Seit einigen Jahren schon habe ich keinen Fernseher mehr. Ich kann mich erinnern, daß es Zeiten gab, in denen man deshalb noch sehr schräg angeschaut und für einen irgendwie radikalen Menschen gehalten wurde, aber mittlerweile ist das längst kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Letztens beim Billardabend standen wir zu fünft um den Tisch herum, und nur einer von uns hatte einen Fernseher. Und es wird immer normaler. Ich bin auch schon lange nicht mehr gefragt worden, wie ich mich informiere oder ob ich nicht glaube, etwas zu verpassen. Es gibt ja Internet, damit verpaßt man nichts.
Nur ab und an kommt noch ein zarter Einwand, der ein wenig klingt wie eine Rechtfertigung, daß man sich mit Fernsehprogramm überhaupt noch aufhält: Die Tatorte schaue man ja doch noch, heißt es. Ja, sag ich dann, mag sein. Aber ich kann diese deutsche Fernsehspielsprache nicht hören, es tut mir leid, es gibt nämlich diese spezifische hölzerne Fernsehspielsprache, die so seltsam verknappt ist, was vermutlich lebensnah wirken soll, aber dabei irgendwie überartikuliert, so spricht doch keiner. Ich habe Angst, mir mit diesen schlechten Fernsehdialogen mein Sprachgehör zu verderben. Ich höre gern echte, gesprochene Sprache mit Dialekten und Sprachwendungen und Verzögerungslauten, dieses ganze elliptische Gestammel, wie es einem ungefiltert auskommt, und wie man es Schauspielern nie in den Mund legen würde. Aber es ist ja auch nicht so, daß diese Fernsehspielsprache besonders ausgefeilt wäre, schlagfertig oder irgendwie poetisch. Sie ist einfach gar nichts außer liebloses Handlungsvehikel. Und ich kann das nicht mitanhören oder -sehen.
Überhaupt ist das ganze Fernsehen eine von vorn bis hinten sprachfeindliche Angelegenheit, steigere ich mich dann gern in eine Aufregung hinein, und in diesen sogenannten Kultursendungen erst recht. Vor nichts hat der Fernsehkulturredakteur mehr Angst als vor drei zusammenhängenden Sätzen gesprochener Sprache, deshalb muß er Musik drunterpampen und Bilder dazulegen und die ganze Angelegenheit am besten satzweise zerschnippeln, weil es keinem zuzumuten ist, einmal einem Menschen, der möglicherweise auch noch ruhig im Bildrahmen zu sehen ist, eventuell sogar sitzend und ohne hundertfünftzig wabernde oder blinkende Einblendungen, mal ein bißchen zuzuhören. Das muß gleich irgendwie aufbereitet werden, womöglich nennt man das am Ende dann sendegerecht, das mag ja sein, aber gehirngerecht ist das nicht mehr. Und bei den Sendungen, bei denen angeblich geredet wird, oder getalkt, da kann ja auch kein Mensch mal ausreden, und wenn er dann ausredet, dann kommt nur vorgestanzte Aufbackware aus der PR-Förmchenabteilung heraus. Und keiner tut was dagegen.
Ich bin eigentlich zutiefst beleidigt. Ich bin dem Fernsehen eigentlich persönlich böse, daß es mir einmal eine Heimat geboten hat, als ich noch ein Kind war und mich dann einfach so verstößt. Ich habe die Maus geguckt und die Augsburger Puppenkiste (ich habe eine stille Vorliebe für die völlig unterschätzte Hausbesetzerserie „Katze mit Hut“), ich habe mir vom Löwenzahn sagen lassen, jetzt aber mal die Kiste auszuschalten und war ein Fan von Luzie, dem Schrecken der Straße. Irgendwann gab es dann noch Twin Peaks, Harald Schmidts Glanzzeit, die Simpsons natürlich, und, ja, hm. Dann wird es auch schon verdammt dünn, denn der Rest sind amerikanische Serien, bei denen ich irgendwann dazu übergegangen bin, sie mir lieber in unsynchronisierter Fassung anzuschauen, ohne Werbeunterbrechungen und vor allem ohne das Diktat der festen Anfangszeit. Denn Fernsehen ist vor allem eine Billiglösung und verhält sich zur DVD wie Ryanair zur Lufthansa. Wenn man sich nichts besseres leisten kann, dann schaut man sich die Angelegenheit eben schlecht übersetzt, mit Einblendungen, Werbegezappel und verstümmeltem Abspann an.
Die meisten Wohnungen sind dann irgendwie um den Bildschirm herum aufgebaut. Alles nah am zentralen Wohnzimmer, und dort alles mit zentraler Sichtachse auf die Glotze. Die meisten, die Fernsehen schauen, sagen, sie schauen ein wenig zur Entspannung. Aber was soll dabei entspannend sein? Fünf Minuten, und ich rege mich schon wieder auf. Habe ich eigentlich schon einmal meine Verachtung für Jingles aller Art zum Ausdruck gebracht? Diese kastrierten Aufmerksamkeitserreger, die einem dauernd dazwischenbrüllen, wenn man es gerade am wenigsten gebrauchen kann? Warum muß dauernd etwas zappeln oder wuschen oder klimpern? Was war eigentlich falsch an der guten alten Ansagerin, die einen, sitzend und lächelnd und ohne Musik, begrüßt hat und verabschiedet und informiert? War die auch nicht sendegerecht? Oder nicht mehr zeitgerecht? Brach mit den Privatsendern eine ungute Ära an, die die Öffentlich-Rechtlichen unter den Druck setzte, modern sein zu müssen und mithalten zu müssen und überhaupt irgendetwas sein zu müssen, um in der Zuschauergunst nicht abzufallen, so, als gebe es nur einen Zuschauer und nicht viele, mit völlig unterschiedlichen Vorlieben und Vorstellungen?
Und so wurden die Fernseher immer größer und flacher und die Fernbedienungen immer größer und flacher, bekamen mehr Knöpfe und vor allem diese Zapp-Knöpfe, mit denen man bequem 60 Kanäle einfach hoch und runter schalten kann, die Videorekorder wurden immer kleiner, es gab Chips in immer mehr Geschmacksrichtungen, Fernsehsessel für die perfekte Duldungsstarre und bei Ikea Deckenfluter für Leute, die ihr Licht nicht zum Lesen brauchen sondern schön indirekt. Das ist die Geschichte im Schnelldurchlauf.
Dann gibt es die vielen Millionen, die angeblich am allerliebsten Arte-Themenabende schauen. Wenn alle, die behaupten, Arte-Themenabende zu schauen, auch wirklich Arte-Themenabende schauen würden, hätte Arte nicht die Einschaltquoten, die es nun einmal hat, sondern ungefähr zehnmal so hohe. Arte ist auch eine gute Ausrede, noch immer einen Fernseher zu haben, so ähnlich wie Tatort, vor allem für die, denen das schlechte Gewissen aus jeder Silbe trieft. Wenn man eine Glotze hat, dann kann man ja wenigstens dazu stehen. Dann kann man ja sagen: Ich find Trash gut und meinetwegen anthropologisch interessant. Man kann sagen: Fernsehen regt mich produktiv auf, oder lullt mich ein, wenn ich nicht schlafen kann. Kann man alles sagen, und soll nicht rumlügen von wegen Arte-Themenabend.
Ich schaue übrigens nur noch eine Sendung im Jahr, das ist das dreitägige Bachmann-Wettlesen in Klagenfurt. Das schaue ich am Computer, nicht mit einem dieser hochauflösenden Monstermöbel, die halbe Wände einnehmen. Wozu auch? Schriftstellerin sitzt und liest, Jury sitzt und denkt, dann gibt es ein paar Wort- und Einstellungswechsel. Egal, wie weit die Technik fortschreitet, irgendwann gibt es in Klagenfurt ein Sommergewitter und die Leitungen sind unterbrochen. Jedes Jahr. Und jedes Jahr wird überzogen, und der Sender bricht gnadenlos ab. Jedes Jahr sitzen auch ein paar grenzblöde Hanseln im Garten vor der Veranstaltung herum und tun so, als gestalten sie ein anspruchsvolles Rahmenprogramm. Aber das geht vorüber, dann kommt der nächste Autor und dann endlich wieder: Text, Sprache, Statik. Ab und zu ein gemächlicher Kameraschwenk durchs Studio. Nichts blinkt, nirgendwo spielt Pausenfüllerjazz, kein betrunkener Praktikant kommt auf die Idee, mir irgendeine Bildsymbolik aufdrängen zu müssen. Für wenige Stunden bietet mir das Fernsehen wieder eine Heimat. Ich lehne mich zurück und bins zufrieden.
Na ja, man könnte Ihren...
Na ja, man könnte Ihren Beitrag auch auf einen Satz verdichten: Mit den Bildschirmen wurde auch das Programm immer flacher, woraus Sie die Konsequenz zogen.
Ich habe zwar den Fernseher...
Ich habe zwar den Fernseher ab- aber dafür einen Beamer angeschafft. Der unschätzbare Vorteil: Hat kein Empfangsteil und ich kann mir meine Flimmerinhalte nach eigenem Gusto zusammenstellen, ohne dafür auf briefmarkengroße Computerbildschirme starren zu müssen. Mal ganz davon abgesehen, dass die nicht so recht sofakompatibel sind. Ansonsten stelle ich viele Kongruenzen fest. amerikanische TV-Serien nur noch im Original, weil ich mich im Deutschen über die Verstümmelung und inhaltliche Verfälschung fast totärgere (das gilt sehr ähnlich übrigens auch für Bücher), außerdem finden viele wirklich coole Dinge gar nicht den Weg auf deutsche Sender. Und wenn, dann von Werbepausen durchtränkt. Deutsche Filme, Serien und Fernsehspiele gehen auch (fast immer) nicht, ich konnte es oft nicht so recht festmachen, woran das liegt, aber oben fand ich dann wohl die Erklärung.
Ja, ich habe noch einen...
Ja, ich habe noch einen (Röhren-) Fernseher.
Einmal im Monat zappe ich dann auch mal sinnfrei die Senderliste rauf und runter.
Dann ist es auch mal ganz nett bei einem guten Spielfilm hängenzubleiben.
Immer öfter bleibt der Fernseher aber aus.
Mit den ganzen Serien einschließlich Tatort kann man mich jagen.
Nachdem ich ARTE in der Liste des Satellitenreceivers auf Platz dreihundertdingenskirchen wieder gefunden habe, sehe ich mir auch tatsächlich manchmal die Themenabende an.
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Fazit: Ich brauche ihn nicht, es ist jedoch schön das er da ist.
Das Internet verdrängt bei mir immer mehr den Fernseher und auch die Printmedien.
Sehr weise Entscheidung, sich...
Sehr weise Entscheidung, sich dem Terror des TV’s zu entziehen. Ich bin der festen Überzeugung, dass das TV nur noch der Verblödung der Massen dient. Fernsehen ersetzt zu 99% das Denken, leichte Kost fürs Hirn, das sich dadurch ans Hirn Junkfood (Fast Food) gewöhnt und schwere Kost nicht mehr mag. Seit Dezember habe ich auch kein TV mehr. Ich gebe zu, zu Anfang hat man sich Tantalus gemäß noch selbst gequält und in TV Programme geschaut, ob es nicht doch etwas gutes gibt. Doch es geht auch ohn und ja es ist ein Zeitgewinn und ein Sozialgewinn. Den Tatort – zumindest den aus Münster und München – schaue ich inzwischen bei Freunden. Danach quatschen wir noch über den Film und ich gehe wieder heim. Der letzte Tatort aus Frankfurt war ebenfalls sehr gelungen, da freut man sich dann mal auf fernsehen. Ansonsten geniesse ich die Ruhe und die Stille, eine mächtige Emotion und Situation. Schade, dass so wenige das noch zu schätzen wissen.
'Deckenfluter für Leute, die...
‚Deckenfluter für Leute, die ihr Licht nicht zum Lesen brauchen‘
Liebe Frau Diener, das sehe ich ganz andes. Meine Wohnung ist ‚halogen palace‘ und ich des Stromversorgers bester Kunde, weil allenthalben Deckenfluter für Licht sorgen, gerade um in jeder beliebigen Ecke gut ausgelechtet lesen zu können. Meine Eltern hatten für sowas noch Neonröhren indirekt an allen Wänden. Deren Licht war etwas kälter, aber der Anspruch derselbe. Nichts ist schlimmer als die aufs Papier gerichtete Funzel über die Schulter mit Schlagschatten und blendenden Reflexen auf dem Papier. Ansonsten völlige Zustimmung. In der Hölle werden Textbeiträge mit ‚Musik‘ unterlegt. Weswegen auch die meisten neueren Hörbücher unerträglich sind.
Dani und andere, der...
Dani und andere, der DVD-Player ist ein älterer Henkelmac, der seine Aufgabe ganz wunderbar erfüllt. Außerdem hält er von allen angeschafften DVD-Playern des Haushaltes bislang am längsten. Er ist an die Stereoanlage und einen nicht ganz kleinen Monitor angeschlossen, auf dem man wunderbar mit Vollbild gucken kann. Das ist wie ein Fernseher, man braucht dafür kein Empfangsgerät.
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Filou, mit bekennenden Junkies kann man wenigstens reden, das ist schon mal besser als diese Arte-Ausweichler. Ich habe keine Wanne, nur eine Dusche, daher komme ich im Bad nie in Verlegenheit, wasserdichte Unterhaltung zu suchen. Überhaupt fehlt mir die Zeit und die Gelegenheit. Zeit, die so tot ist, daß ich sogar Fernsehen in Kauf nehmen würde, um sie noch töter zu schlagen, die hab ich nur unterwegs. Dafür wurden dann aber iPod und Autoradio erfunden. Und zu Hause habe ich eigentlich immer besseres zu tun.
zonebattler, jedes Mal, wenn...
zonebattler, jedes Mal, wenn ich Fernsehdokumentationen aus den 60ern oder 70ern begegne, gibt es dieses Aha-Erlebnis: Haben die sich eine Mühe gegeben! Haben die sich eine Zeit genommen! Was einmal einstündige Sendungen wert war, wird heute im Fünfminutentakt durchgewunken. Es verschnipselt. Und ich finde Schipsel unterträglich, weil ohne jeglichen Nährwert. Wenn ich was sehen will, dann eine Stunde, zwei Stunden am Stück. EWG-Format mit halbstündiger Überziehung. Und das gibt es nur noch zu Hause, wenn ich mein eigener Programmdirektor bin.
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Rosinante, bis vor zwei Jahren hatte ich nicht einmal einen Führerschein – ich bin Ihnen daher alles andere als böse. Aber so ganz ohne Geschwindigkeit im Leben existiert es sich doch arg archaisch. Daher entscheid ich mich für die räumliche Geschwindigkeit und ließ die Flimmerei weiter außen vor.
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Marc, zum Serien mal angucken gibt es böse, dunkle Kanäle in diesem Piratensumpf namens Internet. Wenn es gefällt, geht es auf DVD weiter. (So zumindest, nachdem die Videothek hier dicht gemacht hat, vorher war auch leihen noch eine Option.)
Einen Computer, ein...
Einen Computer, ein hochwertiges LCD Panel (ohne Empfangseinheit) und eine HiFi Anlage sind doch alles, was man braucht, um sich mal einen gepflegten Film anzusehen. Fernsehen ist für die Unterschicht und für Voyeure.
Auch ein Besuch im Kino ist eine brauchbare Alternative. Oder gar ein Buch!?
Till, dann werde ich aus Ihrer...
Till, dann werde ich aus Ihrer Wohnung vermutlich rückwärts wieder rausfallen, falls ich jemals in Verlegenheit komme, sie zu betreten. Halogen macht mich fertig. Ich habe eine alte Bibliothekslampe, die der Reisebegleiter auf dem Dachboden fand und irgendwie nicht mehr brauchte, da gibt es keinen Schlagschatten und nichts blendet. Bibliothekslampen sind wirklich ziemlich ideal, man könnte sagen: Zum Lesen wie extra dafür erfunden. (Ansonsten natürlich auch Zustimmung. Musik ist Musik und keine Soße zum Spracheertränken.)
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Barocke Hörerin, ein kluger Umgang, den Sie da pflegen. So erschließt sich mir das auch.
Als bekennender Lichtfanatiker...
Als bekennender Lichtfanatiker ist mir das Problem bekannt. Immer wieder klagt Besuch über die Lichtfülle in meinen Räumen und obs nicht auch weniger grell, ergo gemütlicher ginge. Dann wird abgeschaltet, bis es genehm ist. Gemütlich kann ich aber nicht so recht. Bei der Arbeit leuchtet mir eine Fortuny in den Nacken (https://www.fashionstylebeauty.de/fortuny-stehlampe.html), die gibt viel schönes weiches Licht und ist gut gegen die Winterdepression. Bibliothekslampen sind toll für die Arbeit am Schreibtisch, aber in meiner Freizeit wandere ich von einem Sesel zum nächsten in lesender Peregrinatio.