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Keine Trolleranz!

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Nicht beeindruckt: Troll-Guru Adler King© Zero TrolleranceNicht beeindruckt: Troll-Guru Adler King

Adler King ist ein selbsternannter Guru, der ein wenig aussieht wie Nosferatu aus dem Spielfilm von Friedrich Wilhelm Murnau. Und als Guru macht King, was ein Guru so macht: Er spricht zu seinen Jüngern und versucht, Irrgläubige auf den rechten Pfad zu führen. Dazu steht er etwa vor einem beruhigenden Hintergrund, auf dem Wellen an den Strand schäumen oder vor einem langsam schmelzenden Eiszapfen, gerade so, als sei er in einen Windows-Bildschirmschoner hineingelaufen. King hat ein Programm aufgelegt, das er „Zero Trollerance“ nennt. Das Ziel: Sexistische Trolle dazu zu bringen, ihren Hass auf Frauen über Twitter doch einfach sein zu lassen. Laut Guru King geht das in sechs Schritten: Kein Verleugnen (des Hasses), kein Internet, kein Ärger, keine Angst, kein Hass, kein Troll. So sollen die Trolle lernen, mit Frust umzugehen und sich im Netz anständig zu verhalten – in dieser Online-Selbsthilfegruppe und in nur sechs Tagen.

Laut seiner Seite Zerotrollerance.guru hat das Programm bereits über 18000 Teilnehmer, darunter etwa @wordoftherod69, der im fünften Video „Zero hate“ mit seiner „feministischen Zumbatanzgruppe“ sein Trolltum überwunden hat. Und Adler King brüllt den Trollen im Video entgegen: „Auch du kannst nett sein!“ Doch die gesamte Aufmachung der Filme und der Seite ist mit seinem funky Intro, den amateurhaften Hintergründen und der motivierenden Ansprache so deutlich überdreht, dass es leicht als Persiflage auf missionarische Videos auf Youtube erkennbar ist. Auch die 18000 Teilnehmer auf der Website sind ausgedacht, Adler King ein Schauspieler.

Denn dahinter steckt das „Peng!-Collective“, eine Gruppe von deutschen Aktivisten, die Ende 2013 mit der Sabotage-Aktion einer Veranstaltung des Ölkonzerns Shell bekannt wurden, sich im vergangenen Jahr bei der re:publica als Google ausgaben, dort vier Produkte vorstellten oder zum vergangenen Weihnachtsfest manipulierte Grußkarten mit Abschiebungs-Botschaft im Namen von Bundeskanzlerin Angela Merkel verschicken. Für manche dürfte das Peng-Kollektiv also der Archetyp des Trolls sein, sie selbst verstehen sich als Aktionskünstler. Mit „Zero Trollerance“ wollen sie sich humorvoll gegen sexistische Trolle wenden und ihren Stil imitieren. „Wenn man sich über Sexismus beschwert, verdrehen viele die Augen und sagen: ‚Du hast zwar recht, aber du nervst'“, sagt Jean Peters, einer der Gründer des Kollektivs. Deshalb sei die Aktion nun „schlichte Diskursarbeit“. Es gehe darum, das Thema  in satirischer Form aufzugreifen, nicht mit der „Nörgelstimme“, wie Peters sagt.

Ein Algorithmus erkennt, welche Twitter-Accounts Sexismus verbreiten.© Peng!-CollectiveEin Algorithmus erkennt, welche Twitter-Accounts Sexismus verbreiten.

Dafür hat Peng! rund 10000 Twitter-Profile identifiziert, die „ein brutales, sexistisches und gewalttätiges Verhalten aufweisen“, und selbst 160 gefälschte Profile bei Twitter angemeldet, die diese unter Namen wie @trollcoachyan oder @trollcoachmira  wie Spam-Bots mit Links zu den Videos ihres Gurus bombardieren sollen. Weil Twitter solche Spam-Accounts in der Regel schnell blockiert, hoffen die Aktivisten, dass aus der Gruppe der anonymen Unterstützer weitere Personen Fake-Accounts anlegen, um die Gegen-Troll-Aktion weiter laufen zu lassen. Von heute an soll das nach Willen des Kollektivs sechs Tage laufen.

Allein: Was das bringt, ist unklar. Das ist ohnehin ein Problem im Umgang mit Trollen: Es gibt noch keine echte Lösung für den Umgang mit Online-Beleidigungen. Von „don’t feed the troll“ über blockieren bis zum zurückärgern, wie es einige Medien betreiben, gibt es viele Varianten. Die Autorin Lindy West hat kürzlich einen ihrer schlimmsten Trolle konfrontiert – und es geschafft, dass er sich für seine Hassausbrüche entschuldigt hat.

Man kann nicht mit jedem reden und auch nicht jeder Störenfried hat es verdient, dass man ihn ernst genug für eine Diskussion nimmt. Ob aber zurücktrollen die Lösung ist?


2 Lesermeinungen

  1. MichaelSteuben sagt:

    Edel sei der Mensch und boese ist der Troll
    Jo! Damit waeren wir uns doch fast alle einig, wo gut, wo boese und wo die Grenzlinie zu ziehen ist. Was ist nun der Mehrwert hiervon? Richtig INTERESSANT waere dieser Beitrag geworden, haette man sich ein wenig mehr den Begleitumstaenden von Trollen und vermeintlichen Trollen gewidmet. Es ist inzwischen naemlich nicht mehr all zu selten in Online-Foren zu sehen, wie die Autoren unliebsamer Meinungen auch sofort den Troll-Stempel aufgesetzt bekommen. Die Frage, wer da nun wirklich herumtrollt (der unliebsame Schreiber, der eine andere Meinung hat) oder der vorgebliche Trolljaeger (der haeufig, ach nur all zu haeufig, ausser Beleidigungen dann selbst nichts Substantielles zu bieten hat..), das sei dahingestellt. Ich haette dieses Phaenomen gerne einmal diskutiert gesehen…

  2. -simon- sagt:

    Zurücktrollen ist nicht das Mittel,
    ich würde mit „gnadenloser“ Höflichkeit antworten. Man erlebt solche Trolle auch bei Onlineverkäufen. Da wird man in einem Ton angeranzt, der geradezu herausfordert, mit auserlesener Sachlichkeit und Höflichkeit zu antworten. Mit gleicher Münze heimzahlen, nee, auf das Niveau begebe ich mich nicht. Hatte grad so einen Fall, die Käuferin war anscheinend des Lesens unkundig und mailte mir in einer Art und Weise, die mir nicht im Traum einfallen würde. Ich habe ihr sehr liebenswürdig, sogar ohne Ironie, obwohl mir das schwerfiel, und sachlich beschrieben, was sie wohl übersehen hatte, ich, obwohl gar nicht dazu verpflichtet, natürlich sehr gern bereit sei, den Artikel zurückzunehmen usw. und so fort. Die Dame hat sich die Auktion dann wohl noch einmal angesehen und sich na ja fast entschuldigt. Ich habe den Artikel wieder, die Verkaufsprovision wurde mir sofort gutgeschrieben, die Käuferin ist bei mir gesperrt und kann mich nun mal ganz furchtbar gern haben.
    Die Dame am Ebay-Telefon, der ich diesen Fall schilderte, erzählte mir einiges zur Korrespondenz von Käufern zu Verkäufern. Was sie da zu lesen bekämen, wäre unbeschreiblich. Die Leute verstiegen sich im Ton zu Ausdrücken, die sie wohl niemandem direkt sagen würden.

    Das ist der Preis für das Neuland 😉 Nullnummern und ewig Zukurzgekommene, die auch im richtigen Leben Idioten sind, toben sich im Netz via Verbalattacken aus und fühlen sich grundsätzlich im Recht. Sich aufzuregen wäre nutzlos vergeudete Energie und gewährte eine diesen Leuten nicht zustehende Aufmerksamkeit.

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