Zuerst denke ich „Oh“, denn sie ist wirklich hübsch. Und dann sage ich leicht verächtlich „Pfff“, denn sie ist wirklich hübsch und auf einem grossen Plakat am Stand abgebildet. Man kennt das. Es bedeutet, dass mir der Verlag die junge Frau als Prinzessin verkaufen will. Jedes Jahr kommt ein neues, unverbrauchtes Gesicht für mittelalte Schmerbäuche im Feuilleton auf die Buchmesse, es ist Frischfleisch für den Betrieb, angezogen von der Hoffnung auf einen Bestseller und noch nicht ahnend, wie ignorant, kulturlos und schlecht angezogen Vertreter und andere Auswüchse des Betriebs sein können. Wobei angezogen immer noch besser als ausgezogen ist, nehme ich an. „Nicht was Du schon wieder denkst“, sagt der Verleger, mit dem ich befreundet bin, „das ist nicht so eine.“
Das hübsche Mädchen ist eine, die ihm gefällt, eine sympathische junge Frau gänzlich ohne Allüren, und obendrein zufrieden in ihrem normalen Brotberuf. Nur ist sie daneben auch noch kreativ, hat ein Gespür für relevante Themen, und muss in ihrer Arbeit Texte verfassen, die sie unterfordern. Also kocht da etwas in ihr, sie hat eine Idee, schreibt, feilt, gibt sich Mühe und weiss, was sie will: Zum wohlwollenden Verleger, zwischen zwei gut gestaltete Buchdeckel. Sie will nicht in die Villa Massimo und auf die Shortlist des Buchpreises, sie will nicht der Liebling des Betriebs und der Medien werden und sie braucht auch kein Stipendium – sie hat einfach nur ein Thema, das ihr wichtig ist. Und der Verlag macht halt das beste daraus, gestaltet das Buch schön und hängt ein grosses Plakat an den Stand, das man anschauen muss. Sagte ich schon, dass sie wirklich hübsch ist?
Auf die Buchmesse kommt sie auch. Nur für einen Tag. Ohne eine dieser grotesken Lesungen, bei denen kaum jemand dem schlechten Ton aus den Boxen folgt, während sich daneben die schnatternden Massen vorbeischieben, ohne Pressepräsenz für nichtssagende Interviews. Sie kommt einfach so, um das Buch und den Stand anzuschauen. Sie schnuppert, sagt der Verleger, nur etwas am Literaturbetrieb, und ist klug genug zu wissen, dass der Betrieb nicht mehr als ein wenig an ihr schnuppern darf. Sie würde mich nicht nach einer Einladung zum Empfang der FAZ fragen, um angeblich wichtige Leute zu treffen, sie weiss, was sie will, das sieht sie hier am Stand, und das reicht ihr auch wieder. Nichts liegt ihr ferner, als eine totale Hingabe an den Betrieb, die keine Vorteile bringt, weil es die meisten so machen. Nur für einen Tag gibt sie ihrer privaten Leidenschaft nach. Sie fährt mit dem Zug heim, scheinbar eine normale, hübsche Buchmessebesucherin, sie ist glücklich, weil sie das Plakat gesehen hat, und geht am Montag wieder in die Arbeit. Hübsch, sagt der Verleger nochmal und gibt mir ihr Buch mit. Mal schauen, ob sie wirklich schreiben kann, oder der Verleger sie nicht ein wenig zu hübsch fand.
Eine Halle weiter versucht ein heftig verlachtes Wunderkind eines Grossverlags – man soll es nicht glauben, aber nicht immer sind Anzeigenabteilung und Rezensent der gleichen Meinung – durch Dauerpräsenz am Stand zu retten, was in diesem Betrieb noch zu retten ist: Die Autorin zum Anschauen, Ansprechen und Interviewen. Morgen wird sie dann gegen das Gedränge und Geschnatter des Besuchertages in Hoffnung auf Awareness anschreien. An derQualität des Buches ändert es nichts, und die Schmerbäuche haben genug Alternativen, die sich hochschreiben können:
So kann man das natürlich auch machen und in die Medien kommen, als abschreckendes, aber nicht als hübsches Beispiel. Abhalten wird so ein Schicksal der öffentlichen Demütigung trotzdem niemanden, manche Besucherin von heute wird in einem Jahr, flankiert von Pressedamen und Plakaten, hier auch ihr Glück versuchen. Heute habe ich mich getäuscht, aber morgen heisst es wieder kritisch sein, sich nicht von den Wünschen der Verlage übertölpeln lassen und keiner von den Schmerbäuchen zu werden, denen solche Jungautorinnen zugehalten werden.
Denn die Existenz der einen bedingt das Auftauchen der anderen, man würde es nicht so treiben, wären damit keine Geschäfte zu machen.
Dreamtimer, egal was man tut:...
Dreamtimer, egal was man tut: Man zahlt immer einen Preis. Meine scheinbare Unabhängigkeit gerade in diesem Kontext sorgt dafür, dass ich sehr exponiert bin. Sei es, dass ich dafür im Netz verleumdet werde (siehe Stefan Niggemeier), sei es, dass genug Leute nur darauf waren, dass ich einen schweren Fehler mache, sei es, dass ich, sollte es hart auf hart kommen, konsequent sein muss bis zur Aufgabe des mir durchaus wichtugen Blogs. Das war so, als ein Verlag mit mir ein Buch machen wollte: ich habe offen gespielt, und sie haben es mit Tricks versucht. Dann habe ich eben abgesagt, obwohl das Biuch fast fertig war. Das muss man auch erst mal können. Und das hat weniger mit Geld als mit Haltung zu tuin. Wobei ich Haltung per se auch nicht positiv finde; jeder Fussballdepp, der einem gegnerischen Fan auf Risiko der Verhaftung das Gesicht einschlägt, hat auch eine Haltung.
Tja Dreamtimer,
der Don...
Tja Dreamtimer,
der Don plaudert „als einsamer Produzent“ recht erfolgreich und mit ansehnlichen Klickzahlen, seine Blogeinträge sind „das Ergebnis (seiner) langen und stillen Arbeit“. Dons Geschäftsmodell ist eine kleine Internet-Oase, das Sammeln von Lesern und deren Bindung an das FAZ-Mutterhaus.
.
Und wir wissen es zu schätzen, nicht mit weiteren E-Book-Verkäufer-Jubeltexten behelligt zu werden. Übrigens, das Supermarktblog wird gerade geschlossen.
Ohne Fleisch kein Preisch....
Ohne Fleisch kein Preisch.
Nun muss man fairerweise...
Nun muss man fairerweise sagen, dass das abgebildete Mädel auf dem Buchcover eines Verlags erscheint, der sich auf erotische Fotografie spezialisiert hat. Sie vermarktet also genau das, was sie soll.
Im übrigen gibt es auf der Buchmesse nicht zu wenige gute Bücher, sondern zu viele, die sich leider (von 4.1 abgesehen) ungünstig verteilen. Wer Zeit und Muße hat, der wird hier Bücher entdecken, die so gut wie nie in eine Großbuchhandlung gelangen. Von den ausländischen Produktionen ganz zu schweigen.
Wenn die Luft nicht so saumäßig wäre und das Kreuz nicht so schmerzte…
"und don - "großgeste der...
„und don – „großgeste der herrenmoral“ – war uns aber hier noch nicht aufgefallen.‘
.
Der Verweis auf Nietzsche war nicht ganz zufällig, perfekt57. Dort wird die Herrenmoral ja auch negativ bestimmt, d.h. als Gegensatz zur Sklavenmoral, d.h. das, was diese nicht ist – „Aristokratische Werte“ und so. Bei Bataille wird das dann zur „Souveränität“. Das sollten Sie aus dem Zitat nicht herauskürzen, sonst zweifle ich an Ihrer Lesefähigkeit.
perfekt!@:In Turin stieg man...
perfekt!@:In Turin stieg man damals baldigst wg. dieser und anderer Umstände von der Droschken -auf die Autoproduktion um. Fiat lux.
@ donna laura - das...
@ donna laura – das „goetheschule-wir-haben-eine-aula-ensemble“ mit den dämlichen grünkübeln „rechts und links vom erhabenen redner“ verlässt uns deutsche in der tat nie.
.
und don – „großgeste der herrenmoral“ – war uns aber hier noch nicht aufgefallen. na ok, kann aber noch kommen, so im scherz, *g*. (und solange einer noch nicht pferde umarmt, solange scheints noch halbwegs ok mit ihm) (ungarische schwarz-weiss-melancholiker – https://www.welt.de/kultur/berlinale-2011/article12584641/Das-arme-Pferd-das-von-Nietzsche-umarmt-wurde.html )
die rechnung geht also auf;...
die rechnung geht also auf; kaum sieht die buch- wie eine erotikmesse aus, schon gibts zulauf.
pfuipfuipfui.
.
wenn man mal genötigt wurde, vor grösseren menschenansammlungen das wort zu ergreifen für einen etwas längeren beitrag, auf kleinem podest und links und rechts garniert von üppigen blumenkübeln, und die ersten, dorthin gezwungenen denken sich bereits vom thema her, dass sie besser in einen entspannenden schlaf fielen, so eröffnet man mit schlüpfrigen spässen. verfehlt seine wirkung nie. nie. aber man muss es im plauderton bringen können, sonst wirkt das ganze wie onkel herbert vom taubenzüchterverein mit betablocker.
die gesellschaft da unten ist dann aber wach. und ziemlich aufmerksam.
"Das Gegenteil kann auch...
„Das Gegenteil kann auch zutreffen: Der Kenner liebt solche Märkte, weiß er doch mit Kennerblick das wenig Gute aus dem Müll rauszupicken. Siehe oft nebenan, beim Don.“
.
Don ist ein Beispiel dafür, dass die Verachtung des Marktes und seines Personals auch einen Markt hat. Letztlich funktioniert sein Name auch als Marke. Daran ist nichts paradox, denn es kommt nicht mit einem marxistisch abgefederten Anti-Kapitalismus daher, sondern mit der großbürgerlichen Geste einer Herrenmoral im Sinne Nietzsches, die es nicht nötig zu hat, zu verkaufen, weswegen er genau das verkaufen kann, was er will und zu Konditionen, die er bestimmt.
.
Ich glaube, die meisten Menschen sind nicht unterwürfig, weil sie so lange unter der Kuratel der Obrigkeit standen, sondern weil sie den Markt nicht durschauen. Diejenigen, die professionell als Verkäufer am Markt agieren, tun es zwar auch nicht, aber sie haben div. Einsätze, können Risiken streuen, orientieren sich an Zahlen, setzen nicht alles auf eine Karte, es sei denn sie verspricht einen besonders hohen Gewinn usw. Es ist ein ganz anderes Verhältnis zu Ware, als wenn Sie als einsamer Produzent, das Ergebnis Ihrer langen und stillen Arbeit, nun endlich in den Läden sehen möchten. Würden Sie wie der Don auftreten, dann gäbe es einfach kein Geschäft, mit niemandem.
@ jeeves; ich habe mich...
@ jeeves; ich habe mich ungenau ausgedrückt: Ich meinte den Messestand , ob man da gestalterischen Einfluss nehmen könne.