der Lage ist, andere Strategien zu entwickeln: So ein Buch ist halt kein Auto, dem man mit einem sinnlos kräftigen Motor Prestige einhauchen kann, oder eine Digitalknipse, die mit noch mehr Megapixel keine besonderen Leistungszugewinne, aber wenigstens steten Umsatz bringt. Das geht allenfalls eine Weile gut, und dann schlägt die Zeit und ihre Langsamkeit zu. Wohl dem, der da richtig anhalten kann.
Und Portagiornale sind übrigens in Italien auch wieder der letzte Schrei der Radmode geworden.
Your debutante just knows waht...
Your debutante just knows waht you need – but I know what you want. So geht man um mit Hausfreund(inn)en – wenn es welche sein sollen.
mephistopheles lässt qualmen...
mephistopheles lässt qualmen und rauchen…
.
danke für die auskünfte, liebe Der Tiger; ihre ausführungen sind ja schon beinahe ein vorabdruck.
haben sie sprachunterricht bei Filou nehmen können?
.
jedoch muss ich anmerken, dass ihre schilderungen aus bürgerlicher perspektive recht harmlos anmuten.
solch einen herrn nennt man hier einen mentor…, sieht er so aus, wie einer der beiden älteren herren hier: https://www.youtube.com/watch?v=ThubesQ9PdA?
.
nein, mentor ist ciccio nicht, aber auf seine weise genial, ach ja: https://www.youtube.com/watch?v=6FigvW_6qpg.
.
und was treibt ihr geschätzter bruno so den lieben langen tag?
.
cher, Filou, es gibt nicht nur einen punkt, um das ach und weh der holden weiblichkeit zu besänftigen und zu verwandeln…, ein titelchen gehört wohl kaum dazu.
.
und repliziere sanft bei kerzenschein:
.
der äpfelchen begehrt ihr sehr,
und schon vom paradiese her.
von freuden fühl ich mich bewegt,
dass auch mein garten solche trägt.
.
es gibt nichts, das nicht noch gesteigert werden könnte:
.
einst hatt ich einen schönen traum;
da sah ich einen apfelbaum,
zwei schöne äpfel glänzten dran,
sie reizten mich, ich stieg hinan.
.
Filous traum, n’est-ce pas?
.
ich finde, dass es hier recht friedlich, um nicht zu sagen: beschaulich zugeht…
hauen sie doch mal auf die pauke, lieber don, auf die ganz grosse. man schläft bereits.
Wieso faellt mir da aus dem...
Wieso faellt mir da aus dem Faust etwas ein, dass mit „… aus einem Punkte zu kurieren!“ endet?
@ Tiger 11.12h. "Nur nicht...
@ Tiger 11.12h. „Nur nicht auffallen, liebes Kind“ (Schweizer Sprichwort) – ich wette, Sie sind schon protokolliert worden. Einmal habe ich mein Auto kurz vor der Hintertür (No Parking) parkiert, und nur 5 Minuten später klingelte das Telefon in meinem Wohnzimmer – es war die Stadtpolizei.
Genaugenommen habe ich sogar...
Genaugenommen habe ich sogar zwei italienische Hausfreunde, einen jungen und einen alten. Der junge heißt wie fast jeder zweite Italiener: Bruno. Über den zweiten habe ich folgendes für mein Buch geschrieben:
.
Madame has a house friend, frequently referred to as ‘the old man’, whom she asks for advice in complicated situations. The old man is the caricature of Mr Rodotá. Of course, referring to a respectable gentleman as ‘the old man’ is not very polite. The name popped in my mind on the day, when Mr Rodotá appointed me as Internal Auditor:
.
In the late afternoon on the day before, I had a very long meeting with him. I presented a few reports, but half way through the meeting, he deviated from the reports and started all kind of unrelated questions in a rather tough manner. I answered as good as I could, but when the meeting was over I was rather tired, happy to go back to my hotel and did not notice that this had been a job interview.
.
On the next day I felt sure to have an easy morning. I went to work with the idea of starting the day with a good cup of cappuccino and my beloved FAZ. But as soon as I settled in my office, the secretary of Mr Rodotá entered and asked me to come to the DG’s office immediately. There sat Mr Rodotá with a big smile and said: ‘I have a job for you… internal auditor’. I was shocked. Being only half awake without my cappuccino, I could just say: ‘but I know nothing about internal auditing and anyway, I am a project manager’. Mr Rodotá smiled even more, and answered: ‘yes, I know, and that’s what I need.’ I had no choice but to accept.
.
On the way down from Mr Rodotá’s office in the fourth floor, I felt rather miserable, but a few lines from Goethe’s Faust popped in my mind and cheered me up a little:
.
‘From time to time I like to see the old man,
And take good care not to break up with him.
It is very nice of such a grand gentleman
To talk so human with the devil himself.’
.
From then one, acknowledging that Tiger had found a master, he referred to Mr Rodotá as ‘the old man’ and changed his computer password to: ‘Mephisto’.
Bei Büchern wird kein Akku...
Bei Büchern wird kein Akku leer.
Man kann sie auch bei Sonnenschein lesen.
Sie füllen Schrankwände.
Und dürfen auch mal runterfallen.
Werter DA, Danke für die...
Werter DA, Danke für die Korrektur. Lange her, dass ich das gelesen habe.
peinlichste situationen tun...
peinlichste situationen tun sich vor meinem geistigen auge auf, wenn man das e-buch mit einem tamagotchi zusammenschaltet:
fasst man das dings zu lange nicht an, geht dann irgendwann ein geräusch in der tasche los.
bei erotischer literatur sicherlich ein wildes stöhnen. man stelle sich das vor: in der konferenz, in der u-bahn.
.
bei umsturzliteratur erschallt die internationale…
.
so kann man auch zum lesen gezwungen werden…
.
.
[das oben war noch die humanere variante.
.
aber jetzt kommt es:
bei den geschenkten readern wird es originell:
gestöhne ist bei dem von beat uhhse auch vorstellbar, gekoppelt mit dem säuselnden hinweis auf die neuesten angebote bei den lederpeitschen, die man doch auch neulich erwarb – der reader war eine freundliche dreingabe des hauses; legt vorzugsweise beim besuch der erbtante los.
wenn mm der donator war: ich bin doch nicht doof – immer pünktlich zu arbeitsende.
o tempora o mores!]
Daswa rKardinal Piccolomini,...
Daswa rKardinal Piccolomini, und er sah einzelne Bögen 1454 während des Reichstages in Mainz. Der Durchbruch zum Massenmarktr gelang erst 60 Jahre später mit den sog. Aldinen aus Venedig, heute würde man sagen: Billige Taschenbücher.
Ich glaube, gelesen zu haben,...
Ich glaube, gelesen zu haben, dass, als Gutenberg seine neuen „Druckbibeln“ Händlern vorstellte (war das nicht sogar auf der Frankfurter Buchmesse?), die Reaktion ungefähr lautete: Ach, das sind ja schöne Bücher! Dieses klare Schriftbild! Und billiger als qualitativ vergleichbare Handschriften! Ergo: Vergleichbare Qualität zu deutlich niedrigeren Preisen, mit allen übrigen Vorteilen der Handschrift (Verfügbarkeit, Handhabbarkeit, Haltbarkeit, etc.).
Wenn E-Books das einmal leisten können, werden sie auch eine ernstzunehmende Konkurrenz zu gedruckten Büchern sein. Bislang kommen sie mir wie eine qualitativ minderwertige Spielerei vor, die nur Erfolg hätte, wenn die Verlage sich quasi kollektiv dazu entschlössen, den Markt radikal zu verändern. Etwa den Printbetrieb einzustellen (bzw. massiv einzuschränken, nur stark limitierte Sondereditionen für Bibliophile u.ä.) und so mittels Alternativlosigkeit Nachfrage für E-Books zu schaffen. So ähnlich wie beim Übergang von Vinyl zu CD. Wie realistisch dieses Szenario ist, weiss ich allerdings nicht.