Wer sich heute die alten James-Bond-Filme mit Sean Connery anschaut, kann sich auf einen veritablen Kulturschock vorbereiten. Bond bekommt alle Frauen ins Bett, obwohl er sich – schockschwerenot! – den Rücken nicht enthaart hat. Auf den Schultern sprießt es auch. Und vorne erst. Den Frauen mit den undefinierten Oberarmmusken und dem Hüftspeck, die sich mit ihm ins Laken rollen, scheint das überhaupt nichts auszumachen. So ändern sich die Körperbilder, denn inzwischen ist das undenkbar: Daniel Craig ist als Bond selbstverständlich komplettenthaart, wie anscheinend jeder heutzutage, der etwas auf sich hält. Und die Damen, die man damit ins Bett bekommt, sind natürlich auch haarlos, durchtrainiert und speckfrei.
Der Rasierer an sich ist ein eher männlich konnotiertes Objekt, obwohl bei den Frauen die zu rasierenden Flächen meist viel größer sind. Äußerlich unterscheiden sich Rasierer und Damenrasierer schon deutlich: Die Herrenvariante sieht aus, als könne man ein Raumschiff damit starten und trägt einen Namen, als könne man Außerirdische damit erschießen: Fusion Power Stealth, Titanium Precision Freestyle, Mach 3 Turbo. Das können die Produktvermarkter eigentlich nur aus Science-Fiction-Heftromanen abgeschrieben haben. Die Damenrasierervermarkter hingegen haben sich offenbar eher mit dem Genre des Softporno beschäftigt: Intuition Hydra Soft, Venus Vibrance, Venus Passion (mit pflegenden Feuchtigkeits-Gleitstreifen). In ihrer organischen Milcheisoptik gemahnen sie an eine Welt der Hygiene, der Intimzonen und der hellblauen Ersatzflüssigkeiten.
Was ist denn da jetzt der Unterschied? Haare machen sie alle weg. Aber bei den Herren sachlich und mit technischer Präzision, während die Damen sanft und gefühlvoll rasiert werden. Bei den Herren geht das auch ohne Pflanzenextrakte ab, bei den Damen dagegen geht gar nichts ohne Aloe Vera oder zumindest Melone. Diese ganze Frauenkosmetik ist ja ein einziger Obstsalat.
Ziel der Übung ist die völlige Haarlosigkeit des Körpers bis auf das Kopfhaar. Was sprießt, gilt als ungepflegt, gar als unsauber, Körperhaaren wird oft sogar mit Ekel begegnet. Aber Ekel ist kein angeborenes, sondern ein anerzogenes Gefühl, und wer sich vor Haaren ekelt, hat ein Problem. Man will das ja nicht weiter psychologisieren wollen, was es bedeutet, ausschließlich Körper in vorpubertärer Haarlosigkeit als erstrebenswert zu empfinden, man kommt sofort auf unschöne Abwege. Am besten, man denkt an Barbies und an Plastik und fragt sich, warum ausgerechnet sowas als anziehend gilt.
Anblicke, wie sie sich Gustave Courbet 1866 boten, müssen wohl mittlerweile unter Denkmalschutz gestellt werden. Man will das Wilde nicht mehr, das Ungezähmte, den Urzustand. Glatt muß es sein, abwischbar, durchschaubar. Ein von Haaren bedeckter Körperteil gilt als obszöner als ein unbehaarter, nackter. Denn das Bedeckte ist geheimnisvoll, ist unberechenbar. Aber finstere Winkel sind verpönt, da räumt der Rasierer auf wie ein Wischmop, alles soll hell sein und offen wie ein Loft voller Designermöbel. Nicht einmal ein Schatten darf da sein, das muß aussehen, als seien da nie Haare gewesen, nur dann ist es richtig. Und entsprechend arbeitet man an der Hinrichtung des Körpers, an jedem Detail feilt und pflegt man herum, jeder Muskel wird trainiert, bis das Gesamtergebnis einer gewissen Norm entspricht, von der man auch nicht wissen will, wo die nun wieder herkommt. Es wird gearbeitet, bis alles vorzeigbar ist, denn man scheut sich nicht, alles zu zeigen.
Irgendwann einmal haben Menschen das Talent besessen, sich so anzuziehen, daß die Kleidung ihnen zum Vorteil gereicht. Inzwischen scheint es die Tendenz zu geben, den Körper der Kleidung anzupassen – weil es möglich ist. Es wird nicht mehr bedeckt, was hängt, es darf einfach nichts mehr hängen. Und auch sonst sollte sich so wenig Individualität wie möglich zeigen, und so viel silikonglatte, pralle, gleichmäßige Fläche wie möglich. Der Rasierer und der ewige Kampf gegen die Behaarung ist nur ein Teil davon, den Körper wegzubringen von allem, was entfernt ans Tierische erinnern könnte, was Haut sein könnte und nicht Gummi, was nach Mensch riechen könnte und nicht nach synthetischen Melonenduftstoffen, was den Gesetzen der Schwerkraft folgen könnte und nicht denen der Chirurgie. Und wenn der Körper glatt ist und nach Deutscher Industrienorm geformt, dann hängen wir ein paar Ringlein hinein und malen ein paar Muster drauf, damit man ihn nicht so leicht verwechselt.
Bleibt zu hoffen, daß der Normkörper mit BNP, Landestreifen und Arschgeweih irgendwann einmal den Weg aller Trends geht. Und daß sich ein wenig mehr Lässigkeit einstellt im Umgang mit den natürlichen Gegebenheiten. Es muß ja nicht gleich alles zuwuchern, aber der Zwang zur täglichen Ganzkörperrasur ist ebenso krampfig wie die Abscheu jeglichen Fettgewebes gegenüber, das sich trotz stundenlangen Trainings und Ayurveda-Diät noch irgendwo zwischen den durchgestylten Gliedmaßen eingenistet hat. Dann kann man auch mal aus dem Bad kommen oder aus dem Studio und kann anfangen, den Körper beispielsweise durch eine schöne Landschaft zu tragen oder ihn mit gutem Essen zu füttern. Der ist ja da, um darin zu leben. Und das geht auch, wenn er nicht aussieht wie aus Alabaster gemeißelt.
"Diese ganze Frauenkosmetik...
„Diese ganze Frauenkosmetik ist ja ein einziger Obstsalat.“
grosser Satz. danke!
"Bei den Herren geht das auch...
„Bei den Herren geht das auch ohne Pflanzenextrakte ab, bei den Damen dagegen geht gar nichts ohne Aloe Vera oder zumindest Melone. Diese ganze Frauenkosmetik ist ja ein einziger Obstsalat.“
Dafür ist auf den Verpackungen „unserer“ Produkte stets ein Phallussymbol oder ein Wasserschwall abgebildet.
BTW: Was versteht man denn in diesem Kontext unter BNP ? Das Bruttonationaleinkommen wohl definitiv nicht. Auch andere gängige Abkürzungen (British National Party) weisen in keine (auf)klärende Richtung.
Werde nun Ihrem Rat folgen und meine Verdauungsorgane mit gutem Essen füllen, damit das leckere Obst & Gemüse davor bewahrt wird womöglich noch in der Frauenkosmetik zu landen.
frr, wobei: Auch grüner Tee...
frr, wobei: Auch grüner Tee wird ja immer gern genommen.
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p.Seudeonym, ich kläre gern auf: BNP steht unter jugendlichen Simserinnen für Bauchnabelpiercing.
Ich habe aber schon allen Ernstes überlegt, mir einen halbwegs stilvollen Herrenrasierer zu kaufen, um das pinkfarbene Elend (mit Aloe Vera) zu umgehen.
@P.seudonym : als ich den...
@P.seudonym : als ich den beitrag las, dachte ich bei BNP auch erst an Banque National de Paris, nach etwas Nachdenken über den Kontext kam ich dann auf Bauchnabelpiercing.
@Andrea Diener: Als Herren sich nur den Bart rasierten, hießen die Rasierapparate auch nur Schlicht z.B. 3310B, der übrigens immer noch zu kaufen ist!
Was das Obst betrifft: klassische Herren-Rasierseife hat z.B. häufig Mandelextrakt ( so von meinem italinischen Barbier und mir verwandt)
<p>Sehr schöner Text!...
Sehr schöner Text!
In punkto mehr Lässigkeit im Umgang mit den natürlichen Gegebenheiten, kann ich Sie sagen: Es besteht Hoffnung.
ich erinnere mich an...
ich erinnere mich an saunabesuche in deutschland, an denen ich mich wie beim casting fuer pornofilme fuehlte. alles, was sich dort auf baenken und stufen aufreite, war minutioes geputzt und mundgerecht enthaart.
Wunderbar beobachtet,...
Wunderbar beobachtet, herzlichen Dank!
Ist dieser Körperkult nicht eine auch eine lebende ästhetische Verrohung zurück auf Arno-Breker-Niveau?
Don Ferrando: Olivenöl,...
Don Ferrando: Olivenöl, Mandel, Kokos: Kein Problem. Aber gibt es eigentlich noch Flüssigseife ohne Pfirsischextrakt? Muß Körperlotion unbedingt nach Mango riechen? Und, bitte: Rasierklingen mit Melone? (Ich muß mal dieses 3310B recherchieren.)
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Beethoven: Aha, die Krise! Demnächst wieder mehr Rubens. Hoffentlich reagiert die Textilindustrie.
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abf, ich habs befürchtet. Mein letzter Saunabesuch ist lang her, das war auch nur so ein kleines Stadtteilschwimmbad, da ging es. Ist das denn außerhalb von Deutschland anders?
"Obstsalat" ist wirklich...
„Obstsalat“ ist wirklich klasse. Ich habe mich schon immer gewundert, wenn Duschgel nach Essen riecht.
Aber behaarte Herrenschädel finde ich z.B. nicht obszön.
naja, andrea diener, fast...
naja, andrea diener, fast ueberall sonst auf der welt ist nacktsaunieren in ‚gymns‘ eher unueblich. intimbereich und -frisur bleiben in der regel uneinsichtlich und dem urteil dritter entzogen.