Digital Twin

Darf man Angst vor Google haben?

© dpaEin „emotional interaction multifunctional intelligent service robot“ namens „Future Robot“, zu sehen auf der diesjährigen CES in Las Vegas.

Die Liste ist bekannt und viel genannt: Google kaufte Motorola, was Analysten für einen wichtigen Schritt hielten. Für einige Software-Unternehmen habe es sich ausgezahlt, Hardware nicht nur selbst herzustellen, sondern auch Patente und Personal – echtes Knowhow – für die Geräteproduktion zu haben. Nachdem Google das Roboterunternehmen Boston Dynamics kaufte, stellte das Unternehmen von sich aus öffentlich fest, nun nicht auch noch im militärischen Hardwarevertrieb mitmischen zu wollen.

Googles teurer Kauf von Nest, einem Hersteller für Haushaltselektronik – die derzeit, im Falle der Thermostate, entweder politisch forciert wird oder, im Falle der Rauchmelder, bereits gesetzlich verpflichtend ist -, passte wieder ins Bild. In diesem Fall äußerte sich Nest-Gründer Tony Fadell kurz und doch vielsagend: „Google-Chef Larry Page hat eine kühne Vision, und wir sehen beide, wie viele Möglichkeiten sich uns bieten.“

Vernetzung heißt Intelligenz, scheint der Gedanke dahinter zu sein. Googles neuster Zukauf steht nun wieder unter dem eigentlichen Thema. Mit Deepmind kaufte das Unternehmen einen „Experten für künstliche Intelligenz“, die Investition in vermuteter Höhe von einer halben Milliarde Dollar ist eine Etappe der langen Strategie, maschinelles Lernen weiterzuentwickeln und in welcher Form auch immer künstliche Intelligenz zu erschaffen.

© Gordon TarpleyDer Kampf traditionsbewusster Mensch gegen Boston-Dynamics-Maschine (illustriert)

Unter Berücksichtigung, dass das Internet als rationale Wissensmaschine sehr wohl unliebsame aber legitime Emotionen (Morozovs Hass und Lobos Kränkung) hervorrufen kann, stellt sich die Frage: Darf man Angst vor Google haben? In anderer Form beschäftigt sich selbst Google intern mit dieser Frage. Zu der Übernahmevereinbarung zwischen Google und Deepmind gehörte offenbar die Forderung der Londoner Forscher zur Maschinenintelligenz, dass Google einen Ethikrat einrichtet.

Nach etlichen Jahren der hoffnungsvollen Märchenerzählung vom vernetzten Kühlschrank schreitet die Vernetzung nun so weit voran, dass nicht nur Google und andere Unternehmen die Notwendigkeit weiterer Diskussionen sehen. Das Unbehagen des Einzelnen ist dabei die eine Seite. Auf der anderen Seite versucht die Politik Schritt zu halten.

Während die Unternehmen jedoch bewusst unter Auschluss der Öffentlichkeit diskutieren, gelingt der Politik die offene Debatte nicht. An Argumenten und Thesen mangelt es dennoch nicht, wie John Kornblum, der ehemalige amerikanische Botschafter in Berlin, diese Woche bei Günter Jauch zeigte. Beide Zitate sind in der Diskussion um das Interview mit Edward Snowden gefallen und können für sich stehen:

Wir sind am Anfang der Phase der Hochtechnologie. In zehn Jahren wird das ganz anders aussehen. Das, was jetzt gemacht wird, wird wie Kindergarten gesehen werden. Es wird neue politische Konzepte und Maßnahmen geben. Es ist keine Frage von Verhandlungen und der Geheimdienste, sondern es ist eine höchst-politische Frage. Wir dürfen nicht übersehen, dass die Töne, die man in den vergangenen Monaten in Deutschland gehört hat – Ausstieg aus den Abkommen mit den Vereinigten Staaten, Abschottung des Internets in Deutschland, Ausstieg aus der Zusammenarbeit in nachrichtendienstlichen Sachen -, bedeuten würden, dass die Bundesregierung mehr oder weniger isoliert würde, ohne Schutz sein würde. (…) Die Europäer, die Bundesregierung vor allem, dürfen nicht übersehen, dass man mehr oder weniger diesen Teil der Regierungsverantwortung aufgegeben hat. (…) Tatsache ist, die Europäer sind heute angewiesener auf den Schutz durch die Amerikaner als vor zwanzig Jahren, weil die Welt sich so entwickelt hat und die Kapazitäten der Europäer nicht standgehalten haben. Das sind Punkte, die man diskutieren muss.

Wie soll ein Land wie die Bundesregierung in Zukunft mit diesen Technologien umgehen? Welche Partner haben sie? Wenn sie Amerika nicht haben, dann müssen sie sehen, wie sie mit der Technologie umgehen. Tatsache ist, dass Amerika schon heute, und wenn noch nicht heute dann in fünf oder zehn Jahren, auch nicht mehr souverän sein wird. Die Kontrolle über die Technologien wird aus den Händen gleiten. (…) Die Technologie ist bereits an den Punkt, wo sie höchstwahrscheinlich nicht einmal durch die amerikanische Regierung kontrolliert werden kann. Ich sage höchstwahrscheinlich, weil ich es nicht weiß. Aber nehmen wir an, dass das jetzt schon stimmt, dann wäre die Wahrscheinlichkeit, dass die Bundesregierung es kann, noch geringer. Es gibt das Bedürfnis nach neuen politischen Konzepten. Aber die faktische Wahrheit ist, dass das Zentrum dieser Konzepte wahrscheinlich ewig die Vereinigten Staaten sein werden.

Es sind wohlüberlegte Sätze, Gedankengänge die Kornblum weder spontan gekommen waren noch als Talkshow-Floskeln zu übergehen sind. Die Fragen, die Kornblum aufwirft, entspinnen sich an einem neuen Phänomen. Die Datenunternehmen des Silicon Valley zeigen nicht nur das Bestreben, nirgendwo mehr Steuern zahlen zu müssen. Sie arbeiten darüber hinaus daran, sich vom Konzept des Nationalstaats zu befreien, in dem sie entweder einen eigenen Staat gründen, oder auf künstliche Inseln in internationale Gewässer umziehen. Um Hirngespinste handelt es sich dabei nicht. Die Ideengeber sind die finanzkräftigen Förderer etlicher Silicon-Valley-Ideen, deren Zeit sie kommen sehen.

Entsprechend ernstzunehmend sind die Ängste der Politik vor den der staatlichen Kontrolle enteilenden Technologie, die Kornblum anspricht. Die Strategie, die Kornblum wählte, ist jedoch noch immer die Verknüpfung von Terrorgefahr und Technologiehoheit, als gäbe es für die politische Gestaltung des technologischen Fortschritts keine anderen Wege. Warum beispielsweise ist die NSA der weltweit größte Arbeitgeber für Mathematiker? Es könnten ebenso die Universitäten sein, auf die Amerika so stolz ist.

Nun sind es ausgerechnet die staatlichen Institutionen, die noch geheimer mit ihrem technologischen Fortschritt umgehen als die Silicon-Valley-Unternehmen. Dabei wäre – wenn nun an neue politische Konzepte gedacht wird, die nur in internationaler Gemeinschaft umsetzbar sind – das Gegenteil interessant, nämlich eine neue Balance aus Geschäftsinteressen und Gemeinwohl; öffentliche Universitäten, statt Geheimdienste, die sich an Googles Seite mit der Suche nach künstlicher Intelligenz beschäftigen und im Zweifel sogar vermeintlich absurde Science-Fiction-Fragen verständlich beantworten können. Beispielsweise, ob und wie die folgende Hollywood-Szenerie passieren kann, oder wovor man nun wirklich keine Angst haben muss.

(Bilder: dpa, Gordon Tarpley)

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