
„Drin bleiben und die Beobachter beobachten!“ Claudius Seidl hat sich in seinem gar nicht schmeichelhaften Geburtstagsartikel für Facebook festgelegt. Seit inzwischen zehn Jahren fragmentiert Facebook Menschen, um sie Stück für Stück maschinell zu verwerten. Doch alles, was bislang auf diese Beobachtung folgte, waren – Fragen. Nicht nur die Wissenschaft tut sich noch immer schwer mit der digitalen Sozialität und der neuen Ökonomie, die ihr folgte. Wie also kann das Zurückbeobachten von nun an funktionieren?
Die Wiener Wirtschaftsinformatikerin Sarah Spiekermann hat gemeinsam mit dem Juristen Maximilian Schrems eine pragmatische Herangehensweise gefunden: Beide bauten eine App, die wie ein Spiegel funktioniert und jedem Nutzer von Facebook das eigene Profil aus App-Perspektive zeigt. Die „Privacy Awareness App“ fragt dazu einmal alle elektronischen Schnittstellen ab, über die Facebook Nutzerdaten an zahlende Kunden, hauptsächlich Werbetreibende, weiterleitet.
Die Suche dauert nur ein paar Sekunden. Das Ergebnis ist eine Aufschlüsselung all der Bilder, Gedanken, Vorlieben, Bewegungen und Begegnungen, aus denen sich die eigene digitale Identität zusammensetzt. Das Bewegungsprofil wird auf einer Karte dargestellt und der Freundeskreis als Netzwerk, in dem sich weiter recherchieren lässt. Mit dieser App lässt sich nun zumindest das offensichtlich Gesammelte anzeigen und herunterladen.
Für die Aufklärung darüber, dass Facebook tatsächlich sogar noch mehr weiß, als es hier verrät, war ebenfalls Schrems verantwortlich. Vor zwei Jahren fragte er Facebook hartnäckig nach seinen Daten und bekam nach etlichen Wochen zugesandt, was Facebook über ihn im Datenspeicher hatte: 1222 Seiten Text, inklusive aller Dokumente und Notizen, die er selbst aus seinem Profil eigentlich längst gelöscht hatte.
Zu erfahren, was die Maschinen über uns wissen, war auch ein Anliegen der Autoren Sascha Lobo und Felix Schwenzel. Vor neun Monaten präsentierten sie auf der Republica-Konferenz in Berlin ihre App „Reclaim“. Sie dockt ebenfalls an die Datenschnittstellen von Social-Media-Diensten an und fordert die angefallenen Daten zurück. Eigene Kreationen – Texte, Bilder und Videos – sollen so aus den Datensilos der Netzgiganten befreit und unter eigener Domain ein zweites Mal publiziert werden können.
Schwenzel arbeitet auch heute noch an dem Projekt. Seine Blogartikel dokumentieren, wie schwer es die Dienste ihren Nutzern machen, die persönlichen Datenströme zu kontrollieren. Offenheit ist, auch wenn die Anbieter anderes behaupten, fast nirgendwo mehr gegeben. Selbst Twitter verfügt über keine standardisierte Schnittstelle mehr und beschränkt selbst die Suche nach Tweets auf wenige Tage.
Der aus Sicht der Nutzer praktischste Weg wäre, die Daten von Beginn an selbst im Internet zu verwalten. Der Designer Peng Zhong nahm Edward Snowdens Enthüllungen zu „Prism“ im vergangenen Sommer zum Anlass und zeigt freie Alternativen zu den großen Diensten auf. „Prism“ ist der Name des Spionageprogramms, mit dem sich die NSA den Datenschatz von Google, Facebook, Apple und weiteren Diensten zunutze macht.
Zhong gestaltete die Website „Prism-Break“, auf der er für jeden populären Internetdienst freie Alternativen nennt. Die ständig aktualisierte Seite gibt es inzwischen auch auf Deutsch. Sie lässt kaum noch eine Frage offen. Letztlich, sagt Zhong, geht es um den Menschen, der von sich durchaus behaupten könne, selbstbestimmt zu sein. Der darüber hinaus aber auch ziemlich faul sei. Facebook hat damit sein Geschäft gemacht.