Ding und Dinglichkeit

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Keine Frage, die Welt ist voller dinglicher Phänomene. Um viele davon wird einiges Gewese gemacht, etwa um Autos, Mobiltelefone, Schuhe. Das sind die

Nachruf auf ein zivilisiertes Licht: Die Glühlampe

| 60 Lesermeinungen

Fast 130 Jahre lang hat die Glühbirne nun unsere Stuben und Straßen, Theater und Schaufenster illuminiert, ihr Siegeszug sorgte für Elektrizität in jedem Haushalt, sie schützte sogar vor Kopfschmerzen. "Das Ideal der Beleuchtung", wie die Gartenlaube damals jubelte, wird schrittweise vom Markt genommen.

Die gute Nachricht vorweg: Taschenlampenbirnchen sind weiterhin erhältlich, auch Reflektorbirnen und vorerst auch klare Glühbirnen. Aber die übliche matte Glühbirne wird, zumindest EU-weit, demnächst aussterben. Höchste Zeit also, diesem so unauffälligen Alltagsding einen Nachruf zu widmen, denn zu ihrer Zeit war die Glühbirne als erstes Licht ohne Flamme nichts weniger als eine Sensation. Sie platzte in eine Welt, in der Theaterbesucher regelmäßig über Kopfschmerzen klagten, weil die Gaslichter zu viel Sauerstoff verbrauchten. Heiß wurde es auch, und zwar bis zu 38 Grad in den oberen Rängen, denn damals war es noch nicht üblich, den Zuschauerraum zu Beginn der Vorstellung zu verdunkeln. Bei der Verbrennung von Gas entstehen Ammoniak und Schwefel, Ölgemälde werden schwarz, Metall wird matt, und besonders gesundheitsfördernd ist das alles auch nicht.

Dazu kommt, daß viele Farben im Gaslicht häßlich ausbleichen. Die schönsten bunten Abendroben der Damen vergrauen, was übrigens zum Aufstieg der synthetischen Farbstoffe und der chemischen Werke wie etwa der „Rotfabrik“, der Höchster Farbwerke führte. Deren Aldehydgrün war das erste, das auch bei Gasbeleuchtung grün blieb, die französische Kaiserin Eugénie war begeisterte Kundin und erstes Testimonial und das Unternehmen wurde dadurch groß.

Bild zu: Nachruf auf ein zivilisiertes Licht: Die Glühlampe

Kurz: Das Gaslicht hatte keinen besonders guten Ruf. Also setzte sich einer hin und bemühte sich, Abhilfe zu schaffen. „Edisons großes Projekt: Herstellung nicht eines besonders großen oder blendenden, sondern eines kleinen Lichts, das so sanft wie Gaslicht ist“ lautete das Mission Statement, das der Glühlampenpionier in sein Notizbuch schrieb. Das große blendende elektrische Licht war nämlich schon erfunden: Das Bogenlicht, mit dem man seit etwa 1850 wunderbar Großbaustellen oder Kriegsschauplätze illuminieren konnte, das sich für den zivilien, innerhäuslichen Einsatz jedoch nicht eignete. Wenn Madame am Abend zu lesen oder stricken beliebte, geschah das üblicherweise noch am Öllämpchen oder der Argandlampe, deren Licht man behaglicher fand als die Gasflamme.

1881 stellte Edison seine Kohlefadenglühlampe auf der Pariser Elektrizitätsausstellung vor, die nach einigen Schwierigkeiten kurz vor Ausstellungsschluß dann doch noch funktionierte. Die Berichterstatter waren begeistert: Ruhig, hell und „irgendwie zivilisiert“ fand man das Glühlampenlicht, es überfordere zudem die Netzhaut nicht. „Hier ist kein Flackern“, schrieb die Gartenlaube, „nicht das mindeste Geräusch vernimmt man; keine Hitze verspürt man in den Salons, nur eine außerordentlich behagliche reine Luft; dazu kommt noch das angenehm belebende Colorit des kleinen Glühlichtbogens: wahrlich, wir haben hier fast das „Ideal der Beleuchtung“ vor uns.“

Das, was auf soviel Enthusiasmus stieß ob seiner zivilisierten Leuchtkraft, funzelte schwächer als eine 25-Watt-Birne vor sich hin. Der Kohleglühfaden bestand aus besonders langfaserigem Bambus aus Japan, der für die Glühbirnenproduktion auf einer eigenen Plantage angebaut wurde. Abgelöst wurde er vom Zelluloseglühfaden, dann von wildesten Metallegierungen, bis sich schließlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Wolframfaden durchsetzte. Dennoch hatte die Gaslobby häßliche Einwände gegen das elektrische Licht: „In Paris soll man bei der Beleuchtung des Place du Palace Royal durch electrisches Licht die Erfahrung gemacht haben, dass jeden Abend, und natürlich nach warmen Tagen, sich die Insecten in solchen Schwärmen um die Flamme versammelten, dass dadurch zeitenweise das Licht fast erlöscht schien. Morgens fanden sich die verbrannten Körper der Thiere zu vielen Tausenden am Boden der Laterne angehäuft.“

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Schon im Dezember 1882 brennt das erste elektrische Licht in einem Frankfurter Haushalt am Roßmarkt, und auch bei vielen Theatern stößt die Glühlampe auf Begeisterung. Abseits der Kopfschmerzproblematik des Gaslichts brannten viele Theater ab, zuletzt das Wiener Ring-Theater, bei dem Feuer kommen 379 Menschen ums Leben. Diese Katastrophe half, das elektrische Licht durchzusetzen. Von heute auf morgen ging das aber nicht: Die Glühbirne wollte mit Strom versorgt sein, dafür hatte man zunächst einen eigenen Dampfmaschinendynamo im Keller stehen, denn ein zentrales Stromnetz mußte erst aufgebaut werden. In Berlin geschah das schon ab 1885, aber Strom gab es für Otto Normalverbraucher erst spät abends, wenn die Theater schlossen.

Elektrizitätswerke konnte man überall bauen, dann gelangte der Strom mit Überlandleitungen in die jeweiligen Städte zu den Endabnehmern. 1891 wurde im Rahmen einer Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung in Frankfurt die erste Fernleitung der Welt in Betrieb genommen, der Strom für immerhin tausend Birnen (plus einem Motor, der einen künstlichen Wasserfall antrieb) kam aus einem Zementwerk in Lauffen am Neckar. Der Spannungsverlust war mit nur 25 Prozent damals sensationell niedrig. Noch neun Jahre zuvor war ein Brunnen auf der Elektrizitätsausstellung in München über eine Telegraphenleitung mit Strom aus Miesbach versorgt worden, dort gingen 75 Prozent unterwegs verlustig und nach ein paar Tagen funktionierte dann gar nichts mehr.

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Das elektrische Licht wurde auch, im Wortsinne, sofort salonfähig. Während man in den guten Stuben seine Kristallüster auch in der Gaslichtzeit mit Kerzen weiterbetrieb oder Petroleumlampen aufstellte, während das Gas also lange Zeit Fluren und Küchen vorbehalten blieb, hatte man nun wenig Skrupel vor einer Elektrifizierung der Kronleuchter. Das Glühlampenlicht war sauber, geruchsneutral, körperlos und vornehm und drang sofort dorthin vor, wo es das Gas nie hingeschafft hatte: Ins Zentrum des Hauses, in den Salon.

Und das hatte einschneidende Folgen: Kerze oder Petroleumlampe hatten einen intimen Lichtkreis geschaffen, in dem sich die Familie versammelte. Die helle Licht der Glühbirne hatte diese Anziehungskraft nicht, nun waren es Grammophon oder Radio, später der Fernseher, die als Zentrum dienten. Dazu kommt die Dekorationsproblematik, derer sich ein englisches Handbuch von 1886 („Practical House Decoration“) annimmt: „Die Dekoration der Wohnung erscheint in diesem kalten, bläulich-weißen Licht vollkommen anders als ursprünglich beabsichtigt. Wo man besonders sanfte und warme Farben hätte verwenden müssen, um die Strahlen einer Edison- oder einer Brush-Glühlampe zu neutralisieren, erhält man nun kalte Farbtöne, die um so steriler wirken, je greller das Licht ist. Das befriedigende Gefühl, die richtige Farbe am richtigen Ort eingesetzt zu haben, stellt sich nicht mehr ein.“

So entwickelte sich im Laufe der Zeit eine Lampenkultur. Wo die Gasflamme meist mit einem transparenten, weißen Kugelglas abgeschirmt wurde, erhielt die Glühlampe ein aufwendigeres Gewand, die Tiffanylampe etwa: Das starke Licht machte es möglich, auch buntes Glas und dunklere Farben zu verwenden. Und die Energiesparlampe potenziert all diese Entwicklungen noch: Ihr Licht ist noch kälter, noch sachlicher als das des Wolfram-Glühfadens. Das Neonlicht verbinden wir mit Büro, mit Klassenzimmern und Behörden, es ist ein offizielles, kein behagliches Licht. Ein Teil der Bevölkerung läßt sich ohnehin gänzlich lampenlos von Halogenstrahlern illuminieren, der andere Teil wird wohl wieder an der Abschirmung arbeiten, um der ungeliebten Sparbirne ein wenig Gemütlichkeit abzuringen.

Und es werden wohl Nischen für die Glühbirne bleiben, wie auch das Gas seine Nischen verteidigt. Denn draußen auf der Straße brennen, zumindest in meinem Viertel, noch die Gaslaternen. Gerade hat der Betreiber ihnen neue Glühstrümpfe spendiert, es ist also anzunehmen, daß sie trotz des Sparwahns, und obwohl sie gegen irgendwelche Sicherheitsauflagen verstoßen, noch eine Zeitlang stehenbleiben dürfen. Sie tauchen die hiesigen kleinen Ziegelhäuschen der Fabrikarbeiter in ihr gelbes, warmes Licht, das alle Farben auffrißt, und wenn es im Winter stürmt, dann schwanken sie und mit ihnen schwankt das Licht.


60 Lesermeinungen

  1. Ich finde es unmöglich,...
    Ich finde es unmöglich, einfach so die Glühbine aus dem EU Markt zu entziehen.
    Was soll das? Ich möchte weiterhin die Glühbirne und keine Energiesparbirne
    in meiner Wohnung leuchten lassen…..der Verbraucher soll der jeninge sein, der
    zu entscheiden hat und nicht die EU Kommission….schlechte Karten :-((

  2. miner sagt:

    Ein schöner Artikel über ein...
    Ein schöner Artikel über ein trauriges Thema. Ein Bauernopfer in Gestalt der Glühlampe.
    Frage: Warum mag eigentlich jeder den ich kenne gerne Glühlampen und keiner mag die Eurokraten ?
    Sollte es ein einziger Eurokrat ernst meinen mit dem Umweltschutz, so wären ein Verbot von SUV´s und eine Eindämmung des übermässigem Flugverkehrs wohl eher erfolgversprechendere Ansätze zur Erhaltung unserer Erde.
    Nun muss halt die Glühlampe dran glauben und in ein paar Jahren die elektrische Zahnbürste. ….Schwachsinn rules the world.

  3. Paulchen sagt:

    Geehrte Frau Diener,...
    Geehrte Frau Diener,
    Danke.
    Herzlichst P.

  4. Irene sagt:

    Andrea, das Einsammeln der...
    Andrea, das Einsammeln der neuen Birnen ist vermutlich gar nicht so einfach, denn wenn man die einfach in einen Container knallt, gehen die normalen Modelle zu Bruch. Und Quecksilber verdampft schon bei Zimmertemperatur, weswegen ja die alten Termometer aus gesundheitlichen Gründen dem Verkehr gezogen wurden…
    *
    Tiefkühlpizza verbieten, das wäre ja offen männerfeindlich 🙂

  5. Don Ferrando sagt:

    Irene, ich muß Ihnen heftig...
    Irene, ich muß Ihnen heftig widersprechen!!!
    Ich glaube kaum, daß Tiefkühlpizza ein explizit männliches Nahrungsmittel ( fraglich ob die Bezeichnung zutrifft) ist!
    Haben Sie empirische Untersuchungen hierzu ??

  6. Guiness sagt:

    Sehr geehrte Frau...
    Sehr geehrte Frau Diener,
    vielen Dank für diesen wundervollen Beitrag!
    Liebste Grüße aus Bielefeld

  7. anderl sagt:

    Ökotest zu...
    Ökotest zu Energiesparlampen:
    „Sie sollen eigentlich das Klima retten. Jetzt die große Überraschung in unserem Test: Die Einsparmöglichkeiten von Energiesparlampen sind viel geringer als versprochen. Zudem erzeugen die Öko-Leuchten Elektrosmog und eine schlechte Lichtqualität.“
    Darüber hinaus sind Energiesparlampen, die häufig an- und aus geschaltet werden sogar weniger lang haltbar als Glühlampen und selbst im Dauerbetrieb ist der Haltbarkeitsvorteil geringer als oft vorgegaukelt: „Häufiges Ein- und Ausschalten verträgt die Energiesparlampe überhaupt nicht.“, so Ökotest.
    In aller Ausführlichkeit auf 31 (!) Seiten nachzulesen:
    https://www.oekotest.de/cgi/ot/otgs.cgi?suchtext=&doc=91415&pos=8&splits=0:1582:2799:4498:5557:7507:8428:9759:11934:12789:13930:15330:17591:18097:19528:20952:22348:23836:25060:27325:28324:29641:30549:31927:33755:34934:37059:37530:39368:40462:41940

  8. fraudiener sagt:

    Don Ferrando, ganz empirisch...
    Don Ferrando, ganz empirisch läßt sich für den hiesigen Haushalt eine Tiefkühlpizza-Verteilung von Null (weiblich) zu hundert (männlich) Prozent verzeichnen. Aber eventuell ist die Zahlenbasis von 2 auch etwas wenig.
    .
    Anderl, danke für den Link. Ziemlich informativ.

  9. Hans sagt:

    Hallo Andrea,

    ich gebe Ihnen...
    Hallo Andrea,
    ich gebe Ihnen vollkommen recht wenn das Thema als Kleinkram bewertet wird. Also wieso regen sich dann so viele über diesen Kleinkram auf? Und vorallem… wieso erst nachdem das Gesetz beschlossene Sache ist?
    Das Beispiel mit der Tiefkühlpizza hat viele Brüder und Schwestern die ein extrem schlechte Ökobilanz aufweisen. Dies liegt daran das Unternehmen die solche Produkte und Dienstleistungen anbieten nur die Kosten der Produktion und/oder Bereitstellung tragen müssen. Leider aber nicht die Gesamtkosten einer sozialen- und ökologischen Vollkostenrechnung. Eine solche Rechnung wird selten vorgenommen da es auch extrem schwierig ist die BErechnung genau und objektiv darzustellen.
    Das Problem an der Glühbirne ist nicht ihr Substitut die Energiespalampe. Das Problem ist die ineffizienz der Glühbirne an sich. Die EU nimmt mit dieser Maßnahme den Herstellern eine Cash-cow aus Ihrem Sortiment und damit ein gemütliches Polster auf dem Sie sich ausruhen können. Ein qusi eingeschlafener Markt wird reanimiert, dudurch entstehen Anreize das Innovationstempo in diesem Markt zu erhöhen. Das die aktuellen generationen von Energisparlampen noch nicht das gelbe vom Ei sind ist unstrittig, dies wird sich aber in den kommende Jahren ändern. Es werden bessere Modelle auf den Markt kommen und die Glühbirne wird niemand merh vermissen.
    Solche regulatorischen Eingriffe sind kurzfristig betrachtet irgend ein Kleinkram, aber bekanntlicher weise macht dieser auch irgendwann mist. Selbst solch absurd anmutenden Verordnungen wie z.B. bei den Salatgurken haben auch Vorteile für den Verbraucher gehabt. Gurkenpreise wurden vergleichbar und damit transparenter als zuvor.
    Und die ganzen argumente die Bürger möchten selbst entscheiden was Sie kaufen und was nicht. Also mal im ernst, es geht hier nicht um Meinungsfreiheit oder sonstig vergleichbare elementare Grundrechte. Der Bürger hat bewiesen (mich eingeschlossen) das er nicht mpndig genug ist um auf die aktuellen ökologischen Entwicklungen adäquat zu reagieren und sich anzupassen. Ein Mensch lebt zu kurz um zu verstehen welchen Dreck er hinterlässt, den seine Nachfahren und deren Nachfahren wieder ausmisten dürfen. Also muss uns Papa Staat an der Hand nehmen und für uns handeln.

  10. fraudiener sagt:

    "Der Bürger hat bewiesen...
    „Der Bürger hat bewiesen (mich eingeschlossen) das er nicht mpndig genug ist um auf die aktuellen ökologischen Entwicklungen adäquat zu reagieren und sich anzupassen.“
    .
    Naja, der Staat aber auch mehrfach.

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