Die gute Nachricht vorweg: Taschenlampenbirnchen sind weiterhin erhältlich, auch Reflektorbirnen und vorerst auch klare Glühbirnen. Aber die übliche matte Glühbirne wird, zumindest EU-weit, demnächst aussterben. Höchste Zeit also, diesem so unauffälligen Alltagsding einen Nachruf zu widmen, denn zu ihrer Zeit war die Glühbirne als erstes Licht ohne Flamme nichts weniger als eine Sensation. Sie platzte in eine Welt, in der Theaterbesucher regelmäßig über Kopfschmerzen klagten, weil die Gaslichter zu viel Sauerstoff verbrauchten. Heiß wurde es auch, und zwar bis zu 38 Grad in den oberen Rängen, denn damals war es noch nicht üblich, den Zuschauerraum zu Beginn der Vorstellung zu verdunkeln. Bei der Verbrennung von Gas entstehen Ammoniak und Schwefel, Ölgemälde werden schwarz, Metall wird matt, und besonders gesundheitsfördernd ist das alles auch nicht.
Dazu kommt, daß viele Farben im Gaslicht häßlich ausbleichen. Die schönsten bunten Abendroben der Damen vergrauen, was übrigens zum Aufstieg der synthetischen Farbstoffe und der chemischen Werke wie etwa der „Rotfabrik“, der Höchster Farbwerke führte. Deren Aldehydgrün war das erste, das auch bei Gasbeleuchtung grün blieb, die französische Kaiserin Eugénie war begeisterte Kundin und erstes Testimonial und das Unternehmen wurde dadurch groß.
Kurz: Das Gaslicht hatte keinen besonders guten Ruf. Also setzte sich einer hin und bemühte sich, Abhilfe zu schaffen. „Edisons großes Projekt: Herstellung nicht eines besonders großen oder blendenden, sondern eines kleinen Lichts, das so sanft wie Gaslicht ist“ lautete das Mission Statement, das der Glühlampenpionier in sein Notizbuch schrieb. Das große blendende elektrische Licht war nämlich schon erfunden: Das Bogenlicht, mit dem man seit etwa 1850 wunderbar Großbaustellen oder Kriegsschauplätze illuminieren konnte, das sich für den zivilien, innerhäuslichen Einsatz jedoch nicht eignete. Wenn Madame am Abend zu lesen oder stricken beliebte, geschah das üblicherweise noch am Öllämpchen oder der Argandlampe, deren Licht man behaglicher fand als die Gasflamme.
1881 stellte Edison seine Kohlefadenglühlampe auf der Pariser Elektrizitätsausstellung vor, die nach einigen Schwierigkeiten kurz vor Ausstellungsschluß dann doch noch funktionierte. Die Berichterstatter waren begeistert: Ruhig, hell und „irgendwie zivilisiert“ fand man das Glühlampenlicht, es überfordere zudem die Netzhaut nicht. „Hier ist kein Flackern“, schrieb die Gartenlaube, „nicht das mindeste Geräusch vernimmt man; keine Hitze verspürt man in den Salons, nur eine außerordentlich behagliche reine Luft; dazu kommt noch das angenehm belebende Colorit des kleinen Glühlichtbogens: wahrlich, wir haben hier fast das „Ideal der Beleuchtung“ vor uns.“
Das, was auf soviel Enthusiasmus stieß ob seiner zivilisierten Leuchtkraft, funzelte schwächer als eine 25-Watt-Birne vor sich hin. Der Kohleglühfaden bestand aus besonders langfaserigem Bambus aus Japan, der für die Glühbirnenproduktion auf einer eigenen Plantage angebaut wurde. Abgelöst wurde er vom Zelluloseglühfaden, dann von wildesten Metallegierungen, bis sich schließlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Wolframfaden durchsetzte. Dennoch hatte die Gaslobby häßliche Einwände gegen das elektrische Licht: „In Paris soll man bei der Beleuchtung des Place du Palace Royal durch electrisches Licht die Erfahrung gemacht haben, dass jeden Abend, und natürlich nach warmen Tagen, sich die Insecten in solchen Schwärmen um die Flamme versammelten, dass dadurch zeitenweise das Licht fast erlöscht schien. Morgens fanden sich die verbrannten Körper der Thiere zu vielen Tausenden am Boden der Laterne angehäuft.“
Schon im Dezember 1882 brennt das erste elektrische Licht in einem Frankfurter Haushalt am Roßmarkt, und auch bei vielen Theatern stößt die Glühlampe auf Begeisterung. Abseits der Kopfschmerzproblematik des Gaslichts brannten viele Theater ab, zuletzt das Wiener Ring-Theater, bei dem Feuer kommen 379 Menschen ums Leben. Diese Katastrophe half, das elektrische Licht durchzusetzen. Von heute auf morgen ging das aber nicht: Die Glühbirne wollte mit Strom versorgt sein, dafür hatte man zunächst einen eigenen Dampfmaschinendynamo im Keller stehen, denn ein zentrales Stromnetz mußte erst aufgebaut werden. In Berlin geschah das schon ab 1885, aber Strom gab es für Otto Normalverbraucher erst spät abends, wenn die Theater schlossen.
Elektrizitätswerke konnte man überall bauen, dann gelangte der Strom mit Überlandleitungen in die jeweiligen Städte zu den Endabnehmern. 1891 wurde im Rahmen einer Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung in Frankfurt die erste Fernleitung der Welt in Betrieb genommen, der Strom für immerhin tausend Birnen (plus einem Motor, der einen künstlichen Wasserfall antrieb) kam aus einem Zementwerk in Lauffen am Neckar. Der Spannungsverlust war mit nur 25 Prozent damals sensationell niedrig. Noch neun Jahre zuvor war ein Brunnen auf der Elektrizitätsausstellung in München über eine Telegraphenleitung mit Strom aus Miesbach versorgt worden, dort gingen 75 Prozent unterwegs verlustig und nach ein paar Tagen funktionierte dann gar nichts mehr.
Das elektrische Licht wurde auch, im Wortsinne, sofort salonfähig. Während man in den guten Stuben seine Kristallüster auch in der Gaslichtzeit mit Kerzen weiterbetrieb oder Petroleumlampen aufstellte, während das Gas also lange Zeit Fluren und Küchen vorbehalten blieb, hatte man nun wenig Skrupel vor einer Elektrifizierung der Kronleuchter. Das Glühlampenlicht war sauber, geruchsneutral, körperlos und vornehm und drang sofort dorthin vor, wo es das Gas nie hingeschafft hatte: Ins Zentrum des Hauses, in den Salon.
Und das hatte einschneidende Folgen: Kerze oder Petroleumlampe hatten einen intimen Lichtkreis geschaffen, in dem sich die Familie versammelte. Die helle Licht der Glühbirne hatte diese Anziehungskraft nicht, nun waren es Grammophon oder Radio, später der Fernseher, die als Zentrum dienten. Dazu kommt die Dekorationsproblematik, derer sich ein englisches Handbuch von 1886 („Practical House Decoration“) annimmt: „Die Dekoration der Wohnung erscheint in diesem kalten, bläulich-weißen Licht vollkommen anders als ursprünglich beabsichtigt. Wo man besonders sanfte und warme Farben hätte verwenden müssen, um die Strahlen einer Edison- oder einer Brush-Glühlampe zu neutralisieren, erhält man nun kalte Farbtöne, die um so steriler wirken, je greller das Licht ist. Das befriedigende Gefühl, die richtige Farbe am richtigen Ort eingesetzt zu haben, stellt sich nicht mehr ein.“
So entwickelte sich im Laufe der Zeit eine Lampenkultur. Wo die Gasflamme meist mit einem transparenten, weißen Kugelglas abgeschirmt wurde, erhielt die Glühlampe ein aufwendigeres Gewand, die Tiffanylampe etwa: Das starke Licht machte es möglich, auch buntes Glas und dunklere Farben zu verwenden. Und die Energiesparlampe potenziert all diese Entwicklungen noch: Ihr Licht ist noch kälter, noch sachlicher als das des Wolfram-Glühfadens. Das Neonlicht verbinden wir mit Büro, mit Klassenzimmern und Behörden, es ist ein offizielles, kein behagliches Licht. Ein Teil der Bevölkerung läßt sich ohnehin gänzlich lampenlos von Halogenstrahlern illuminieren, der andere Teil wird wohl wieder an der Abschirmung arbeiten, um der ungeliebten Sparbirne ein wenig Gemütlichkeit abzuringen.
Und es werden wohl Nischen für die Glühbirne bleiben, wie auch das Gas seine Nischen verteidigt. Denn draußen auf der Straße brennen, zumindest in meinem Viertel, noch die Gaslaternen. Gerade hat der Betreiber ihnen neue Glühstrümpfe spendiert, es ist also anzunehmen, daß sie trotz des Sparwahns, und obwohl sie gegen irgendwelche Sicherheitsauflagen verstoßen, noch eine Zeitlang stehenbleiben dürfen. Sie tauchen die hiesigen kleinen Ziegelhäuschen der Fabrikarbeiter in ihr gelbes, warmes Licht, das alle Farben auffrißt, und wenn es im Winter stürmt, dann schwanken sie und mit ihnen schwankt das Licht.
Savall, ich find unsere...
Savall, ich find unsere Gaslaternen hübsch, die passen zu der Fabrikarbeitersiedlung, die das hier nun einmal ist. Wir haben solche: https://www.progaslicht.de/Gaslichtstadte/Deutschland/Frankfurt/Frankfurt_2.jpg
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Wir können uns gern auf der Buchmesse treffen. Aber bitte keinen Fan-Treff. Wir gehen einfach einen Kaffe trinken, okay?
Ich muß um Entschuldigung...
Ich muß um Entschuldigung bitten, Andrea. Andererseits unterschätzen Sie vielleicht die Attraktion Ihrer Texte. Wir mögen es einfach. 🙂
What’s o‘ ever. Im nächsten Jahr wird der Ammann-Verlag seine Geschäftstätigkeit einstellen. Was aus meiner Sicht eine unvorstellbare Katastrophe bedeutet. Schon deshalb, weil die unglaubliche Dostojewski-Übersetzung von Swetlana Geier ihr Ende finden wird. In diesem Herbst wird es noch „Der Spieler“ geben und dann ist Schluß. Ich bitte die werte Gemeinde, sich „Böse Geister“ aka „Die Dämonen“ zu Gemüte zu geführen. Die Übersetzung von Frau Geier ist über jeden Zweifel erhaben. Kaufen Sie bitte (ich krieg keine Prozente). Derzeit lese ich „Der grüne Junge“. Lesen Sie, staunen Sie. Und kommen Sie am 15.10. an den Ammann-Stand (3.0 A157).
Ich kann das irgendwie noch...
Ich kann das irgendwie noch nicht glauben. Die können doch nicht die Glühbirnen abschaffen. Das ist doch völlig absurd. Ich will in vier Jahren nicht spät abends durch den Wiesbadener Park vor dem Hauptbahnhof laufen müssen vorbei an „Wolle Lampe kaufen“-Dealern.
....hat schon mal jemand von...
….hat schon mal jemand von euch ne energie-spar-lampe zu DIMMEN versucht um ein entsprechend heimeliges leselicht zu schaffen ??? — geht leider (noch) nicht….
Da geht sie hin, die...
Da geht sie hin, die Glühbirne. Hat er schon fein gemacht, der Edison.
Jahrelang wurde ja behauptet, die Glühbirne wäre in Wirklichkeit von einem Herrn Göbel erfunden, aber nicht patentiert worden. In seiner (deutschen) Heimatstadt gibt es sogar ein Museum für diesen verkannten Mann, dem man gemeinerweise die Idee geklaut hat. Und dann hat ein gewissenhafter Historiker rausgefunden, dass es Herrn Göbel zwar tatsächlich gegeben hatte, er aber nur die personifizierte Entschuldigung daüfr war, dass ein rivalisierender Technikhersteller Edison das Patent streitig machen wollte.
Leider kam dieses Buch raus, da war ich gerade mit meinem Roman „Salzträume“ fertig, in dem die Göbelglühlampen ein kleine Nebenrolle spielten. Mist.
Was für ein Glück, dass ich Fantasy schreibe.
Hallo zusammen,
was soll man...
Hallo zusammen,
was soll man zu dieser angeregten Disukussion noch sagen? Also mal im ernst… wer hat sich in den vergangenen Jahren so mit dem Leutchtmittel auseinander gesetzt wie es die letzten Wochen passiert.
Mittlerweile ist das Angebot an energiesparlampen sehr ausgeprägt und man soll es kaum glauben… es gibt Sie sogar als dimmbare Exemplar (schon verrückt was es so alles gibt) https://www.lifepr.de/pressemeldungen/megaman-energiesparlampen-idv-import-und-direktvertriebsgesmbh/boxid-18688.html
Bitte beachten sie das die Publikation im Jahr 2007 veröffentlicht wurde.
Die Diskussion darüber was wir dürfen und was nicht ist in diesem Zusammenhang absolut lächerlich. Schließlich geht es hier nicht um die Beschneidung unserer Menschenrechte oder existenznaher Themen. Ich habe selten erlebt das Diskussion so lebthaft und emotional geführt wurden wenn es um ernste Themen ging. In einigen Wochen ist Bundestagswahl und unser lieben Politiker schicken sich nicht an einen Wahlkampf zu führen, das würde ja die Gefahr bergen Fragen beantworten zu müssen.
Wieso widmen Sie nicht Ihre Energie solchen Themen? Stellen Sie beim Lesen Ihrer Tageszeitung die dimmbare Energiesparlampe auf eine etwas hellere Stufe, denn all zu heimeliches Licht schadet den Augen und birgt das Risiko das man wichtige Details überliest.
Denn im endeffekt ist es ziemlich egal mit was wir beleuchten… wichtig ist das im richtigen Moment das Licht angeht!
Nebenbei bin ich nach wie vor...
Nebenbei bin ich nach wie vor überzeugt, dass ein guter Teil des Geburtenrückgangs auf das Konto des elektrischen Stroms geht, unabhängig von der Wahl des Leuchtmittels.
Das darf aber niemand der Frau von soundso mitteilen, sonst wird der Privatgebrauch von Strom verboten. Ihr Hauptanliegen wird damit gleich miterledigt…
Savall, keine Entschuldigung...
Savall, keine Entschuldigung nötig. Dem Ammann-Verlag einen Abschiedsbesuch abzustatten ist eine gute Idee. Vielleicht und mit etwas Glück führt Fischer ja die Geier-Übersetzungen weiter – hoffen wir’s!
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Ju, geforscht wurde an allen Fronten, nur kam Edison wohl als erster auf den Trick mit dem Bambus. Naja, und er war am lautesten und zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Das ist ja nicht zu unterschätzen bei solchen Neuerungen.
Hans, nur weil Bundestagswahl...
Hans, nur weil Bundestagswahl ist, darf man über nichts anderes mehr reden? Das ist doch absurd. Wir nehmen in dieser trauten Runde Ihre Hinweise aber gern zur Kenntnis, auch wenn Sie allzu ruppig vorgetragen wurden.
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Ilnonno, und wie backe ich dann noch Apfelkuchen für die siebenköpfige Familie? Im Kohleofen?
@Ju Honisch: Es gibt für...
@Ju Honisch: Es gibt für H.Göbel natürlich kein Museum.Es gibt in diesem
Museum eine kleine Ecke mit dem Hinweis“ hier wird noch immer gestri(tt)(ch)en“.