Überdruck

Überdruck

Die Liebe zum Gedruckten lässt Menschen auf der Frankfurter Buchmesse wahre Torturen ertragen: Lesungen in schlecht belüfteten Räumen, Herumrennen

Wie man die Verlagskrise überlebt

| 40 Lesermeinungen

Es wird gern über die Zuschussverlage gejammert und gesagt, die Autoren würden ja nur mit dem Scheckbuch gedruckt. Das ist richtig. Aber es ist Geld, viel Geld, und wenn man es nur richtig anpackt, könnten auch grosse, schrumpfende Häuser ein wenig vom Kuchenabbekommen und neue Zahlschichten erschliessen.

 

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Es ist laut. Die Luft ist trocken und stickig. Mit etwas Delirium Einbildung riecht man Sünde, wenn eine schwer gegen den typischen Buchmessepesthauch einparfümierte Frau vorüberschreitet. Die Fachbesucherinnen schreiten nicht mehr, die kriechen nach all dem Stress auf dem Zahnfleisch. Und nach vier Tagen sind auch die Stände nicht mehr wirklich sauber. Bei U**** klebt der Teppich von verschütteten Gratis-Caipis. Die Welt des Lesens ist in Unordnung, und genau im Augenblick der Erkenntnis hält mir jemanden einen Katalog hin, der anders ein: Eine Frau mit dem Aussehen der jungen Anette Schavan ruht im Ohrensessel, ein Windhund liegt auf einem mit rosa Seide bezogenem Hepplewhitesofa, ein offener Kamin, die Wände voller Bücher und Gemälde, und der Tee auf dem Hocker wurde nicht mit billigen Beuteln wie auf der Messe gemacht. Für einen Moment sieht die Messe nicht wie Frankfurt aus, die grölenden Cosplayer mt ihren Plastikschwertern verschwinden aus meinem Bewusstsein, und empfinde wieder so etwas wie Zivilisation, denn es sieht ein wenig aus, wie bei mir daheim in Bayern. Gut, bei mir ist mehr Gold, Tafelsilber und Rokoko, aber nach 4 Tagen Frankfurt ist man anspruchslos.

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Das nehme ich in hier gern an. Und bin leichtgläubig reingefallen, denn die üppig aufgemachte Vorschau gehört einer Zuschussverlagsgruppe, deren blumig erfundenen Namen so edel sind, wie ihre Absichten banal. Drinnen finde ich wirklich ganz schauderhafte Machwerke, so dass ich mich frage, ob dieser Verlag vielleicht von Random House übernommen wurden. Aber es ist immer noch der alte. Nicht ganz billige Zahlverlag. So ist das mit dem Traum von Büchern mit dem eigenen Namen auf dem Einband: Viele sind dafür sogar bereit, sich den Lesern über das Fernsehen anzubiedern, da ist ein üppiger Scheck für die „Druckkosten“, relativ gesehen, fast eine anständige Angelegenheit.

Noch anständiger wäre es, wenn man das Blendwerk nicht so leicht durchschauen könnte. Wenn nicht jeder nach dem ersten Blick schon wüsste, wer hier mit welchen Mitteln in die geistige Aristokratie der Autorenschaft erhoben wird. Und ich habe keine Zweifel, dass manche für mehr Prestige auch mehr zahlen würden. Man muss nur bedenken. was Menschen für einen Doktortitel zu tun bereit sind. Da geht noch was, und das Schöne beim Buchverlegen ist: Man riskiert mit ein paar klugen Tricks nicht seine Karriere. Nachdem auf dieser Buchmesse so viel gejammert wurde, etwa über die bösen Raubkopierer, die die Verlage in den Ruin treiben, ist mir da eine Idee gekommen:

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Wie wäre es, einen alteingesessenen, finanziell aber taumelnden Verlag zu übernehmen, und dann eine spezielle Reihe zu gründen. „Suhrwolt Arcadia“ zum Beispiel, oder „Fischerbertels Optimum“. Man nehme nur bestes Büttenpapier vom Tegernsee, denn die Zielgruppe sind vornehme Menschen, die damit natürlich nicht angeben, sondern vornehm repräsentieren. Ziegenledereinbände sind da unverzichtbar – wer einmal bei den Faksimile war, weiss, was Vermögenden gefällt. Geringer Verkauf ist absolut kein Problem, wenn die Auflage limitiert, signiert und 1-100 durchnumeriert ist, und die meisten Exemplare sowieso vom Autoren genommen werden. Dazu braucht man nur noch ein gehobenes, wohlklingendes Herausgebergremium. Book on Demand hat Vito von Eichborn, für eine Nobellinie schwerreicher Neuautoren schweben mir gefeierte Buchmenschen wie der kraftvolle Vermarkter KT von Guttenberg und die innovativkreative Helene Hegemann (oder wer immer sich hinter diesem Namen als Autor verbergen mag) vor. Bestseller entstehen so zwar sicher nicht, aber diese Zielgruppe will gar nicht in einem Atemzug mit Mario Barth genannt werden, oder den eigenen Namen in der Spiegel Taschenbuchbestsellerliste lesen.

Für die soziale Einordnung werden in dieses Luxusprogramm auch noch literarische Leistungen bekannter Politikers aufgenommen: Germany’s next Christian Wulff wird sich sein Werbebuch nicht von einem Filminvestor bezahlen lassen müssen, sondern es hier durch seine Mitarbeit zugeeignet bekommen. Einmal m Jahr wird dann ein Schloss in der Wallachei Ostzone Mitteldeutschland günstig gemietet, und dort gibt es dann in der Ritterhalle das Jahrestreffen des zugehörigen Clubs, etwa „das bibliophile Athenäum“, zu dem diese Personen des öffentlichen Literaturlebens alle erscheinen. Mit handgedruckter Einladung! Natürlich sind solche Kleinstauflagen enorm teuer, aber der Autor kann sagen: „Ach ne, Kowalski, det jeht nich wa, an dem Tach bin ich auf der Reise zu meinem Autorenverband, wichtiges Treffen mit na Sie wissen schon da gehe ich gar nicht ins Detail, aber da auf Schloss Hagenowbrüchen kann ich einfach nicht fehlen. Det is sowas wie der Bilderberg für die wahrhaft Bibliovielen“. Das klingt doch gleich besser als: „Ich war da am Stand, habe meine Bücher ganz nach vorne geräumt, und in vorderster Frrront habe ich vorbeigehende, betreten wegschauende Cosplayer mit meiner Geschichte der ehrenwerten deutschen Standgerichte von 1939-45 angevorlesenbrüllt“.

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Für solche Herrschaften ist – im Gegensatz zu Jungautorinnen – die Messe nichts Zumutbares. Die möchten ihren literarischen Erfolg in einem Umfeld feiern, das diese Errungenschaften auch wirklich zu würdigen weiss, und da nehme man ihre Kollegen, die Politiker in Geldnot, ein paar Hostessen ohne Piercing und vielleicht noch ein paar verarmte Adlige, denen der Russe und der Pole alles genommen hat, um ein launige Reden über die Bedeutung des Autors in der Gegenwart zur Wahrung der Kultur zu halten. Das ist es, was sie wollen. Da werden viele Hände einander waschen, es wird allen zum Nutzen gereichen, es ist fast wie im echten Literaturbetrieb, nur ohne die Leser – aber auf diese gemeinen Downloader sollte man ohnehin keine mehr Rücksicht nehmen.

 

 

 

Hm.

Vielleicht ist die Buchmesse doch nicht so schlimm. Wir werden es im nächstem Jahr sehen.

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40 Lesermeinungen

  1. donalphonso sagt:

    Bücher werden nicht...
    Bücher werden nicht verbrannt, soe kommen in die Aufbereitung und erstehen vielleicht irgendwann neu, und dann besser. Aberr in Häusern mit Tradition hebt man das sicher auf. Da hat der Opa mal unser Erbe verprasst… so in der Art.

  2. donalphonso sagt:

    Man könnte auf diese Art...
    Man könnte auf diese Art natürlich auch all den Berliner Künslerexistenzen zu einem Zubrot verhelfen, und die Qualität der Texte würde, wenn da nochmal ein Lektor drüber geht, auch nicht schlechter.

  3. HansMeier555 sagt:

    Und wer wirklich literarischen...
    Und wer wirklich literarischen Ehrgeiz hat, kann sich ja auch einen echten Schriftsteller als Ghostwriter engagieren.
    Der a) das Geld braucht und b) sich auch mal in schöner Aufmachung gedruckt sehen will und c) heilfroh ist, dass ihm bei so was der Lesereise-Zirkus erspart bleibt.

  4. Ja, die Vorstellung passt....
    Ja, die Vorstellung passt.
    Schöne Autos im Spalier vor der Zugbrücke geparkt.
    Der Garten, der Rittersaal, die Reden in der Bibliothek (die dann ein Pflichtexemplar bekommt), …
    Sicherlich wunderbare Bilder.
    Die Magazinleser werden sie lieben.

  5. donalphonso sagt:

    ergo sum, vielleicht beides?...
    ergo sum, vielleicht beides? Zusätzliche Exklusivität im Doppelpack?
    ,
    Nicolai v. N., man bräuchte nur noch ein paar käufliche Journalisten (ich würde dann auch Mittleres Management von Burda und Springer einladen, die sind immer schnell am Buffet), und denen dort eine Art Societyliteraturfestlichkeit verkaufen. Schöne Bilder, und so ein normaler Magazinleser weiss doch ohnehin nur, wer Harry Potter ist.

  6. donalphonso sagt:

    Nein, es bleibt alles beim...
    Nein, es bleibt alles beim Alten. Wir haben uns – allerdings vorrangig aus privaten Gründen – entschlossen, die Frequenz bei Deus Ex Machina vorerst etwas zu reduzieren, ansonsten ist alles wie immer.
    .
    schusch, ich weiss es nicht, aber nach allem, was ich über Sparbemühungen weiss, sind Kosten/Nutzenrechnungen das A und O. Je teurer etwas ist und je weniger es bringt, desto eher sperrt man es zu. Bei den Blogs muss man bedenken, dass sie reine Onlinetexte sind – von der Printzweitverwertung aus betrachtet also teuer. Und deshalb hänge ich mich von Anfang an da auch so rein und mache meinen Leuten auch Druck. Das hat dann wenig mit entspanntem Arbeiten zu tun, aber es läuft.

  7. fionn sagt:

    Re Web Logs-
    DA hat sich schon...

    Re Web Logs-
    DA hat sich schon erfolgreich etabliert – muss er sich nun vertieft mit Online Marketing beschäftigen?

  8. HansMeier555 sagt:

    Nichts währt ewig.
    Aber wenn...

    Nichts währt ewig.
    Aber wenn die Welt morgen unterginge, würde ich heute noch schnell meinen blöden Senf dazugebeen.

  9. Inge sagt:

    das waere aber ein Verlust...
    das waere aber ein Verlust fuer die Zeitung sowohl fuer die Leserschaft und die Zeitblogs kenne ich nicht

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