Überdruck

Überdruck

Die Liebe zum Gedruckten lässt Menschen auf der Frankfurter Buchmesse wahre Torturen ertragen: Lesungen in schlecht belüfteten Räumen, Herumrennen

Wie man die Verlagskrise überlebt

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Es wird gern über die Zuschussverlage gejammert und gesagt, die Autoren würden ja nur mit dem Scheckbuch gedruckt. Das ist richtig. Aber es ist Geld, viel Geld, und wenn man es nur richtig anpackt, könnten auch grosse, schrumpfende Häuser ein wenig vom Kuchenabbekommen und neue Zahlschichten erschliessen.

 

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Es ist laut. Die Luft ist trocken und stickig. Mit etwas Delirium Einbildung riecht man Sünde, wenn eine schwer gegen den typischen Buchmessepesthauch einparfümierte Frau vorüberschreitet. Die Fachbesucherinnen schreiten nicht mehr, die kriechen nach all dem Stress auf dem Zahnfleisch. Und nach vier Tagen sind auch die Stände nicht mehr wirklich sauber. Bei U**** klebt der Teppich von verschütteten Gratis-Caipis. Die Welt des Lesens ist in Unordnung, und genau im Augenblick der Erkenntnis hält mir jemanden einen Katalog hin, der anders ein: Eine Frau mit dem Aussehen der jungen Anette Schavan ruht im Ohrensessel, ein Windhund liegt auf einem mit rosa Seide bezogenem Hepplewhitesofa, ein offener Kamin, die Wände voller Bücher und Gemälde, und der Tee auf dem Hocker wurde nicht mit billigen Beuteln wie auf der Messe gemacht. Für einen Moment sieht die Messe nicht wie Frankfurt aus, die grölenden Cosplayer mt ihren Plastikschwertern verschwinden aus meinem Bewusstsein, und empfinde wieder so etwas wie Zivilisation, denn es sieht ein wenig aus, wie bei mir daheim in Bayern. Gut, bei mir ist mehr Gold, Tafelsilber und Rokoko, aber nach 4 Tagen Frankfurt ist man anspruchslos.

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Das nehme ich in hier gern an. Und bin leichtgläubig reingefallen, denn die üppig aufgemachte Vorschau gehört einer Zuschussverlagsgruppe, deren blumig erfundenen Namen so edel sind, wie ihre Absichten banal. Drinnen finde ich wirklich ganz schauderhafte Machwerke, so dass ich mich frage, ob dieser Verlag vielleicht von Random House übernommen wurden. Aber es ist immer noch der alte. Nicht ganz billige Zahlverlag. So ist das mit dem Traum von Büchern mit dem eigenen Namen auf dem Einband: Viele sind dafür sogar bereit, sich den Lesern über das Fernsehen anzubiedern, da ist ein üppiger Scheck für die „Druckkosten“, relativ gesehen, fast eine anständige Angelegenheit.

Noch anständiger wäre es, wenn man das Blendwerk nicht so leicht durchschauen könnte. Wenn nicht jeder nach dem ersten Blick schon wüsste, wer hier mit welchen Mitteln in die geistige Aristokratie der Autorenschaft erhoben wird. Und ich habe keine Zweifel, dass manche für mehr Prestige auch mehr zahlen würden. Man muss nur bedenken. was Menschen für einen Doktortitel zu tun bereit sind. Da geht noch was, und das Schöne beim Buchverlegen ist: Man riskiert mit ein paar klugen Tricks nicht seine Karriere. Nachdem auf dieser Buchmesse so viel gejammert wurde, etwa über die bösen Raubkopierer, die die Verlage in den Ruin treiben, ist mir da eine Idee gekommen:

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Wie wäre es, einen alteingesessenen, finanziell aber taumelnden Verlag zu übernehmen, und dann eine spezielle Reihe zu gründen. „Suhrwolt Arcadia“ zum Beispiel, oder „Fischerbertels Optimum“. Man nehme nur bestes Büttenpapier vom Tegernsee, denn die Zielgruppe sind vornehme Menschen, die damit natürlich nicht angeben, sondern vornehm repräsentieren. Ziegenledereinbände sind da unverzichtbar – wer einmal bei den Faksimile war, weiss, was Vermögenden gefällt. Geringer Verkauf ist absolut kein Problem, wenn die Auflage limitiert, signiert und 1-100 durchnumeriert ist, und die meisten Exemplare sowieso vom Autoren genommen werden. Dazu braucht man nur noch ein gehobenes, wohlklingendes Herausgebergremium. Book on Demand hat Vito von Eichborn, für eine Nobellinie schwerreicher Neuautoren schweben mir gefeierte Buchmenschen wie der kraftvolle Vermarkter KT von Guttenberg und die innovativkreative Helene Hegemann (oder wer immer sich hinter diesem Namen als Autor verbergen mag) vor. Bestseller entstehen so zwar sicher nicht, aber diese Zielgruppe will gar nicht in einem Atemzug mit Mario Barth genannt werden, oder den eigenen Namen in der Spiegel Taschenbuchbestsellerliste lesen.

Für die soziale Einordnung werden in dieses Luxusprogramm auch noch literarische Leistungen bekannter Politikers aufgenommen: Germany’s next Christian Wulff wird sich sein Werbebuch nicht von einem Filminvestor bezahlen lassen müssen, sondern es hier durch seine Mitarbeit zugeeignet bekommen. Einmal m Jahr wird dann ein Schloss in der Wallachei Ostzone Mitteldeutschland günstig gemietet, und dort gibt es dann in der Ritterhalle das Jahrestreffen des zugehörigen Clubs, etwa „das bibliophile Athenäum“, zu dem diese Personen des öffentlichen Literaturlebens alle erscheinen. Mit handgedruckter Einladung! Natürlich sind solche Kleinstauflagen enorm teuer, aber der Autor kann sagen: „Ach ne, Kowalski, det jeht nich wa, an dem Tach bin ich auf der Reise zu meinem Autorenverband, wichtiges Treffen mit na Sie wissen schon da gehe ich gar nicht ins Detail, aber da auf Schloss Hagenowbrüchen kann ich einfach nicht fehlen. Det is sowas wie der Bilderberg für die wahrhaft Bibliovielen“. Das klingt doch gleich besser als: „Ich war da am Stand, habe meine Bücher ganz nach vorne geräumt, und in vorderster Frrront habe ich vorbeigehende, betreten wegschauende Cosplayer mit meiner Geschichte der ehrenwerten deutschen Standgerichte von 1939-45 angevorlesenbrüllt“.

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Für solche Herrschaften ist – im Gegensatz zu Jungautorinnen – die Messe nichts Zumutbares. Die möchten ihren literarischen Erfolg in einem Umfeld feiern, das diese Errungenschaften auch wirklich zu würdigen weiss, und da nehme man ihre Kollegen, die Politiker in Geldnot, ein paar Hostessen ohne Piercing und vielleicht noch ein paar verarmte Adlige, denen der Russe und der Pole alles genommen hat, um ein launige Reden über die Bedeutung des Autors in der Gegenwart zur Wahrung der Kultur zu halten. Das ist es, was sie wollen. Da werden viele Hände einander waschen, es wird allen zum Nutzen gereichen, es ist fast wie im echten Literaturbetrieb, nur ohne die Leser – aber auf diese gemeinen Downloader sollte man ohnehin keine mehr Rücksicht nehmen.

 

 

 

Hm.

Vielleicht ist die Buchmesse doch nicht so schlimm. Wir werden es im nächstem Jahr sehen.

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40 Lesermeinungen

  1. Sehr amüsante Idee.
    Gleich...

    Sehr amüsante Idee.
    Gleich dazu passend wüsste ich ein paar wirklich malerische Schlösser und Burgen (in Belgien, Ostdeutschland ist ja kaum zumutbar, besonders kulinarisch) und einige befreundete Adelige. Manche wären sicherlich bereit eine nette kleine Rede zu halten.
    Auf den ersten Blick wirkt das Konzept erprobenswert. Das macht sicherlich eine Menge Spaß und einige Leute sehr glücklich.

  2. ergo sum sagt:

    Beim Kauf von limitierten und...
    Beim Kauf von limitierten und numerierten Exemplaren sollte man stets darauf achten, dass sie NICHT vom Autor signiert sind. Dann sind sie mehr wert, da von größter Rarität.

  3. Der Tiger sagt:

    Ich wurde auch mal in einen...
    Ich wurde auch mal in einen andere, sehr guten Kurs geschickt: ‘How to write a proposal’ (für Aufträge in n Millionenhöhe). Da lernte man unter anderem, dass man als Manager, der für die Aufstellung eines Angebots verantwortlich ist, für ½ Seite Text einen Arbeitstag veranschlagen sollte (worin der Arbeitsaufwand der für das Angebot notwendigen technischen Arbeiten nicht enthalten ist). Meiner Erfahrung nach war das keine schlechte Annahme. Wenn ich dann so dicke Schinkenbestseller sehe, die gewisse Autoren in jährlichem Rhythmus produzieren, denke ich an die Regel, grinse und denke an die andere Regel, die uns in dem Kurs gegeben wurde: ‘Consider every proposal as unique as if it were the only one in your life.’

  4. miner sagt:

    eine marktlücke. eine...
    eine marktlücke. eine echte.
    es gäbe wohl viele gestalten, die sich für eins, zwei millönchen ein buch in einem renomierten velag erkaufen würden.
    einen klitzekleinen teil der gezahlten millönchen könnte man ja zum rückkauf aus dem markt, mit anschliessender verbrennung verwenden. den größten teil aber zur rettung des verlages verwenden.
    und der aufgeplusterte heiopei hat seine gesellschaftliche krönung: hallo, ich bin autor bei ……..

  5. Der Tiger sagt:

    Sehr verehrter Don! – Also,...
    Sehr verehrter Don! – Also, ich hoffe, Sie und ihre Bosse bis zu Herrn Schirrmacher werden nicht beschließen, diesen Blog zuzumachen. Einen eigenen Blog zu organisieren, wäre ich viel zu faul.

  6. schusch sagt:

    Und was steckt da jetzt...
    Und was steckt da jetzt dahinter? Abwicklung oder Neuausrichtung? Und nach welchen Kriterien wird abgeschossen?

  7. donalphonso sagt:

    Ich kann zu den Interna nichts...
    Ich kann zu den Interna nichts sagen, weil ich sie nicht kenne ausser, wie Schader schon sagt, es muss gespart werden.In den Jahren davor konnte der Auflagenschwund durch Überläudr der Frankfurter Rundschau gebremst werden, was man so hört, sinkt die Auflage und mit ihr die Erlöse wieder. Dass mich das nicht betrifft: Die Stützen kommen ganz alleine ohne Platz vorbe auf 8000+x PIs im schlechtesten Fall, und bei den TKPs ist das bei meinem Gehalt und der sonstigen Kostenlosigkeit meiner Dienste ein gutes Gechäft. Über die Jahre wurden immer wieder mal Blogs eingestellt (Paris, London, Genf, Moskau, Junge Literatur Kontreollverlust, Allerseelen, Midlifecrisis), manche von Redaktueren und manche von Freien. Im Vergleich zu anderen (der Westen, die Zeit) waren die Blogs bei der FAZ jeweils enorm langlebig. Und mancher erinnert sich vielleicht – ich hatte mein Blog auch schon mal zugemacht.
    .
    Ich habe aber nicht den Eindruck, dass es sich dabei um eine generelle Absage an Blogs handelt

  8. Der Tiger sagt:

    Der Institutsdirektor des...
    Der Institutsdirektor des Leipziger Literaturausbildungsbetriebs war mit mir zusammen im Privatissimum in Wien und sicherlich konnte er seine Meinung über Sartre und Kirkegaard viel poetischer ausdrücken als ich. Was man in seinem Institut nützliches lernt, wage ich nicht zu beurteilen. Aber ich war auch einmal in einem Schreiberkurs…. „How to write technical Documents“. Da lernte man klare Lastenhefte, System Design Manuals und Verträge zu schreiben. Finanziell eine lohnende Beschäftigung. Nach tausenden von Seiten unliterarischer Auftragsschreiberei macht es dann aber ganz besonders Spaß, völlig frei nur das zu schreiben (und zu verlegen), wozu ich selbst Lust habe.

  9. salonsurfer sagt:

    Was ist denn das für ein...
    Was ist denn das für ein Blog-Sterben hier bei der FAZ, Don? Und der Eric Pfeil mit seinem schrägen Pop-Tagebuch soll auch gekillt werden – das ist für mich nicht nachvollziehbar. Die Blogger-Kosten sind doch Peanuts im Vergleich zu Print!

  10. donalphonso sagt:

    Danke für den Zwischenruf...
    Danke für den Zwischenruf drüben bei „Abspann“ – ich habe dort darauf verwiesen, daqss auch meine Bloggerei nicht unendlich sein wird, aber das war wohl nicht erwünscht, aus welchen Gründen auch immer.

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